Inhaltsverzeichnis
Allein zu Hause
Ojeoje, ojemine. Was knarzt da unterm Bett?
Ein großes Gespenst, so fett,
dass es will etwa ein Büfett?
Was raschelt denn hier hinterm Schrank?
Die Katze einer Hexe.
Sie schleicht sich hin und her,
und hinterlässt nur Kleckse!
Was schleicht sich da ums Eck?
Ein böser, großer Kinderschreck.
Er will 'nen Überweisungsscheck,
dass Mama denkt ich klaue!
Ach wär die gute Mutter hier,
hätt ich nicht Angst vor dem Vampir,
im Film den ich sehe.
Draußen tobt das Unwetter,
ich bekomm hier richtig Angst!
Schritte höre ich im Flur,
Oh nein! Hilfe!, denk ich nur.
Ein Kichern - he, das kenn ich doch,
Angst hab ich trotzdem noch.
Jetzt wieder dieser hohe Ton -
"Marianne! Schläfst du schon?"
Ojemine, ojeoje: Davor rannte ich davon!
Die Erlösung
Jana guckte aus dem Fenster des Autos auf die Straße. Es regnete. Ganz anders als bei ihrem alten zu Hause. Da schien fast immer die Sonne. Bei ihrem alten zu Hause hatte Jana sich wohlgefühlt, sie hatte Freunde und einen riesigen Garten. Sie hatte keine Ahnung warum ihre Mutter also umziehen wollte.
"Schatz, das wird ganz toll!" rief ihre Mutter vom Fahrersitz.
"Ja, ja", murmelte Jana. "Regen und ein altes Haus zum wohnen – wie toll!"
"Das ist nicht einfach nur ein Haus, Jana", meinte ihre Mutter. "Das ist fast schon ein kleines Schloss! Ich bin mir sicher es wird dir dort gefallen!"
"Da bin ich mir nicht so sicher", dachte Jana. Regen und ein steinaltes "Schloss", das war ja echt toll!
Gerade fuhren sie an einem Ortsschild vorbei. Münsdorf stand darauf.
"Wir sind da", quietschte ihre Mutter fröhlich. Und einige Straßen später tauchte auch schon das besagte "Schloss" auf. Gerade schlug ein Blitz ein.
"Das muss es sein!" sagte ihre Mutter die sich auch von einem Gewitter und einem alten unheimlichen Schloss nicht die Laune verderben ließ.
"Na dann lass uns mal reingehen", sagte Janas Mama, die übrigens Isabell hieß.
Jana schleppte ihre Umzugskartons ins Haus. "Wo ist denn mein Zimmer?" fragte sie.
"Auf dem Dachboden!" erwiderte ihre Mutter.
Jana war sonst eigentlich nicht besonders ängstlich, doch in so einem alten unheimlichen Schloss alleine auf dem Dachboden zu wohnen, das fand Jana nun doch nicht so toll.
"Auf dem Dachboden?!" fragte Jana. "Meinst du das ernst?"
"Natürlich Jana!" sagte ihre Mutter. "Oder fürchtest du dich etwa?"
Gerade wollte Jana "Ja!" sagen, doch dann dachte sie, wenn sie DAS jetzt sagen würde, würde sich Isabell noch lange darüber lustig machen. Also nahm sie nur murrend ihre Kartons und schleppte sie auf den Dachboden. Auf dem Dachboden hingen Spinnweben und Staub bedeckte die Fenster, sodass nur fahles Licht in den Raum fiel. Der Fußboden war ebenfalls mit Staub bedeckt und Jana sah ihre Fußspuren auf dem Boden. Dahinten stand sogar ein Bett. Da sollte sie also drin schlafen. Das Bett sah eigentlich sogar recht hübsch aus, aber wer weiß wer da schon einmal drin geschlafen hatte. Jana lief eine Gänsehaut über den Rücken. Schnell stellte sie die Kartons ab und lief wieder nach unten.
"Und, wie ist es da oben?" fragte ihre Mutter.
"Schon ein bisschen unheimlich." gab Jana zu.
"Du Mama, darf ich mal ein bisschen im Dorf herumlaufen?"
"Na gut", seuftzte Isabell. "Aber zum Abendessen bist du wieder da!" mahnte sie.
"Jahaa", stöhnte Jana und lief ins Dorf.
Die Erlösung (Fortsetzung)
Im Dorf angekommen, ging sie ein bisschen spazieren und wurde gleich von einer kleinen Gruppe in der zwei Mädchen und ein Junge waren angesprochen.
"Hey, bist du neu hier?" "Wo wohnst du?" "Wo warst du vorher?" "Und wie heißt du überhaupt?"
Jana räusperte sich. Dann sagte sie: "Hallo ich bin Jana. Meine Mutter und ich sind gerade hier her gezogen. Wir wohnen in diesem kleinen Schloss."
"Ihr wohnt im Geisterschloss?" japste der Junge.
"Geisterschloss? Wieso?" fragte Jana ungläubig.
"Na ja", sagte das eine Mädchen, "man sagt, früher wohnte dort eine Müllerstochter mit ihrem Mann. Aber sie liebte ihren Mann nicht. Deshalb traf sie sich immer mit einem heimlichen Geliebten, den sie schon aus ihrer Jugend kannte. Eines Nachts jedoch kam der Mann dahinter und er töte die Müllerstochter aus Zorn. Ihr Geliebter konnte fliehen. Ihrem Mann tat das ganze hinterher leid, aber er konnte es nicht mehr rückgängig machen. Und nun kommt ihr Geist wohl nicht zur Ruhe, denn es besagt die Legende auch, dass man sie in warmen klaren Nächten noch um Erlösung betteln hören kann. Zur Erlösung will sie einen Kuss, von einem Mann oder einem Jungen mit dem Sternzeichen Teufel."
Zum zweiten Mal an diesem Tag bekam Jana Gänsehaut. "Und was ist Sternzeichen Teufel?" fragte sie.
"Keine Ahnung. Das wissen wir nicht. Und vielleicht ist die Geschichte auch gar nicht wahr", meinte das andere Mädchen.
Jana sah auf die Uhr: Es war schon Zeit zum Mittagsessen. Zum Abschied sagte sie: "Wollt ihr mich vielleicht heute Nachmittag besuchen?"
"Gerne!" meinte das Mädchen.
"Dann bis nachher!" rief Jana und rannte los.
"Ding, Dong!" machte die Tür, als die Mädchen und der Junge pünktlich nach dem Essen vor ihr standen.
"Kommt rein", sagte Jana. "Wollen wir gleich in mein Zimmer gehen?" fragte sie.
Die Drei nickten. Die Treppenstufen knarzten bei jedem Schritt. Die Drei guckten sich ängstlich um, doch dann gingen sie Jana hinterher.
Auf der Treppe sagte Jana: "Also ich möchte diesem Geist eine Falle stellen, damit wir sie erlösen können!"
"Aber was, wenn es gar keinen Geist gibt?" fragte eines der Mädchen. Inzwischen waren sie auf dem Dachboden angekommen.
"Leute, ich schätze, es gibt einen Geist", sagte Jana. "Seht es euch an, auf dem Fußboden sind Fußspuren - und die sind nicht von mir oder meiner Mum!"
"Stimmt, sie hat Recht!" sagte der Junge. "Also gut, stellen wir dem Geist eine Falle. Doch dazu müssen wir wissen, wer sie erlösen kann. Mhh, Sternzeichen Teufel, wer mag das sein?"
"Vielleicht sollten wir in der Bücherei nachfragen", schlug Jana vor.
"Bücherei?!" lachte der Junge. "Bei uns im Dorf gibt es keine Bücherei! Da musst du schon mit dem Auto in die nächste Stadt fahren."
"So ein Mist!" fluchte Jana. Plötzlich fiel ihr Blick auf ein altes, eingestaubtes Bücherregal. "Meint ihr, da drinnen können wir eine Antwort finden?" fragte Jana.
"Also einen Versuch ist es wert!" meinte das eine Mädchen. "Astrologie, Horoskop... Sternzeichen, das könnt's sein!"
Sie holte das Buch aus dem Regal und las vor: "Erstes Kapitel: Widder, Skorpion, Krebs... Zweites Kapitel: Teufel und andere Wesen der Finsternis. Aha, da müssten wir doch etwas finden!"
Sie schlug das Kapitel auf. "Als Sternzeichen Teufel wurden junge Männer bezeichnet, die in ihrem Leben schon mehr als fünf böse Taten begangen haben."
Alle blickten zu dem Jungen (er hieß übrigens Tom).
"Und?!" fragte Jana.
"Was, und?" fragte Tom.
"Na, hast du schon mehr als fünf böse Taten begangen?"
Über Toms Gesicht breitete sich ein teuflisches Grinsen aus. "Na, also darauf könnt ihr zählen! Erst letzte Woche, da habe ich..."
"Stopp, das reicht!" lachte das eine Mädchen.
"Ok gut, dann kannst du den Geist erlösen", meinte Jana.
"Was, ich soll diese alte, Müllerstochter küssen? Aber die ist doch tot und vielleicht..." jaulte Tom.
"Hast du etwa Angst?" kicherte das eine Mädchen.
"Ich und Angst?" fragte Tom spöttisch. "Nie im leben! Also gut dann mach ich's eben, wenn ihr das unbedingt wollt!"
Obwohl Tom ziemlich cool tat, merkten alle, dass Tom Schiss hatte. Aber wer hätte das nicht, wenn er eine tote Müllerstochter KÜSSEN sollte.
"Also gut, dann würde ich vorschlagen, ihr Drei übernachtet heute bei mir, dann warten wir auf den Geist, Tom küsst den Geist, und der Geist kann endlich in Frieden ruhen." Jana begleitete die Drei noch mit nach unten, dann schloss sie die Tür hinter ihnen und setzte sich erschöpft auf einen Stuhl.
Gegen Abend trafen auch Janas neue Freunde ein. Sofort plapperte das eine Mädchen (es hieß übrigens Henriette) los: "Also, wir haben uns einen Plan ausgedacht! Wir verstecken uns auf dem Dachboden und warten bis dieser... Geist auftaucht. Dann rennst du zum Lichtschalter und machst ihn an, der Geist wird sehr verdutzt sein, Tom küsst ihn schnell und dann kann der Geist in Frieden ruhen!" Henriette beendete ihren kleinen Vortrag. "Und, was sagst du?" fragte sie. "Also ich finde, dieser Plan klingt echt gut!" sagte Jana.
Nachdem jeder der Drei eine Fertigpizza und einen halben Liter Cola zu sich genommen hatte, verzogen sie sich auf den Dachboden und versteckten sich. Es war mucksmäuschenstill, doch gleichzeitig war die Spannung im Raum so stark, dass man sie fast spüren konnte. Die Uhr schlug 11 und aus der Ecke wo Tom wachte hörte man ein leises Schnarchen.
"Ehy!" rief Jana. "Tom, wach auf! Wenn gleich der Geist kommt und du pennst dann..."
"Ja, ja ich bin ja schon wach. Aber langsam bin ich es leid zu warten!"
"Der Geist wird bestimmt bald auftauchen", meinte Henriette.
"Ja, wahrscheinlich pünktlich um Mitternacht", kicherte Lucy, das andere Mädchen. Doch schnell verstummte sie, denn plötzlich sah sie eine wunderschöne Frau in dem Spiegel, der über Janas Bett hing. Die Frau war durchschimmernd und sie hatte lange, schwarze Haare. Plötzlich ging sie aus dem Spiegel hinaus stellte sich in Janas Zimmer und schloss die Augen. Dann summte sie eine Melodie und wiegte sich langsam.
"Jetzt!" flüsterte Lucy.
Jana rannte zum Lichtschalter und knipste ihn an. Wie erwartet erschrak die junge Frau und Tom nutzte die Schreckensekunde und küsste den Geist. Mitten auf den Mund. Dann trat er einige Schritte zurück, um sehen zu können, was nun geschehen würde. Eine Träne rann über die Wange des Geistes.
"Danke!" hauchte sie. "Danke."
Dann begann sie sich zu drehen und löste sich langsam in Luft auf. Tom guckte sich ungläubig um. "Haben wir es geschafft?" fragte er.
"Ja!" sagten Jana, Lucy und Henriette wie aus einem Munde.
"Nun kann sie endlich in Frieden ruhen", sagte Lucy andächtig.
"Vielen Dank!" sagte Jana, "Dank euch, und besonders dank dir Tom, kann ich nun in diesem Haus leben, ohne Angst vor einer unruhigen Seele haben zu müssen."
"Aber das war doch selbstverständlich!" sagten die Drei und lächelten Jana zu. Und Jana lächelte zurück.