"Reise ohne Wiederkehr" eingesandt von pandora
Meine Hände zittern, mein Herz pocht laut, als ich ganz langsam das Buch aufschlage. Ich weiß, dass es ein Fehler ist, aber ich kann nicht anders. Für mich geht es um Leben und Tod. Wenn ich es nicht tue, werde ich zerbrechen, an all dem Schmerz. An meiner Schuld. Und an der Zeit. Sie zerrinnt in meinen Händen, immer schneller, im rasenden Takt des Herzschlags. Ich spüre wie mein Puls an meinem Hals pocht. Mein Atem geht so schnell und in meinem Inneren bildet sich ein Knoten. Angst, Schuldgefühle, wegen damals, wegen heute. Weil es falsch ist. So falsch, so gefährlich.
Ich versuche mich zu besinnen, blättere eine Seite um und noch eine. Immer weiter. Bis ich es finde. Mein Atem geht so schnell, ich bekomme kaum Luft. So wenige Worte, so viel Macht. So ein Glück. Ich lese sie: Erst leise, dann laut. Doch kein Wort kommt über meine Lippen. Die Lippen die ihn so vermissen.
Entschlossen versuche ich es noch einmal. Erleichterung. Freude. Meine Stimme steigert sich zu einem Singsang heran. Immer lauter. Ich bin verzückt von dieser Schönheit. Immer wieder die gleichen Worte. Ich drehe mich, Seide flattert. Meine Augen sind geschlossen, ich erinnere mich. Drehe mich immer weiter, immer schneller.
Dann plötzlich wird es hinter meinen Lidern dunkel. Die Kerzen sind verloschen. Es ist kalt. Ich rieche den Regen. Weiß, ich bin zurück. So viele Jahrtausende, seine Sterblichkeit, alles, was uns trennt, zerfließt wie Wasser, löst sich auf, als ob es nie existiert hätte.
Ich öffne de Augen, weit unter mir am See sehe ich ihn. Ich laufe wie auf Wolken zu ihm. Sehe wie er weint, weil er mich verlassen hat. Die Nymphen des Sees umschwärmen ihn, verführen ihn, ohne Erfolg. Als sie mich bemerken, stoßen sie leise Schreie aus, fliehen, stürzen sich in die eiskalten Wogen des Sees, versinken in ihrem Reich aus Kälte.
Er bemerkt es nicht. Ist zu versunken in seinem Schmerz. Wie sehr ich mir wünsche, ich hätte es ihm schon früher erspart. Wäre ich doch hinter ihm her gelaufen, hätte ich ihn nur gesucht, ihm die Unsterblichkeit gegeben. Auch gegen seinen Willen. Stattdessen war er gefangen in einer Zeitschleife, musste er unser Glück und unser Scheitern immer wieder ertragen, wegen mir. Wegen meines Fluchs. Mit Blut dargebracht. Mit unsterblichem Blut. Meinem Blut.
Doch jetzt bin ich da.
Endlich.
Glücklich, schreite ich auf ihn zu. Berühre ihn ganz sanft, wie eine Feder. Er erschrickt, springt auf. Kein Laut. Ungläubigkeit. "Ich bin zurückgekommen, die Jahrtausende waren so leer ohne dich... Es tut mir so unendlich leid. Dein Schmerz, mein Schmerz. Unsere Liebe. Bist du bereit für mich? Unser Leben? Die Unsterblichkeit?" Tränen rinnen über sein Gesicht, als er den Kopf schüttelt. Ich wusste es, doch es tut trotzdem weh. Wieder entscheidet er sich gegen mich. Wieder und wieder und wieder. Obwohl ich für ihn diese Reise tat, diese Reise durch die Zeit.
Doch es ist egal. Ich habe auch entschieden. Denn verloren ist nun meine Gabe der Unsterblichkeit, die ich ihm ohnehin nicht hätte geben können, gegeben für eine neue Chance. Deswegen bleibe ich. Bei ihm.
Für mich gibt es keine Rückkehr aus dieser Zeit... von meiner letzten Reise...