"Der Traum meines italienischen Sommers" von Pantalaimon
Ich schwitzte, dabei war ich so gut wie nackt. Na gut, nackt nicht, aber der Minirock war wirklich nicht viel Stoff, und auch das Top, das ich trug, bedeckte nicht viel. Trotzdem war ich schweißgebadet. 35°C im Schatten, windstill. Sommer in Italien.
"Dai che andiamo, non cela faccio più!", sagte ich und stand auf. Seit einer halben Stunde saßen wir vor "unserer" Bar und warteten. Worauf wusste keiner so genau, denn eigentlich wollten wir an den Fluss fahren.
"Va bene, va bene. Hai ragione. Andiamo!" Endlich! Die anderen standen auf, wir stiegen in die Autos. Vier Autos, in jedem fünf Leute. Wir waren alle, die ganze Gruppe.
20 Minuten Autofahrt mit offenem Fenster und mindestens zwei angezündeten Zigaretten pro Auto. Dann bog das erste Auto ab, die anderen hinterher, eine ziemlich holprige Strasse entlang und dann parkten wir.
"Dobbiamo camminare un po'. Lì dietro c'è un pezzo con sabbia ... bellino." Wir gingen ein kurzes Stück, kletterten über einen Felsen und dann waren wir angekommen. Ein kleiner Strand, zumindest war da Sand, auf der einen Seite der Felsen, drum herum Bäume und der Fluss. Unser Fluss.
So schnell es ging zogen wir uns die Klamotten aus, aber auch wenn man nur einen Bikini oder eine Badehose trug war es zu heiß. Ich brauchte Wasser! Um in den Fluss zu gelangen, musste man einen aus dem Wasser ragenden Felsen entlang balancieren, von dessen Ende man wundervoll erfrischende Kopfsprünge machen konnte. Kaum im Wasser nahm einen die Strömung mit den Fluss hinab, aber man musste sich nur ein bisschen links halten und wurde auf eine Art Sandbank gespült, nur dass sie nicht aus Sand sondern aus Steinen war.
Das Wasser war eiskalt. Ich zog mich aus dem Wasser und setzte mich auf den Felsen, ließ mich von der Sonne wärmen. Langsam ließ ich den Blick über die Landschaft gleiten, die Berge. Zwischen zwei Hügeln sah man den Kusnar, einer der höchsten Berge in der Umgebung. Von Tag zu Tag wurde der Schnee - der dort immer noch lag - weniger, jetzt wo der Sommer endlich gekommen war.
"Infatti", erklärte mir meine Gastschwester, "L'acqua è così freddo perché è la neve sciolta delle montagne." Ich spürte das kalte Wasser, das meine Füße umfloss, den geschmolzenen Schnee der Berge. Glücklich schloss ich die Augen, hörte die Stimmen der Anderen, die Sonne auf meiner Haut, das Wasser ... doch je mehr ich mich auf all das konzentrierte, desto schwächer wurden die Eindrücke, umso mehr verblasste alles. Langsam öffnete ich die Augen, mein Blick auf die Zimmerdecke gerichtet.
Ich stand auf, schaute nach draußen. Die Sonne schien. Aber die Landschaft war flach, plattgedrückt. Ich war in Deutschland, zuhause.
Mit einem Lächeln erinnerte ich mich an meinen Traum, erinnerte mich an meine Berge, meinen Fluss, meine Bar. Meine Freunde. Mein Italien. Ich erinnerte mich an die letzten zehn Monate, an all die Tage, die ich mit meinen Freunden am Fluss war, an die Tage im Schwimmbad, die Tage, die wir vor der Bar verbracht haben. Erinnerte mich an die vielen Momente, in denen ich so viel gelacht hatte, dass mir der Bauch wehtat, an die Tage, an denen ich vor Langeweile beinahe gestorben war. Wie sehr wünschte ich mir auch nur einen von diesen zurück, einen grauen, mit Regen und nichts zu tun. Nur, um wieder Italienisch zu sprechen, nur um all meine italienischen Freunde wieder zu sehen.
Aber meine Zeit dort war um, ich war wieder in Deutschland. "Hey, du bist auch aufgestanden?", hörte ich plötzlich jemanden von unten fragen. Mein bester Freund. Ich lachte. "Ja, stell dir mal vor. Warte, ich komm runter!" Schnell zog ich mir etwas Leichtes an, rannte die Treppe runter und ging hinaus. Lachend legte ich einen Arm um ihn, gab ihm ein Küsschen auf die Wange. "Komm, ich erzähl dir, was ich gerade geträumt habe.", sagte ich und zog ihn auf die Hängematte in meinem Garten. "Es ist der Traum meines italienischen Sommers".