"Meereskind" eingesandt von Dropsii
Die Luft schmeckt ein bisschen nach Salz und nach Freiheit. Ich lecke mir mit der Zunge über meine Lippen. Der Wind fährt durch meine Haare und ich spüre den weichen Sand unter meinen Füßen. Jedes einzelne Sandkorn. Am Liebsten würde ich lachen. Lauter als die Wellen, wenn sie gegen das Land treffen. Aber ich kann nicht. Ich hab vergessen, wie das ging. Vergessen. Das alles.
Irgendwo segeln Möwen im Wind. Einfach nur die Flügel ausbreiten und weggetragen werden. Es sieht so einfach aus. Manchmal wünschte ich, ich könnte das auch. Fort. Und weg. Über dem Meer segeln. Als wäre da nichts anderes. Frei zu sein. Ich lasse los.
Das Meer ist jetzt vor mir. So unendlich weit. In allen Farben, die man noch "meerblau" nennen kann. Manchmal sagen sie mir, dass meine Augen aussehen wie ein kleines Meer. Als wären sie die Pforte zu meiner Seele. Irgendwo da drin. Meeresseele. Es fühlt sich gut an, wenn sie sagen, dass ich ein kleines Stück Ozean in mir trage. Es hört sich wunderbar gut an.
Und das kleine Meer starrt hinaus. Aufs große Meer. Ich wünschte, ich wäre wirklich ein Teil davon. Ich. Wir. Ich stehe einfach da. Direkt vor dem Meer. Wenn es wollte, könnte es einfach seine Finger ausstrecken und mich berühren. Über meine Haut streichen. Immer weiter. Mich festhalten. Mich nie mehr los lassen. Nie mehr. Und mich mitnehmen. Einen Schritt. Einen und noch einen.
Das Meer berührt mich. Umspielt meine Füße. Ich muss lächeln. Gehe noch einen Schritt. Ich spüre, wie es mich begrüßt. Sagt willkommen. Und ich sag: "Hallo". Und: "Danke". Die Wellen kommen und gehen. Wie das Schlagen eines Herzens. Wie der Takt der Welt. Und ich wünschte, ich könnte ein Teil davon sein. Ich wünschte, mein Herz würde im selben Rhythmus schlagen. Ich geh weiter. Immer weiter. Schau nicht zurück. Nur an den Horizont, wo Meer und Himmel sich berühren. Wo zwei Welten aufeinander treffen. Meine und eine Fremde. Ich streich mit meiner Hand über das Wasser. Das Sonnenlicht spiegelt sich auf der Oberfläche. Wo es sich bricht und ein Muster auf das Wasser malt. Ein Muster, als wäre es aus Silber. Ich steh im Meer, das mir jetzt bis zum Bauch reicht. Kalt. Aber irgendwie wärmt es mich auch. Schützt mich. Gibt mir Geborgenheit. Meine Füße spüren immer noch den weichen Sand unter sich. Wie der letzte Halt an der Vergangenheit. Geh weiter. Weiter und weiter.
Und dann lass ich mich fallen. Lass los. Wie die Möwen, wenn der Wind sie tragen soll. Und fliege. Das Wasser trägt mich. Streicht über meine Haut. Ich höre meinen Herzschlag, weil das Wasser ihn zu meinen Ohren trägt. Und er ist eins mit dem des Meeres. Ein Teil. Das was ich immer sein wollte. Mein Stück Meer dahin zu bringen wo es hingehört. Meer zu sein. Meer.
Mein Kopf taucht unter. Und ich kann Muster sehen, die die Strömung in den Sand gemalt hat. Meine Hand will das Wasser berühren. Aber es ist überall. Ich breite meine Arme aus und stoße mich ab. Spüre wie ich gleite. Wie ich fliege. Es ist so einfach. Es ist so wunderbar. Es ist Alles. Alles was ich bin. Es gibt solche Momente, in denen einfach alles perfekt ist. Momente in denen man einfach verdammt glücklich ist. In denen alles an dem Platz ist, wo es sein soll. Und so einer ist das. Freiheit. Und Geborgenheit. Wie ein Wunder.
Ich spüre, wie die Luft knapp wird. Wie mein Takt aus dem Rhythmus gerät. Es sind halt nur Momente. Und Momente haben immer ein Ende. Mein Kopf sucht die Wasseroberfläche. Und dann breche ich durch. Spüre wie sich meine Lungen mit Luft füllen. Aber es fühlt sich falsch an. Spüre wie die Sonne mich begrüßt. Aber es fühlt sich falsch an. Spüre wie ich wieder die bin, die ich war. Die Falsche. Und zurück. Dahin wo ich wieder nur das Mädchen mit dem Meer im Herzen bin. Wo ich anders bin. Meereskind.