Lovesong (von gelly)
„Du solltest ihr einen Lovesong schreiben…“, sagte Paul plötzlich ganz unvermittelt und spielte den Tischtennisball mit einer lockeren Bewegung zurück. Mo schreckte hoch und starrte ihn an. „Was?“ Der Ball hüpfte direkt neben ihm von der Platte. „Ich hab gesagt, du solltest ihr einen Lovesong schreiben. Da fahren die girls alle drauf ab, glaub mir.“ Er neigte den Kopf leicht und pustete seinen überlangen Pony aus dem Gesicht. Mo versteifte sich. „Was soll das, Alter? Wem soll ich ein Liebeslied schreiben?“ Sein bester Freund Paul liebte es, englische Wörter in seine Sätze einzubauen, aber das hieß noch lange nicht, dass er, Mo, das übernehmen würde. „Sophie, my dear, Sophie.… Mann, das sieht doch ein Blinder mit Krückstock zweihundert Meter gegen den Wind, dass du in die Kleine verknallt bist. „ Mo versuchte einfach, sich weder darüber, wie zielsicher sein bester Freund mal wieder ins Schwarze getroffen hatte, noch darüber, dass Paul selbst offenbar nie davon ausging, er könnte danebenliegen, aufzuregen. Aber eine Bemerkung konnte er sich einfach nicht verkneifen. Spöttisch zog er eine Augenbraue hoch: „Die Kleine? Alter, Soph ist einen halben Kopf größer als du, Mister Frauenschwarm.“

Scheinbar beleidigt versteckte der sich hinter seiner Mähne, aber Mo konnte sein Lächeln förmlich spüren. Nichts war ihm lieber, als als Frauenschwarm bezeichnet zu werden. „Lenk nicht ab. Das ist quite simple. Du schnappst dir meine Gitarre, wirfst ein Steinchen an ihr Fenster und singst something about love.“ Der angehende Schnulzensänger stellte sich in Position. „I love you, babe, ohhhhh,love you sooo much. I love you. Je táime, mon cherie.” Er entspannte sich wieder und schüttelte sich gekonnt das Haar aus dem Gesicht. „Glaub mir, mehr wollen die gar nicht hören.“, stellte er mit selbstzufriedener Miene fest. „Ach ja.“ Mo verkniff sich jeden Kommentar zu Pauls Gesangkünsten. „Da hätten wir nur zwei klitzekleine Problem: Erstens: Ich kann nicht Gitarre spielen. Zweitens: Ich kann nicht singen.“ ´Drittens: Das ist peinlich ´ und ´Viertens: das ist überhaupt eine bescheuerte Idee´ schluckte er hinunter, wohl wissend, wie empfindlich der Macho sein konnte.
Aber so klein gab Paul nicht klein bei. „Jetzt hör mir mal zu. Listen, boy. Wir kennen dich doch beide. Du wirst nie ein girl abkriegen, wenn du nicht einmal was traust. My God, dann blamier dich halt. Liebe kennt keine Scham.“ Beim letzten Satz breitete er theatralisch seine Arme aus und linste Mo über die alte Tischtennisplatte hinweg durch die Haarfransen an. Mo, der sehr schnell rot wurde, vertrat da zwar andere Ansichten, aber sein Freund hatte einen wunden Punkt getroffen. Mit dem Hundeblick und der Verständinstour kam er sowieso meistens ziemlich weit, und dann war doch noch die Sache mit Mo und den Mädchen. Er hatte noch nie eine Freundin gehabt und hätte alles getan, um darüber endlich hinweg zu kommen. ….Na ja, fast alles…. Paul blickte noch ein wenig stolzer drein, als er den Blick seines besten Freundes auffing. Er wusste, er hatte gewonnen.
Wie hatte er sich nur darauf einlassen können? Sein Gesicht leuchtete Rote- Beete- farben durch die Nacht, als er unter Sophie´s Fenster stand. „Just do it, do it! Ich lass euch zwei dann mal alleine…“ Paul grinste ihn noch ein letztes Mal an und verschwand in die Dunkelheit. Obwohl das Zimmer im ersten Stock war, brauchte Mo einige Anläufe, um die Scheibe zu treffen. Endlich sprang der Kieselstein gegen das Glas, brachte es zum Klirren und fiel ins Gras. Nichts rührte sich, während Mo mit feuchten Händen den Atem anhielt. Er wünschte sich nichts mehr, als nach Hause gehen zu können und sich die wahrscheinlich größte Blamage seines Lebens zu ersparen. Natürlich hatte er auch eine klitzekleine Hoffung, die Stürmerin ihrer Mädchenfussbalmannschaft würde verliebt seufzen und sich aus dem ersten Stock geradewegs in seine Arme stürzen – aber so etwas kriegte in Mo´s Welt allerhöchsten Paul hin. Dann eben nicht. Gerade als Mo gehen wollte, und schon leicht amüsiert daran dachte, wie er fast unter dem Zimmer eines Mädchens eine absolut peinliche Schnulzen- Nummer abgezogen hätte, öffnete sich das Fenster. Feuerrot leuchteten Sophie´s Haare durch die Nacht, ihre Augen strahlten so blau wie immer. Manchmal hatte Mo das Gefühl, dass sich ganze Ozeane in diesen Augen verbargen. Er wies sich zurecht. Paul hatte eindeutig einen schlechten Einfluss auf ihn.
Sie kräuselte ihre Nase, dass die tausenden von Sommersproßen nur so tanzten und zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Ihre Augen erkundeten sein Umrisse in dem Rosenbeet ihrer Mutter, sie schien zwischen Wut und Belustigung zu schwanken. In dem Moment wurde Mo eine Sache klar: Sie war nicht wie Paul´s girls. Er war mit Sophie im Zeltlager gewesen, hatte mit ihr Fussball gespielt, um das Laggerfeuer gesessen und „Aus den blauen Bergen kommen wir..“ gesungen. Das letzte, was Sophie beeindrucken würde, war eine Schnulze a la Paul. Also nahm Mo seinen ganzen Mut zusammen und begann zu singen. Und bis Sophie ihn grinsend darauf hinwies, dass er die Gitarre falschrum hielt, klang ein zweistimmiges und etwas zittriges „Aus den blauen Bergen kommen wir…“ durch die Vorgärten der Weilerstraße.