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Schreibwettbewerb "Stille": Der Gewinnerbeitrag

Stille kann bedrückend, aber auch schön sein, beruhigend, entspannend oder knisternd. Den Schreibwettbewerb zum Thema Sehnsucht hat diesmal Miezi gewonnen - mit ihrer Geschichte "Stille - Ihre Facetten". Lest sie hier

Stille - Ihre Facetten (von Miezi)

Ich erinnerte mich an die Stille. Die taube, drückende, aber kühle Stille beim Tauchen im Schwimmbad. Sie war gut gewesen, ich konnte durch sie dem lärmenden Alltag entfliehen und ein paar Minuten alleine sein. Dann war da noch die Stille, wenn man durch einen sommergrünen Wald läuft. Diese singende, strahlende Stille. Sie war beruhigend, einsam. Außerdem gab es noch die Stille der Ruhe. Die Stille, die immer dann kam, wenn ich auf meinem Bett lag, Kopfhörer auf und der Musik lauschte. Ja, Musik war auch eine Art Stille.

Aber es gab nicht nur diese gute Stille, diese entspannende Stille. Nein, da war auch noch die schlechte, erdrückende. Ich erinnerte mich an diese andere Stille, als sie gegangen war, als ich alleine auf der Mauer saß und die Worte der Wut donnernd in meinen Ohren hallten. Es war schrecklich, so schmerzhaft.

Später die peinliche, schweigende Stille, wenn ich mit ihm durch den Park ging. Es war die Stille der Getrennten, nur noch durch eine Illusion vereint. Das war die Stille der absoluten Einsamkeit, des Verlassenseins. Damals war mir klar, sie würde immer wieder kommen, schlimmer und schlimmer.

Als die Stille zu oft böse, schmerzhaft war, fing ich an sie zu übertönen. Die Kopfhörer verließen meine Ohren kaum noch, die Musik mein ständiger Begleiter. Es half nichts.

Stille - Ihre Facetten
Stille - Ihre Facetten
© 3format / photocase

Dann fand ich den Lärm wieder, das Lachen. Ich fand die gute Stille wieder, durch dich. Mein Leben war wieder bunt, voller Lärm und wohltuender Stille. Mein Leben war ausgeglichen, es war perfekt. Bis jetzt.

Du stehst vor mir, schweigend. Deine Worte hängen in der Luft, ich muss sie erst begreifen. Ich spüre die Stille, versuche sie einzuordnen, wie ich es immer getan habe. Ich erinnere mich an alle. Jede Stille, gut gespeichert, definiert. Aber diese hier ist anders. Sie ist so laut, schreit deine Worte, wieder und wieder. Du wirst gehen. Das hast du gesagt. Ich begreife, will aber nicht, wehre mich. Die Stille wird lauter und lauter, sie wird grausam. Und doch ist sie so leise. Kein Wort der Entschuldigung, kein Lachen, keine Zärtlichkeit. Sie ist leer. Leer und taub.

Jetzt bist du weg. Ich sitze hier alleine auf der Mauer und die Stille verhöhnt mich. Wieder und wieder deine Worte. So laut, so schmerzhaft. Nie war eine Stille so endgültig, so unwiderrufbar. Sie tut weh, diese Stille, und sie bleibt. Bleibt für immer.

Mit der Zeit wird es besser gehen, aber nie wird sie verschwinden. Diese Stille lässt sich nicht übertönen, es gibt kein Heilmittel. Und niemals, niemals wird sie der guten Stille oder dem fröhlichen Lärm Platz machen.

Das ist deine Schuld.

Ich wollte nur, dass du weißt, was du getan hast.

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