Labyrinth
Es war der höchste Turm der Stadt. Ein alter, dreckiger Betonklotz, auf dessen Dach sich der Staub sammelte. Kein schöner Ort.
Der bitterkalte Wind pfiff ihm um die Ohren und seine Zehen die knapp über die Kante des Gebäudes ragten, waren taub geworden.
Im ganzen sah der Himmel so aus, wie er sich fühlte.
Die Leute unten in dem Regenschirmgemenge sahen zu ihm empor. Warum? Er hatte vor zu springen, denn in letzter Zeit war alles zu viel geworden.
Er fühlte sich wie ein eingesperrtes, verletztes Tier, das nicht verstand, warum es so gequält wurde. Seine Freundin, mit der er zwei Jahre zusammen gewesen war, hatte sich von ihm getrennt, weil sie einen Anderen hatte. Seine besten Freunde hatten ihn an die ersten harten Drogen herangeführt und zu dem unglücklichen Kettenraucher gemacht, der er jetzt war. Vielleicht würden ihn seine Eltern endlich einmal ansehen, auch wenn er nicht mehr lebte? Er glaubte sie an der Kellertür zu hören, wie sie ihn anflehten endlich auf zu machen, doch das würde er nicht.
Sein Name würde in der Welt- geschichte nicht auftauchen, ein anfänglicher Alkoholiker, wie er es war, konnte es kaum noch weit schaffen. Mit dem Glauben, dass er das Richtige tat, holte er noch einmal tief Luft und sah hinunter. Dann hatte er eigentlich vorgehabt zu springen, doch dazu kam er nicht. Denn der erste Blitz zuckte durch den Himmel, ganz nah bei ihm. Die kurze Lichtflut, die das Spektakel beleuchtete nahm er gar nicht wahr. Er sah etwas, was alle Wissenschaftler dieser Welt anzweifeln würden. Und doch war es da, die kurze Bilderflut, aber erst da verstand er. Er geriet auf dem nassen Blech ins Schwanken und wäre fast gestürzt, konnte aber gerade noch die Hand greifen, die sich ihm entgegenstreckte. Die Hand seines Vaters.
Es gibt Momente im Leben, da glaubt man es kann gar nicht schlimmer kommen. Doch sei froh, wenn die Vergangenheit so schlimm war, kann die Zukunft doch nur besser werden, oder?