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Zukunft Warum wir uns vielleicht bald von Insekten ernähren

Insektenessen
Was manche von uns als Mutprobe empfinden, ist für rund ein Drittel der Weltbevölkerung Normalität: In asiatischen Ländern, vor allem in Thailand, isst die Bevölkerung schon lange Insekten
© nicemyphoto / Fotolia
Rund 7,7 Milliarden Menschen leben auf der Erde – und die Weltbevölkerung wächst weiter. Mit ihr nimmt auch die Zahl der Fleischesser zu. Das bringt viele Probleme mit sich, denn die Tiere brauchen Futter, Wasser, Platz. Wissenschaftler fragen sich deshalb: Wie ernähren wir uns in Zukunft?

Mein Entschluss steht fest: Ich werde Insekten essen! Wie die wohl schmecken? Mutprobe nennen meine Kollegen das Experiment. Im Supermarkt, zwischen Hähnchenbrustfilets und Frikadellen, greife ich zu einem tiefgefrorenen Burger aus Buffalowürmern. Hört sich widerlich an. Als ich den Burger aus der Packung friemele, sieht der allerdings ganz normal aus. Eben wie ein „echter“ Burger aus Rindfleisch.

Ich brate ihn und schneide ihn durch. Kein kringeliger Wurm zu sehen. Der Burger ist gleichmäßig braun und duftet würzig. Ich beiße hinein. Der Hintergrund meines Experiments ist schnell erklärt: Wir Menschen essen zu viel Fleisch; der Durchschnittsdeutsche zum Beispiel vertilgt pro Jahr rund 60 Kilogramm.

Unsere Ernährung muss sich ändern

Dabei warnen Mediziner: Wer viel Fleisch isst, lebt ungesund. Besonders Schweine- und Rindfleisch enthalten ungesunde Fette. Sie schaden unserem Herzen und unseren Adern. Wer zu viel Fleisch isst, dem drohen also lebensgefährliche Erkrankungen wie ein Herzinfarkt.

Vor allem aber leiden die Nutztiere unter unserem Hunger auf Fleisch. 58 Millionen Schweine werden allein in Deutschland pro Jahr geschlachtet. Die meisten verbringen ihr kurzes Leben auf engstem Raum. Je nach Gewicht stehen einem Schwein dabei zwischen einem halben und einem Quadratmeter Platz zu.

Noch dazu verbraucht die Massentierhaltung jede Menge Rohstoffe. Für die Herstellung des Futters müssen Pflanzen angebaut und gewässert werden. Ein Beispiel: Fast eine Million Liter Trinkwasser benötigt ein Bauer für die Produktion von Koteletts, Wurst und Co. von einem einzigen Mastschwein.

Außerdem bedarf es jeder Menge Platz! Insbesondere in Brasilien werden Regenwälder abgeholzt, um Futterpflanzen für Rinder anzubauen und Weideflächen bereitzustellen. Und dann sind da noch die Rülpser der Kühe. Klingt lustig, ist aber ernst, denn in den Kuhmägen entsteht beim Verdauen das Gas Methan, das den Treibhauseffekt auf unserem Planeten verstärkt.

Zusammengefasst: Dass wir so viel Fleisch essen, wie wir essen, schadet uns, den Tieren, der ganzen Erde. Und da mit der Weltbevölkerung auch der Appetit auf Fleisch zunimmt, muss eine Lösung her. Zum Beispiel Insekten.

Insekten-Burger
Da ist der Wurm drin! Als Burger sehen die Krabbler deutlich leckerer aus. Der Klops der Firma »Bugfoundation « besteht zu 30 Prozent aus den Insektenlarven – die restlichen Zutaten sind rein vegetarisch
© Bugfoundation

Sollten wir künftig Insekten essen?

Warum nicht, sagt Baris Özel. Und er findet auch: Insekten schmecken gut. Der 31-Jährige ist einer der beiden Geschäftsführer der Firma „Bugfoundation“. Als er im Jahr 2010 mit seinem Freund und Mitgründer Max Krämer auf Weltreise war und auch durch Asien fuhr, gab es vielerorts frittierte Insekten, und die dufteten total lecker, erzählt Baris Özel. Natürlich haben die beiden diese Snacks probiert – und später die Idee entwickelt, auch die Menschen in ihrer Heimat Deutschland zum Insektenessen zu bewegen.

Heuschrecken zum Knuspern bieten sie hierzulande zwar nicht an. Seit knapp einem Jahr aber kann man ihren Insekten-Burger im Supermarkt kaufen. Er besteht vor allem aus vegetarischen Zutaten und zu 30 Prozent aus Buffalowürmern. Das sind die Larven des Glänzendschwarzen Getreideschimmelkäfers, wissenschaftlich Alphitobius diaperinus. „Pur schmecken die Larven ein wenig nussig. Ähnlich wie geröstete Sonnenblumenkerne“, sagt Baris Özel.

Vor allem aber sei das Essen von Insekten gut für die Umwelt: „Im Vergleich zur Herstellung von Rindfleisch braucht man ein Zehntel Wasser, viel weniger Futter und auch weniger Platz, denn für die Würmer ist Massentierhaltung sozusagen das Paradies. Die leben in gestapelten Plastikwannen und fühlen sich dort wohl. Zudem verarbeiten wir die Larven zu hundert Prozent, es fällt also kein Müll an.“

Mittlerweile mischen auch andere Hersteller ihren Produkten – Nudeln, Keksen, sogar Energieriegeln – Insektenpulver bei, das, nebenbei bemerkt, wie Fleisch sehr eiweißreich ist. Dennoch werden wir in Zukunft möglicherweise nicht komplett auf „echte“ Burger verzichten müssen.

Kunstfleisch im Labor
In den USA, den Niederlanden und in Israel forschen Wissenschaftler derzeit an der Herstellung von Kunstfleisch. Sie lassen es aus tierischen Stammzellen heranwachsen
© Robert Przybysz / Fotolia

Kommt Fleisch bald aus dem Labor?

Weltweit arbeitet ein gutes Dutzend Unternehmen daran, künstliches Fleisch zu züchten. Dazu werden aus den Muskeln von Rindern, Schweinen oder Hühnern STAMMZELLEN entnommen und in eine Nährlösung aus Zucker, Mineralstoffen und Sauerstoff gelegt.

Buchautor und „Kunstfleischexperte“ Paul Shapiro formuliert es so: „Wenn man Stammzellen in eine Reagenzschale gibt und ihnen vorgaukelt, sie befänden sich in einem tierischen Körper, dann wachsen sie zu Muskelmasse heran.“ Allerdings müssen diese Muskelzellen zu Muskelfasern zusammenwachsen und daraus Gewebe entstehen, damit sich das Fleisch im Mund auch wie Fleisch anfühlt. Das dauert lange und ist ziemlich kompliziert. Die Wissenschaftler tüfteln noch…

Trotz aller Probleme hoffen sie, dass das Kunstfleisch dazu beiträgt, die Massentierhaltung eines Tages überflüssig zu machen. Noch ist die Herstellung zwar so aufwendig, dass etwa die israelische Firma SuperMeat umgerechnet rund 8000 Euro einsetzen muss, um 500 Gramm künstliches Hühnerfleisch zu erzeugen.

Dennoch ist der deutsche Geflügelfleisch-Produzent Wiesenhof bei SuperMeat eingestiegen und hat verkündet, dass er bereits in zwei Jahren erste Restaurants mit Kunstfleisch beliefern will. Andere Experten sehen Laborfleisch frühestens in zehn Jahren im Supermarktregal.

Vielleicht wage ich dann ein neues Experiment und teste Fleisch aus dem Bioreaktor. Jetzt kleckse ich mir erst einmal noch etwas Ketchup auf meinen Buffalowurm-Burger. Der schmeckt wirklich larvenlecker!

GEOlino Nr. 01/2019 - Großmaul

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