
Was für ein Fang! Uwe Piatkowski kann sein Glück kaum fassen. Der antarktische Riesenkrake, den er mit seinen Kollegen aus dem Südpolarmeer gefischt hat, wiegt über 27 Kilogramm. Nie zuvor ist Wissenschaftlern ein so großes Exemplar ins Netz gegangen!
Uwe Piatkowski ist "Teuthologe", ein Tintenfischforscher. Er möchte herausfinden, wie viele Arten von Tintenfischen es gibt, wo sie vorkommen, was sie fressen, von wem sie gefressen werden und wie sie leben. "Das sind wirklich extrem spannende Viecher", sagt er, "Tintenfische sind die pfiffigsten und am besten entwickelten Weichtiere der Welt".
Geheimnisvolle Meeresbewohner Tintenfische wie die zehnarmigen Sepien und Kalmare oder die achtarmigen Kraken und Vampirtintenfische geben der Forschung bis heute viele Rätsel auf. Die Vielfalt der wirbellosen Meeresbewohner reicht von nur wenigen Zentimeter großen Zwergtintenfischen bis zu 22 Meter langen Riesenkalmaren. Rund 800 bis 1000 verschiedene Arten soll es geben. Uwe Piatkowski glaubt, dass es in Wirklichkeit noch viel mehr sind. Er selbst hat bei seinen Expeditionen schon einige neue Arten entdeckt. Ein Krake trägt seither sogar seinen Namen: "Adelieledone piatkowski".
Unterwegs mit dem Forschungsschiff
Als Meeresforscher kommt man ganz schön rum! Zahlreiche Expeditionen hat Uwe Piatkowski schon unternommen und ist mit Forschungsschiffen in die entlegensten Regionen der Weltmeere gereist.
Während weiße Flecke auf der Landkarte schon lange verschwunden sind, fängt für die Meeresforscher das Zeitalter der Entdecker gerade erst an. Denn nur ein verschwindend kleiner Teil unserer Meere, nicht einmal fünf Prozent, wurde bisher erkundet. Sogar über die Oberfläche des Mondes wissen wir besser Bescheid, als über die Tiefen der Ozeane. Um das zu ändern, haben sich rund 1700 Meeresforscher aus aller Welt ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Bis zum Jahr 2010 wollen sie herausfinden, welche Lebewesen die Ozeane bevölkern.
Auf der Suche nach neuen Arten
An dieser "Volkszählung der Meere" beteiligt sich auch Uwe Piatkowski. Die Suche nach neuen und bereits bekannten Arten führte ihn nicht nur in die Antarktis, sondern auch zum größten Unterwassergebirge der Ozeane, dem Mittelatlantischen Rücken. Gemeinsam mit sechzig Kollegen aus dreizehn Nationen untersuchte der Tintenfischexperte an Bord des norwegischen Forschungsschiffes "G.O.Sars" das Unterwasserleben zwischen Island und der Inselgruppe der Azoren.
Eines der wichtigsten Hilfsmittel der Meeresforscher ist dabei das Netz. Denn um herauszufinden, welche Lebewesen eine bestimmte Meeresregion bevölkern, müssen einige von ihnen zum Wiegen, Vermessen und Bestimmen gefangen werden. Bevor das Netz über das Heck des Schiffes ins Wasser gelassen wird, finden die Forscher mit einem Echolot heraus, wo Tiere schwimmen und wie der Meeresboden beschaffen ist.

Rund vier Stunden nachdem es ausgeworfen wurde, wird das volle Netz mit Hilfe einer Winde an Bord des Schiffes gezogen. Jetzt ist die Chance für Seevögel, sich einen Teil der Beute zu klauen! Sobald Fische, Tintenfische, Quallen und allerlei andere Meeresbewohner an Deck sind, beginnt das große Sortieren. Die Tiere müssen gezählt, fotografiert und kategorisiert werden. Über 300 Fischarten und fünfzig Tintenfischarten, darunter auch zwei noch nie zuvor gesehene, hat das Forscherteam während der Expedition am Mittelatlantischen Rücken aus dem Wasser gezogen.
Ferngesteuerte U-Boote
"Am schönsten ist es natürlich, wenn man die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung beobachten kann", sagt Uwe Piatkowski. Die Technik macht es möglich. Wenn das Sonar oder das Echolot ein interessantes akustisches Signal liefert, werden ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge in die Tiefe gelassen. Sie sind mit Kameras, Greifarmen und Fallen ausgestattet und über ein Stahlseil und ein Übertragungskabel mit dem Forschungsschiff verbunden. Auf diese Weise können die Wissenschaftler an Deck live verfolgen, was sich tief unter ihnen abspielt. Mit etwas Glück können sie beobachten, wie ein Tintenfisch blitzschnell seine Beute jagt.
"Die Expeditionen sind natürlich das Spannendste an der Meersforschung", sagt Uwe Piatkowski. Dass auf einem Forschungsschiff an Ausschlafen nicht zu denken ist, nimmt er dafür gerne in Kauf. Die meiste Zeit im Jahr verbringt der Meeresbiologe aber nicht auf dem Meer, sondern im Leibnitz-Institut für Meereswissenschaften (IFM Geomar) in Kiel. Hier werden die Proben und die Fotos, die er von den Expeditionen mitgebracht hat, ausgewertet und mit den Ergebnissen von anderen Forschungsschiffen verglichen.
Büroarbeit gehört auch dazu
Neben der Forschung selbst gibt es auch noch andere Dinge, um die sich ein Meeresbiologe kümmern muss. Zum Beispiel gilt es, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu betreuen. An der gleichen Universität, an der er 1982 selbst sein Biologie-Diplom gemacht hat, ist Uwe Piatkowski heute als Dozent tätig und weiht seine Studenten in die Geheimnisse der Fischereibiologie ein.
Auch am Computer verbringt der Kieler Forscher viel Zeit. Er schreibt Artikel für Fachzeitschriften, in denen er seine Forschungsergebnisse vorstellt, oder Briefe, in denen er neue Forschungsprojekte beantragt. Wenn die genehmigt werden, kann Uwe Piatkowski sich schon auf seine nächste Expedition mit einem Forschungsschiff freuen. Am liebsten reist er in die Antarktis: "Wenn man vom Schiff aus gewaltige Eisberge sieht oder Robben, Albatrosse und Pinguine beobachten kann, möchte man am liebsten die Zeit anhalten", sagt er.