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"Mist, alles verloren!", schimpft Lukas. "Hast du keine Soldaten mehr?", fragt Philip. Lukas und Philip sitzen vor dem Computer. Zwei Jungs, 15 und 16 Jahre alt, in ein Computerspiel vertieft. Auf den ersten Blick nichts Auffälliges. Außer dass Lukas den Computer nicht mit der Maus steuert, sondern ausschließlich über die Tastatur. Denn Lukas ist fast blind.
Matheaufgaben am Computer
Lukas und Philip leiden an einer erblichen Augenkrankheit, die ihr Blickfeld stark einschränkt. Wenn sie auf einen Computerbildschirm schauen, erkennen sie fast nichts. Trotzdem surfen die beiden regelmäßig im Internet, chatten, spielen oder machen Hausaufgaben am Rechner. "Wir machen total viel mit dem Computer, auch im Unterricht. Wir bekommen sogar unsere Matheaufgaben als Datei", erzählt Philip.
Wie geht denn das?, fragt man sich da als Sehender. - "Zunächst muss man unterscheiden zwischen Sehbehinderten und vollständig Blinden", erklärt Klaus König. Er ist Lehrer an der Schule für Blinde und Sehbehinderte in Hamburg und bringt den Schülern bei, wie sie sich am Computer zurechtfinden. Dazu gibt es verschiedene Hilfsmittel.
Riesengroße Schrift für Sehbehinderte
Kinder und Jugendliche, die nicht ganz blind sind, können mit einem speziellen Programm die Schrift auf dem Bildschirm vergrößern: doppelt so groß, dreimal so groß oder sogar neunmal so groß. Das Dumme daran ist nur: Wenn immer nur wenige Worte auf dem Bildschirm zu erkennen sind, verliert man leicht den Überblick. Deshalb brauchen Sehbehinderte besonders große Bildschirme. Auch der Mauszeiger ist für sie besser zu erkennen, wenn er besonders groß und leuchtend gelb ist.
Sehgeschädigte Kinder können in der Regel sehr gut auf der Computertastatur tippen, denn sie lernen schon früh das Maschineschreiben. "Chatten ist kein Problem, die können sich locker mit fünf anderen Usern gleichzeitig unterhalten", sagt Klaus König, "denn sie tippen viel schneller als jedes sehende Kind!" Doch wie können völlig Blinde das lesen, was auf dem Computerbildschirm steht? Auch dafür gibt es Hilfsmittel.
Kleines Gerät mit großer Wirkung: Die Braillezeile
Eines davon ist die so genannte "Braillezeile". Das ist ein kleines Gerät, das man an jeden normalen Computer anschließen kann und vor die normale Tastatur legt. In der Braillezeile drücken sich kleine Stifte nach oben und bilden jeweils eine Zeile des Textes in der so genannten Punktschrift ab (die auch Blindenschrift oder – nach ihrem Erfinder Louis Braille (1809-1852) – "Brailleschrift" genannt wird). Der Blinde tastet mit den Fingern die Braillezeile ab und liest so die Zeile. Mit einem Steuerknopf kann er in die nächste Zeile springen. Die Stifte drücken sich dann wieder in neuer Anordnung nach oben. So kann der Blinde Zeile für Zeile den Bildschirm-Text durchgehen und ertasten.
Schlaue Computer, die vorlesen
Schneller funktioniert die Sprachausgabe. Ein besonderes Programm, der "Screenreader", liest dem Blinden mit Computerstimme den Text vor, der gerade auf dem Bildschirm steht. Bilder und Grafiken können natürlich weder per Braillezeile noch per Sprachausgabe wiedergegeben werden.
Schwierig wird es deshalb bei einigen Internetseiten. Viele davon sind spaltenweise aufgebaut, so dass verschiedene Artikel nebeneinander stehen. Hier kann man nicht einfach von links nach rechts eine komplette Zeile lesen. Doch auch dafür gibt es Hilfe: Ein Formatierungsprogramm bringt die Seite in blindengerechte Form, wirft alle Grafiken und Fotos raus und stellt die Texte der Internetseite untereinander dar.
So hört es sich an, wenn ein Blinder sich von einem "Screenreader" diesen Artikel vorlesen lässt. Etwas ungewohnt – aber eine große Hilfe für Blinde!
Auch Spielen und Chatten
"Man muss sich ein wenig reinfummeln. Aber sobald man weiß, wie eine Seite aufgebaut ist, geht das recht schnell", erzählt der 16jährige Philip. Er weiß dank der Computerstimme, die ihm alles vorliest, immer genau, wo er auf der Internetseite gerade liest. Er kann wie jeder andere Nachrichten schreiben, Freunde "gruscheln" (so nannten die Erfinder des Internetportals schülervz.de die Kombination aus "grüßen" und "kuscheln"), und Berichte lesen – nur Fotos anschauen, das geht nicht.
Und wie sieht's aus mit Computerspielen? Altmodische, textbasierte Spiele wie Schach kann jeder Blinde spielen. Aber auch neuere Spiele sind kein Ding der Unmöglichkeit: Lukas spielt zum Beispiel für's Leben gerne das Online-Strategiespiel "Die Stämme". Damit kommt man als Blinder ganz gut zurecht. Außer, man hat gerade alles verloren – so wie Lukas vorhin. Und das hätte wirklich jedem passieren können.