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Wo, bitte, geht es hier zur Tanzfläche? Tatsächlich reihen sich im Just-Dance-Büro der Firma Ubisoft in der französischen Hauptstadt Paris Dutzende Schreibtische aneinander. Denn bevor Bewegung in das schweißtreibende Tanzspiel kommt, müssen jede Menge Menschen erst einmal sitzen: Spielentwickler, Programmierer, Grafiker, Videokünstler, Kostümdesigner, Choreografen, Techniker und Level-Entwickler.
„Just Dance“, englisch für: Tanz einfach, ist ein Spiel, bei dem die Menschen vor den Bildschirmen Beine und Arme zu aktuellen Hits durch die Luft schwingen – so, wie es ihnen coaches (englisch für Trainer) im Spiel vormachen. Die Bewegungen der Tänzer erfasst eine Kamera an der Spielekonsole, ein Controller oder das eigene Smartphone, das man beim Tanzen in der Hand hält. Für richtige Schritte gibt es Punkte.
Jedes Jahr erscheint eine neue Version des Spiels, mit 40 verschiedenen Tanzhits. Jedes Jahr also müssen die Entwickler neue Lieder auswählen und sich dazu Kostüme, Designs und Choreografien ausdenken. Am Anfang steht, logisch:
Die Songauswahl
Zu einem Tanzspiel gehört nun mal Musik. Der Kreativdirektor des Spiels, Damien Pousse, behält mit seinem Team das Jahr über die Musikbranche im Blick und filtert beliebte Songs heraus. „Vor zehn Jahren waren noch fast alle Hits aus den USA, aber seit einigen Jahren haben wir Lieder aus vielen Ländern“, sagt er. Darum stehen auf der Songliste des aktuellen Spiels neben Hits bekannter Sängerinnen wie Ariana Grande auch ein Lied der koreanischen Pop-Girl-group Twice oder „Con Calma“ vom lateinamerikanischen Künstler Daddy Yankee, der auch schon den Hit „Despacito“ mitproduziert hat.
Kostüm und Choreografie
Hat sich das Team für einen Song entschieden, überlegt es sich: Wie soll die Welt aussehen, in der sich die Tänzer im Spiel bewegen? Welche Kostüme sollen die Maskottchen tragen? Welche Bewegungen tanzen? „Con Calma“ ist ein Hit aus den 1990er-Jahren, unter den Daddy Yankee einen flotten Latino-Beat gelegt hat. „Das Lied klingt frisch, irgendwie fruchtig, und der Rhythmus ist so federnd“, erzählt Damien Pousse. Also sollen im Hintergrund der Tänzer Früchte durch das Bild hüpfen und die beiden Maskottchen, ein Rentier und ein Panda, im Sport-Outfit antreten: in Turnschuhen und mit Trainingsanzügen, auf denen Bananen und Ananas aufgedruckt sind. Die Kostüme schneidern die Kostümdesigner nach Maß, den Tanz denken sich die Choreografen innerhalb einer Woche aus.
Dann wird geprobt – dreimal innerhalb von zwei Wochen. Bei diesen Proben kommen Level-Entwickler dazu, die später die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Spieler für die richtige Tanzbewegung auch die volle Punktzahl bekommen. Jetzt passen sie auf, dass die Bewegungen der Tänzer auch ausschweifend genug sind, sodass der Computer sie erkennt.
Shooting und Postproduktion
Passt die Choreografie, werden die Tänzer in ihren Kostümen gefilmt – so wie sie später im Spiel zu sehen sind. Den Tanz nehmen die Kameraleute in einem Stück auf, ohne Zwischenschnitt. Das ist knifflig, denn das bedeutet: Die Tänzer dürfen keinen Tanzschritt vermasseln, keine Handbewegung verpassen, sonst müssen alle wieder von vorn beginnen. Ist der Tanz schließlich im Kasten, beginnt die sogenannte Postproduktion: Videokünstler passen am Computer die Farben der Kostüme an, lassen etwa den blauen Anzug des Rentiers doch lieber knallgrün erscheinen. Und sie machen sich den greenscreen zunutze – die grüne Wand, vor der die Tänzer gefilmt wurden: Mit einem Klick können sie Hintergründe einsetzen, sodass es beim Tanz zu „Con Calma“ eben aussieht, als würden Früchte im Rhythmus der Musik hüpfen.
Leveldesign
Damit das Ganze nicht bloß aussieht wie ein buntes Musikvideo, muss eine Verknüpfung zum Spieler geschaffen werden. Hier kommen einmal mehr die Level-Entwickler ins Spiel. Sie werten zunächst „Bewegungsdaten“ von professionellen Tänzern aus, die die Choreografien auf dem Bildschirm mit einem Controller in der Hand zigmal nachtanzen. Der Controller ist ein kleines Steuergerät, das ihre Bewegungen speichert.
Auf den Bildschirmen der Level-Entwickler sehen die Bewegungsdaten aus wie Skizzen: Hat ein Tänzer etwa den Arm von unten nach oben gehoben, stellt das Programm die Bewegung mit einem Zeichen in Form eines halben Hufeisens dar. Weil jeder der Tänzer sich ein bisschen anders bewegt, liegen auf dem Schaubild also viele verschieden große halbe Hufeisen übereinander. Die Level-Entwickler definieren nun den Punkt, an dem sich die meisten Hufeisen überschneiden. Je näher ein Spieler später beim Tanzen an diesen Punkt herankommt, desto höher die Punktzahl. „Wir müssen darauf achten, dass das Spiel fair verläuft und nicht frustrierend wird“, erzählt Pauline Alligier, die die Abteilung leitet. Daher feilt sie lange an der Punktevergabe – mithilfe von Kollegen, die schließlich doch ihre Schreibtische verlassen und in einem Nebenzimmer auf der Testtanzfläche rocken.