Die ersten Autoschrauber hießen Gottlieb Daimler, Carl Benz und Wilhelm Maybach. Sie bastelten und löteten gegen Ende des 19. Jahrhunderts in ihren Werkstätten an neuartigen Verbrennungsmotoren. Bald ruckelten die ersten Fahrzeuge, die nicht mehr von Pferden oder Rindern über die steinigen Wege Süddeutschlands gezogen wurden. Die Pferdestärken der neuen Wagen kamen nun aus ratternden und rauchenden Antriebsmaschinen. Eine Revolution!
Die Nachfahren dieser einsamen Auto-Tüftler sitzen heute in blitzblanken Büros vor den großen Bildschirmen ihrer Computer. Sie feilen an Ton-Modellen, die kaum größer sind als ein Bobby-Car. Sie fliegen Tausende Kilometer in die Einöde, um ihre neuen Wagen Probe zu fahren. Das Autobauen hat sich ganz und gar verändert. Und irgendwie auch nicht. Denn zu Beginn ist noch immer alles möglich …
Am Anfang: Ein weißes Papier
"Wir fangen mit einem weißen Blatt Papier an", sagt Hans Engel. Der Mercedes-Ingenieur hat seinem Team und sich vor über fünf Jahren eine Aufgabe gestellt: Wir wollen die "A-Klasse" ganz neu entwickeln! Wie könnte der kleinste Wagen der Mercedes-Familie in Zukunft aussehen? Diese Frage lässt sich nicht an einem Nachmittag beantworten, auch nicht von einer einzigen Person. Zwar schlagen unverhoffte Geistesblitze manchmal im stillen Kämmerlein eines Designers ein. Doch die Produktion ist vor allem eines – Teamarbeit.
Autodesigner Mark Fetherston im Interview
Der Engländer Mark Fetherston arbeitet seit gut zehn Jahren als Designer für Mercedes. Die Form der neuen A-Klasse ist aus seinen Ideen entstanden - und ein bisschen auf Sand gebaut …
Wie wird man Autodesigner?
Ich war immer schon künstlerisch begabt. Ich kann gut zeichnen und auch dreidimensional denken. Dazu kam ein brennendes Interesse für Autos, Flugzeuge und Geschwindigkeit.
Wie entwerfen Sie ein neues Modell?
Wenn wir beginnen, kennen wir bereits die Proportionen des Autos: Wie hoch es sein soll, wie lang. Dann probiert man alles aus. Eigentlich ist es dasselbe, was ich schon als Zehnjähriger an einem Sonntagnachmittag in meinem Zimmer getan habe: einfach draufloszeichnen und Spaß haben!
Wo bekommen Sie Ihre besten Ideen?
Überall und zu jeder Tageszeit. Am meisten regt mich die Natur an, deshalb gehe ich auch häufig in den Zoo. Gutes Design sollte zeitlos sein – und die Tierarten haben sich seit Tausenden von Jahren nicht verändert.
Stand die Natur auch Modell für die A-Klasse?
Ja, vor allem Sanddünen. Ich habe einige Poster neben meinem Schreibtisch hängen. Die Dünen haben eine ganz weiche Bewegung und oben eine sehr scharfe Kante. Wir haben versucht, diesen Gegensatz in das Design des Autos zu bringen.
Alle für einen
Das Hauptwerk von Mercedes liegt im schwäbischen Sindelfingen. Dort versammelt sich eine rund zehnköpfige Kernmannschaft, um sich über das neue Auto Gedanken zu machen. Jeder ist Experte auf seinem Gebiet: Designer, Motor-Entwickler, Konstrukteur, Zubehör-Einkäufer. Bei diesen ersten Besprechungen sind sogar schon die Verkaufsprofis des Unternehmens mit dabei. Denn sie wissen, was an einem Auto dran und drin sein muss, damit man es in New York genauso gern fährt wie in Nürnberg.
Bevor die Arbeit richtig losgehen kann, braucht man wortwörtlich einen Rahmen, in dem sich die Autobauer später bewegen können. Dazu dient das "Proportions- Modell". Es bestimmt die äußeren Maße des Wagens: Wo sitzen die Räderachsen, wie groß soll der Kofferraum sein, wie viel Beinfreiheit dürfen die Insassen genießen? Dann, nach rund einem halben Jahr, haben vor allem die Designer und Techniker das Sagen - und sie widersprechen sich dabei nicht selten. Denn die Gestalter haben vielleicht eine Vorliebe für eine besonders sportliche Form.
Das mag ja ganz hübsch sein, sagen dann die Techniker, aber in eine sportliche Kiste kriegen wir niemals den Motor rein, den wir uns ausgedacht haben! Es ist die Zeit zum Haareraufen, Kinnkratzen und um Kompromisse zu finden. "In dieser Phase haben wir bei der A-Klasse lange gerungen. Manchmal muss man auch Schleifen drehen, bis man zum gewünschten Ergebnis gelangt", erzählt Hans Engel.
In Form gebracht
Danach legen die Designer richtig Hand an. Sie fertigen Ton-Modelle, die etwa ein Viertel so groß sind wie das spätere Auto. Dabei probieren sie verschiedene "Gesichter" aus - so nennen sie den Kühlergrill ganz vorn. Sie testen auch unterschiedliche Kanten an den Seiten entlang der Türen und mehrere Varianten des Hinterteils. Mit Ton lassen sich - wie mit Knetmasse - sämtliche Ideen schnell und unkompliziert umsetzen. Doch mancher Vorschlag bleibt auf der Strecke, sagt Hans Engel. "Designer, die viel Herzblut in ihre Entwicklung gesteckt haben, können dann sehr enttäuscht sein."

Testen, testen, testen
Fast zwei Jahre Arbeit stecken nun schon in der A-Klasse. Und der Kreis der Menschen, die am Auto arbeiten, vergrößert sich ab jetzt Schritt um Schritt. In der Fabrik bauen Mechaniker die ersten Prototypen, das sind Modelle, die schon alle wichtigen Merkmale des neuen Autos besitzen - Form, Größe und Gewicht. Den ersten fünf Prototypen ist allerdings ein sehr kurzes Schicksal beschieden: "Sie werden gecrasht", so Engel.
Bei diesen Crashtests erfahren die Techniker, wie sich das Auto bei einem schweren Unfall verhält, ob und wie es seine Insassen vor schweren Verletzungen schützt. Sicherheit hat immer Vorfahrt. Und im Windkanal prüfen Techniker derweil den Luftwiderstand der Karosserie. Dann, endlich, dürfen die Fahrzeuge raus in die freie Wildbahn! Da ist es immer noch über zwei Jahre hin, bis man sie kaufen kann. Die Ausfahrten sind darum streng geheim, die Autos mit Plastik oder dicken Schutzfolien beklebt.
Steuert einer dieser "Erlkönige" eine Tankstelle an, wird ihm sogar eine zusätzliche Plane, eine richtige Tarnkappe, übergezogen. Niemand soll einen Blick darauf erhaschen - oder gar ein Foto machen. Aus diesem Grund fliegt man die Testwagen meistens in fast menschenleere Gegenden wie Nord- Schweden. Dort fahren und fahren und fahren sie. Monate- und kilometerlang. Insgesamt ist ein neues Modell von Mercedes über drei Millionen Kilometer unterwegs, ehe sich die Ingenieure sicher sind, dass alles an ihm stimmt.
Letzte Ausfahrt Werkhalle
Mehr als vier Jahre sind vergangen, seit sich die Ingenieure und Designer erste Gedanken um die neue A-Klasse machten. Alle sind zufrieden, die Testfahrten erfolgreich. Fotografen knipsen Hochglanzfotos für die große Werbekampagne. Die riesigen Werkhallen erhalten den letzten Schliff, damit dort die neuen Autos vom Band laufen können. Und Ingenieur Hans Engel setzt sich hinters Steuer seiner neuen A-Klasse. "Er fährt sich genau so, wie wir uns das vorgestellt haben." In Gedanken ist er da allerdings schon beim Nachfolger- Modell. Das kommt frühestens 2018 auf den Markt.
Zukunft Elektromotor
Dass die Zeit manchmal noch nicht reif für eine gute Idee ist, zeigt der Blick in die Geschichte des Autos. Hätten sich die beiden Briten William Ayrton und John Perry 1881 mit ihrer Erfindung durchgesetzt, würde sich heute niemand über stinkende Abgase oder hohe Benzinpreise beschweren. Denn schon damals stellten die Wissenschaftler ein dreirädriges Automobil vor, das mit Bleibatterien angetrieben wurde.
40 Kilometer weit fuhr der Wagen mit einer "Stromfüllung". Doch das Aufladen der Batterien war kompliziert und sehr zeitaufwendig. Als ein paar Jahre später dann die Verbrennungsmotoren der Herren Daimler, Benz und Co. auf den Markt kamen, geriet das Elektroauto in Vergessenheit. Jetzt, da Erdöl knapp wird, besinnen sich einige Autohersteller wieder auf die Kraft aus der Steckdose: Mercedes hat nun einen neuen Elektrowagen auf einer Automesse vorgestellt. Höchstgeschwindigkeit: 160 Kilometer pro Stunde!