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Psychologie Warum Langeweile manchmal sehr sinnvoll sein kann

Langeweile
© Jan H. Andersen / Adobe Stock
Wir wollen uns vorab entschuldigen: Dieser Text dreht sich um das Thema Langeweile. Aber: Haltet durch, es lohnt sich!

Stellt euch vor, ihr sitzt in einem kahlen Raum, vor euch ein Bildschirm. Darauf läuft ein Video von zwei Männern, die vor einer weißen Wand Wäsche aufhängen. Und zwar … in aller … Seelenruhe. Der eine greift nach einem rosafarbenen Top, zieht es laaaangsaaaam aus dem Stapel und fädelt es unbeholfen auf den Ständer. Nimmt es noch einmal herunter. Hängt es wieder auf. Zwickt es in Zeitlupe mit einer Wäscheklammer fest…

Wir wollen euch den Rest ersparen. Doch Forscher von der Universität von Waterloo in Kanada quälten im Jahr 2010 die Teilnehmer eines Experiments damit fast vier Minuten lang. Minuten, die sich angefühlt haben müssen wie Stunden.So wollten die Wissenschaftler herausfinden, was bei Langeweile im Körper passiert.

Das Ergebnis: Obwohl die Videogucker extrem angeödet waren, schlug ihr Herz schneller, ihr Körper schüttete Stresshormone aus – beides Zeichen dafür, dass sie in Alarmbereitschaft waren wie vor einer Prüfung. Bei Langeweile ist der Körper also hellwach, während der Geist immer träger wird.

Genau deshalb fühlt sie sich so quälend an. Gleichzeitig macht Langeweile uns unruhig, manchmal sogar gereizt – wie eine juckende Stelle, die man nicht kratzen kann. Wer das Video von den Wäsche aufhängenden Männern weiter anschaut, kann das erleben: Spätestens nach zwei Minuten möchte man ihnen die Socken aus der Hand reißen und selbst aufhängen. Oder irgendetwas anderes tun, um die nervtötende Situation zu beenden.

Wer sich langweilt, wird kreativ

Wie kann die Langeweile das schaffen? Psychologen glauben, dass sie uns gewissermaßen daran erinnert, was wir im Leben eigentlich mit der Zeit anfangen wollen: Neues erfahren und Sinnvolles tun, Freunde treffen etwa oder mit dem Hund spielen. Jede vergeudete Minute dagegen macht uns verrückt.

Trotzdem gelingt es oft nicht, sich abzulenken. Forscher vermuten, dass bei Langeweile ein bestimmter Bereich im Gehirn nicht richtig arbeitet: der präfrontale Cortex. Er sitzt genau hinter der Stirn und sorgt eigentlich dafür, dass wir kontrolliert handeln und vernünftige Entscheidungen treffen. Nur: Bei Langeweile funktioniert diese Selbstkontrolle möglicherweise nicht richtig. Deshalb ist es in solchen Momenten so schwer, sich selbst eine sinnvolle Beschäftigung zu suchen. Manchmal muss man Langeweile also einfach aushalten.

Vielleicht gelingt euch das beim nächsten Mal ja besser. Denn Langeweile kann uns auch auf neue, verrückte Ideen bringen. Warum nicht einen Detektivclub gründen? Oder eine Seifenkiste bauen? Manchmal löst das Gehirn in öden Momenten sogar Probleme, ohne dass wir es merken. Denn dann hat es Zeit, über ganz anderen Dingen zu brüten. Es kann also sein, dass ihr in der nächsten Mathestunde auf einmal eine Textaufgabe lösen könnt, die euch bislang schwergefallen ist. Und das nur, weil ihr am Tag vorher jemandem beim – gähn! – Wäscheaufhängen zugeguckt habt.

GEOlino Extra Nr. 76 - Zeit

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