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Psychologie Warum Angst eine sinnvolle Sache ist

Angst vor Spinnen?
Spinnen, Höhe, Finsternis: Fürchten wir uns, schaltet unser Körper auf Alarm. Das Herz rast, wir zittern, schwitzen - und machen vor Angst manchmal buchstäblich in die Hose
© bennytrapp / Fotolia
Zittrige Knie, schweißnasse Hände, Herzklopfen: Wenn wir uns fürchten, fühlt sich das oft überhaupt nicht gut an. Dabei ist Angst eine sinnvolle Sache

Stellt euch vor, ihr hättet vor nichts und niemandem Angst: Ihr würdet völlig entspannt in die nächste Mathearbeit gehen, bräuchtet keinen Bogen um den Schäferhund der Nachbarin zu machen, würdet im Dunkeln durch den Park spazieren und auf die höchsten Klippen klettern. Klingt gut, oder?

Die Wahrheit ist aber: Obwohl sich Angst gemein anfühlen kann, ist es gut, dass es sie gibt. Sie ist ein alter Schutzmechanismus, der schon unseren Urahnen das Leben gerettet hat. Wenn ihnen ein Raubtier gegenüberstand, kamen bestimmt nicht diejenigen heil davon, die sich mutig in den Kampf stürzten – sondern die, die sich fürchteten und wegrannten.

Bei Angst schaltet der Körper in den Überlebensmodus

Noch heute bewahrt uns das flaue Gefühl im Bauch vor Leichtsinn und Gefahr. Bei Bedrohung läuft im Körper immer dasselbe Programm ab: Unsere Sinne bemerken einen Schatten, ein seltsames Geräusch, einen Geruch und senden diese Nachrichten an eine Schaltstelle in unserem Gehirn. Das meldet nur Millisekunden später: Alarm!

Ausgelöst wird dieser Notruf von der Amygdala, die aus zwei erbsengroßen Gebilden tief im Gehirn besteht. Sie ist dafür zuständig, eine Wahrnehmung mit einem Gefühl zu verbinden und schuld daran, dass wir überhaupt Angst empfinden. Sofort sorgt sie dafür, dass unter anderem ein Hormon namens Noradrenalin durch unsere Adern strömt

Kurz erklärt

Hormon: Als Botenstoffe sind Hormone an vielen Vorgängen im Körper beteiligt. Sie beeinflussen zum Beispiel unsere Stimmung oder lassen unsere Muskeln wachsen. Hormone entstehen in bestimmten Drüsen, die sie ins Blut und damit in den ganzen Körper abgeben.

Phobie: Das Wort Phobie kommt vom griechischen phobos, was Furcht oder Angst bedeutet. Hat jemand eine Phobie, fürchtet er ganz bestimmte Situationen oder Dinge. Zum Beispiel graut es ihm davor, in einem engen Raum zu sein oder eine Spritze zu sehen.

Dieser Stoff lässt uns in den Überlebensmodus schalten. Unser Herz pocht nun wie ein Vorschlaghammer, wir atmen schneller, unsere Muskeln werden besser durchblutet und beginnen vor Anspannung zu zittern. Der Körper ist bereit für Angriff oder Flucht. Dabei vernachlässigt er allerdings andere Aufgaben: Auf einmal können wir nicht mehr klar denken, Hunger oder Müdigkeit verfliegen, manchmal verlieren wir sogar die Kontrolle über unsere Verdauung und die Blase. So kann es schon mal vorkommen, dass man sich vor Angst buchstäblich in die Hosen macht…

Etwas langsamer gelangt die Information aus der Schaltzentrale auch in andere Hirnregionen, die sich einschalten: etwa die Großhirnrinde. Sie ist das Zentrum von Logik und Verstand, analysiert und bewertet die Lage. Ist unsere Angst unbegründet, etwa weil ein Schatten in der Wohnung gar kein Einbrecher ist, befiehlt sie: Schreck, lass nach!

Warum fürchten wir uns auch vor harmlosen Dingen?

Angst treibt uns also zu Höchstleistungen an, Furcht sorgt dafür, dass wir wachsam sind – gar nicht schlecht für Mutproben und Mathetests. Doch wenn Angst eine so tolle Sache ist, warum fürchten wir uns dann auch vor harmlosen Situationen und Dingen? Millionen Deutsche haben zum Beispiel eine Phobie vor Spinnen. Dabei gibt es hierzulande nicht eine einzige gefährliche Spinnenart! Andere halten es vor Höhenangst kaum auf einer Leiter aus oder verkriechen sich bei Gewitter.

Wissenschaftler vermuten, dass wir solche Ängste von unseren Vorfahren geerbt haben. Für sie waren giftige Tiere, Abgründe oder Unwetter noch echte Gefahren. Aber auch unsere Erziehung und unsere Erfahrungen beeinflussen, wovor es uns graut. Sind unsere Eltern zum Beispiel ängstliche Autofahrer, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch wir irgendwann auf der Autobahn das Bibbern kriegen. Und wer schon einmal eine fiese Behandlung beim Zahnarzt hatte, fürchtet sich vermutlich mehr vor der nächsten Untersuchung als andere.

Manchmal sind solche Ängste nicht nur unsinnig, sondern auch so hartnäckig, dass sie als Krankheit gelten. Betroffene leiden sehr darunter und trauen sich nicht mehr, ganz alltägliche Dinge zu tun. Einige können es zum Beispiel nicht ertragen, an Orte zu gehen, wo viele Leute sind. Geraten sie doch in Menschenmengen, bekommen sie heftige Angstanfälle: Panikattacken. Auch viele Jungen und Mädchen in Deutschland haben mit solchen Problemen zu kämpfen – jedes zehnte Kind, schätzen Experten.

Die gute Nachricht ist: Man kann selbst schlimme Ängste überwinden. Zur Not hilft ein Therapeut dabei. Er kennt Methoden, um das Gehirn auszutricksen. Oft hilft es sogar, wenn Patienten genau das tun, wovor sie sich fürchten. Jemand hat Angst, vor einer Gruppe zu reden? Dann muss er einen Vortrag halten. Menschen, die panisch werden, wenn sie in einen Fahrstuhl oder in ein Flugzeug steigen, machen genau das. Und zwar immer wieder. Sie werden merken, dass es sich jedes Mal ein bisschen besser anfühlt. Irgendwann speichert unser Gehirn nämlich ab, dass die Situation harmlos ist – und die Angst verschwindet.

GEOlino Nr. 03/2019 - Wirbel um den Wolf

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