Ich habe eine kleine Schwester. Damit will ich sagen: Ich habe schon eine Menge geteilt. Schokolade von Oma, Comics, Sticker, die gemütliche Decke auf dem Sofa, den ersten Computer. Beim Pizza-Essen hatten wir eine Strategie: Eine von uns hat Stücke geschnitten. Die andere durfte sich welche aussuchen.
Ob das hinhaute? Natürlich nicht! Denn Teilen fällt schwer - zumindest, solange wir klein sind. Unser Gehirn ist sozusagen auf "selbstsüchtig" programmiert.
Erfahrungen steuern, ob wir gern teilen oder nicht
Forscher haben das in Versuchen mit Kindern zwischen drei und acht Jahren nachgewiesen. Sie gaben ihnen Süßigkeiten zum Verschenken. Die Jüngsten behielten ihren Besitz meist für sich. Von den Ältesten teilte immer- hin schon jeder Zweite gerecht.
In einem anderen Test haben Wissenschaftler untersucht, was beim Teilen in den Köpfen vorgeht: Bei älteren Kindern war eine Region an der Stirnseite ihres Gehirns deutlich aktiver. Dieses Kontrollzentrum für gerechtes Verhalten entwickelt sich erst nach und nach.
Auch unsere Erfahrungen steuern offenbar, ob wir abgeben oder knausern. Einzelkinder zum Beispiel sind besonders großzügig - vermutlich, weil sie weniger Enttäuschungen beim Teilen erlebt haben als Geschwister. Diese haben schließlich Brüder oder Schwestern, die heimlich Bonbons wegnaschen oder Spielsachen nicht wieder hergeben. Da erscheint es doch viel sicherer, Eigentum gar nicht erst herauszurücken.
Werden wir älter, erkennen wir zudem: Teilen bringt Vorteile. Wer anderen hin und wieder etwas abgibt, macht sich beliebt und findet Freunde oder Verbündete, auf die er zählen kann.
So ein Zusammenhalt war schon für unsere Vorfahren sehr wichtig. Nur wenn es gerecht zuging, konnte jeder von ihnen überleben. Erlegte Beute verteilten sie deshalb schon vor über 500.000 Jahren auf Sammelplätzen. Jeder, der dabei war, wollte zeigen: Seht her, ich teile mein Essen mit euch. Nehmt mich mit, wenn ihr morgen wieder jagen geht.
Noch immer sind wir Menschen solche Taktiker. Warum sonst teilen wir lieber mit Bekannten als mit Fremden? Logisch, sie werden da sein, wenn wir einmal etwas brauchen. Es ist ziemlich selten, selbstlos zu teilen. Denn auch wenn wir es nicht auf eine Gegenleistung abgesehen haben, bekommen wir für unser Handeln eine Belohnung: Wir fühlen uns gut.
Weil wir anderen eine Freude machen oder weil uns das Teilen verbindet. Aus "meins" wird dann "unser" - und das schweißt zusammen.
Das Internet macht Teilen noch einfacher
Vielleicht ist euch aufgefallen, dass auch immer mehr Erwachsene Dinge teilen. So können sie eine Menge Geld sparen. Es ist eben viel billiger, wenn drei Nachbarn den gleichen Rasenmäher benutzen, anstatt sich jeweils einen eigenen zu kaufen - noch dazu nimmt eine Maschine weniger Platz weg.
Dank Internet funktioniert das Ausborgen längst auch quer durch die ganze Stadt, mit Menschen, die man nicht persönlich kennt. Auf den Seiten von Leih- und Tauschbörsen kann man Bücher oder Bohrmaschinen anbieten, Musikinstrumente, Handtaschen und Segelboote. Manche Leute geben sogar ihre Wohnungen her, wenn sie im Urlaub sind.
Dieses Verhalten könnte unsere Wirtschaft verändern. Stellt euch vor, wir alle wollten Gegenstände nur noch benutzen und nicht besitzen. Firmen müssten dann weniger herstellen und verkaufen - oder neue kluge Geschäftsideen entwickeln.
Ein paar gibt es schon: In vielen Städten etwa parken Autos am Straßenrand, die jeder gegen eine Gebühr benutzen kann. "Carsharing" heißt dieses Angebot, auf Deutsch bedeutet das: ein Auto teilen. Andere Läden verleihen Röcke, Jacken und Hosen wie Bibliotheken Bücher. Meine Schwester ist inzwischen übrigens 24 Jahre alt und hat dieselbe Kleidergröße wie ich - das ist ziemlich praktisch...