Anzeige
Anzeige

Schrift Warum jede Handschrift einzigartig ist

Handschrift
Zwischen 85 und 90 Prozent aller Deutschen schreiben mit der rechten Hand. Die Vorliebe für eine Hand zeigt sich schon bei Babys im Bauch der Mutter: Die meisten lutschen im Bauch am rechten Daumen
© kzenon / Colourbox
Breit oder schmal, groß oder kein, verschnörkelt oder klar: Unsere Handschrift ist so unverwechselbar und einzigartig wie wir selbst. Lest, woran das liegt und wie sich unsere Handschrift entwickelt hat

Stellt euch einmal vor, wir hätten diese Zeilen nicht mit dem Computer geschrieben, sondern mit dem Kugelschreiber. Ob ihr unser Gekrakel wohl entziffern könntet? Ob wir es nicht zu schief, zu unregelmäßig oder zu schlampig aufs Papier gebracht hätten?

Vielleicht hätten wir vorab auch erst einmal all unsere Handschriften verglichen, um zu sehen, wer am schönsten schreibt. Schließlich hat der Computer einen entscheidenden Vorteil: Er schreibt immer gleich ordentlich, während unsere Handschriften sich alle unterscheiden. Bloß: Warum hat jeder seine eigene, unverwechselbare Handschrift?

Die Handschrift: Ganz und gar einzigartig!

Schriftpsychologen, sogenannte Grafologen, glauben eine Antwort auf diese Frage gefunden zu haben. Sie sagen: Unsere Schrift drückt Teile unserer Persönlichkeit aus. Nach rechts geneigte Buchstaben et-wa können auf einen warmherzigen Typ hindeuten, nach links geneigte darauf, dass ein Mensch verschlossen ist. Und weil kein Mensch so ist wie der andere, sind auch unsere Handschriften einzigartig.

"Man muss eine Schrift lesen wie ein Puzzle", erklärt die Psychologin Sabine Winter, die auch als Grafologin arbeitet. "Es gibt kein Merkmal, das ganz eindeutig ist, sondern viele verschiedene, die erst zusammengesetzt etwas über den Menschen aussagen." Die Theorie der Grafologen klingt spannend, wissenschaftlich bewiesen ist sie allerdings nicht.

Der Grafiker Florian Hardwig hat in eine andere Richtung geforscht: Er bemerkte, dass Niederländer anders schreiben als Deutsche. Deshalb durchstöberte er Schulfibeln aus aller Welt und verglich deutsche Schreibvorlagen mit englischen, englische mit französischen, französische mit deutschen und so weiter.

Dabei stellte er fest, dass sich viele Buchstaben, die wir in der ersten Klasse "nachmalen", von Land zu Land unterscheiden. "Die Franzosen lernen zum Beispiel ein großes Q, das ganz anders aussieht als bei uns in Deutschland", sagt er. "Und dieser Unterschied findet sich dann später auch in der Handschrift wieder."

Schrift: Weltweit gibt es über 100 verschiedene Schriftsysteme
Weltweit gibt es über 100 verschiedene Schriftsysteme
© GEOlino unter Verwendung von shutterstock

Wie die eigene Handschrift entsteht

Wie unsere Schrift gerade aussieht, hängt aber auch von der Situation ab. Kratzen wir mit dem Lieblingsstift über das Papier? Sind wir gut oder schlecht gelaunt? Schmieren wir einen Einkaufszettel voll, oder geben wir uns für Omas Geburtstagsbrief besonders viel Mühe?

Außerdem macht es einen Unterschied, ob wir das Schreiben gerade erst gelernt haben oder schon seit zig Jahren Schulhefte, Blöcke oder Notizzettel vollkritzeln. Sind wir noch ungeübt, ist im Hirn vor allem die Region im Einsatz, die unsere Stift-Bewegungen bewusst steuert: die sogenannte primär-motorische Rinde. Deshalb ähnelt unsere Schrift in der Grundschule noch stark der Vorlage aus dem Schulbuch, ist bloß ein bisschen krakeliger.

Je älter wir werden, umso weniger denken wir darüber nach, was unsere Hand da eigentlich genau macht – und so entsteht nach und nach unsere eigene Schrift. "Viele Jugendliche probieren in der Pubertät mit ihrer Schrift herum, machen mal einen Kringel als i-Punkt oder schreiben ein bisschen größer als sonst", erklärt Sabine Winter. "So richtig festigt sich die eigene Handschrift dann erst ab Anfang 20 oder noch später."

Tippen ist das neue Schreiben

Ab dann geht es aber „bergab“: Für viele Erwachsene lässt sich die meiste Schreibarbeit schließlich schneller und unkomplizierter auf dem Computer oder Handy erledigen. So „rostet“ die Handschrift ein und gelingt oftmals nicht mehr so flüssig. Viele Lehrer fürchten, dass sie irgendwann sogar ganz verschwindet, weil viele Schüler nur noch Druckschrift und keine Schreibschrift mehr lernen und immer mehr Tablets in den Klassenzimmern verwendet werden.

Dabei macht Schreiben klug! Kritzeln während des Unterrichts hilft zum Beispiel, sich zu konzentrieren. Eine Studie aus den USA hat außerdem gezeigt, dass man sich Handgeschriebenes besser merkt und das Gelernte länger im Gedächtnis behält. Kein Wunder also, dass wir uns entschieden haben, dann doch wenigstens Teile dieser Geschichte mit der Hand zu schreiben.

GEOlino Nr. 03/2018 - Bademeister

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel