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Beruf Landwirt/in

Der Wecker von Birgit und Martin Obermayr klingelt um halb fünf. Noch einmal kurz ins Kissen kuscheln, dann müssen die beiden raus. Im Stall warten 50 Kühe. Und in zwei Stunden kommt der Milchsammelwagen um die Milch abzuholen - Alltag für die Landwirtin und den Landwirt
Beruf: Für Martin Obermayer war schon immer klar, dass er irgendwann den Hof seiner Familie übernehmen wird
Für Martin Obermayer war schon immer klar, dass er irgendwann den Hof seiner Familie übernehmen wird
© Esther Gusewski

Für Martin Obermayer war schon immer klar, dass er irgendwann den Hof seiner Familie übernehmen wird. Als einziger Sohn wurde er nie gefragt, ob er lieber etwas anderes machen möchte. Ganz anders seine Frau Birgit – sie war Bankkauffrau, als sie ihren Martin kennen lernte. Ihm zuliebe tauschte sie die Geldmünzen gegen Melkmaschinen. Und seitdem hat sich ihr Leben gewaltig verändert. "Wenn ich krank werde, gibt es niemanden, der mir weiterhin ein Gehalt überweist", sagt Birgit Obermayr. "Mit kitschig-idyllischen Fernsehserien hat das nichts zu tun."

Keine Zeit zum Grübeln

Viel Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, hat sie nicht. Es ist kurz nach sieben – höchste Zeit, die Pausenbrote für ihre Söhne Korbinian und Johannes zu schmieren. In ein paar Minuten wird Martin zum Frühstücken in die Küche kommen. Danach steht die Büroarbeit auf dem Programm. Die Obermayrs müssen einen Haufen Anträge ausfüllen, Dünger und Spritzmittel bestellen und den Tierarzt anrufen. Ihr Arbeitstag ist genau durchgeplant. Nur so lässt sich die viele Arbeit bewältigen.

Landwirtin oder Landwirt zu sein bedeutet, an sieben Tagen in der Woche mit den Hühnern aufzustehen und immer abrufbereit zu sein. Es kommt schon vor, dass die Obermayrs um Mitternacht ins Bett gehen und eine Stunde später wieder auf den Beinen sind, weil ein Kälbchen krank ist. Zur Erntezeit schlafen die Bauern und Bäuerinnen oft nur ein paar Stunden. "Manchmal kriegt man da schon die Krise", gibt Bauer Obermayr zu, "aber da muss man durch."

Flecki und Liliput

Beruf: Drei Mal am Tag gibt es für Flecki, Liliput und Co einen Liter Milch aus einem Eimer mit Riesennuckel
Drei Mal am Tag gibt es für Flecki, Liliput und Co einen Liter Milch aus einem Eimer mit Riesennuckel
© Esther Gusewski

Um die Kälbchen auf dem Hof kümmert sich Birgit Obermayr. Sie strahlt, wenn sie durch die "Säuglingsstation" des Bauernhofs führt. Kein Wunder, schließlich sind die Mini-Kühe ja auch extrem niedlich. Drei Mal am Tag gibt es für Flecki, Liliput und Co einen Liter Milch aus einem Eimer mit Riesennuckel.

Ihr Mann Martin arbeitet derweil auf dem Feld oder im Wald. "Unser Leben richtet sich nach den Jahreszeiten", sagt er. Am liebsten mag er den Winter. Weshalb? "Weil da der Stress nicht so groß ist." Im Frühling und Sommer geht es dagegen oft richtig zur Sache. Wenn Regen droht und die Ernte eingebracht werden muss, entscheiden oft Minuten.

Bäuerinnen und Bauern wissen, was er tut

Nach dem Hauptschulabschluss hat Martin Obermayr drei Jahre lang eine Berufsschule für Landwirtschaft besucht, danach zwei Jahre die so genannte Winterschule. Wozu der Aufwand? "Die Berufsschule ist das Minimum um später Fördergelder zu bekommen", sagt der Bauer. Gerne hätte er noch mehr gelernt, aber da spielte sein Vater nicht mit. Dem fehlte eine wichtige Arbeitskraft auf dem Hof.

Bei Null anfangen geht nicht

Wer Landwirt oder Landwirtin werden möchte, braucht Land. "Bei Null anfangen geht eigentlich nicht", meint Bauer Obermayr. Was aber, wenn es keinen Hof gibt den man erben könnte? "Vielleicht einen Bauern oder eine Bäuerin heiraten", schlägt Martin augenzwinkernd vor. Außerdem müsse ein Landwirt oder eine Landwirtin in spe zupacken können und hinter dem stehen, was er oder sie tut.

"Früher war das einfacher", meint Martin. "Früher war ein Landwirt noch was. Heute wird man höchstens belächelt." Auch sonst hat sich einiges für die Obermayrs verändert. Obwohl heute weniger Menschen auf dem Hof arbeiten, müssen sie sich um doppelt so viele Kühe und um doppelt soviel Land kümmern. Und trotz der vielen Arbeit verdient Martin Obermayr heute weniger als sein Vater noch vor ein paar Jahren. "Es tut schon weh, wenn man sieht, dass im Supermarkt der Liter Wasser mehr kostet, als wir für unsere Milch bekommen", meint Birgit Obermayr dazu.

Beruf: Birgit Obermayr kümmert sich liebevoll um die Kühe auf ihrem Hof ...
Birgit Obermayr kümmert sich liebevoll um die Kühe auf ihrem Hof ...
© Esther Gusewski

Das Geschäft ist knallhart

Beruf: ... und natürlich auch um die kleinen Kälbchen
... und natürlich auch um die kleinen Kälbchen
© Esther Gusewski

Und ihr Mann sagt: "Das Geschäft ist knallhart." Natürlich sind die Kälbchen im Stall niedlich, aber sie sind gleichzeitig das Kapital der Familie. Wenn die Bäuerinnen und Bauern nicht genug Geld mit ihren Rindern verdienen, müssen sie ihren Hof dicht machen. So einfach ist das.

Wenn Martin früher aufs Feld fuhr, drehten auf den Nachbarfeldern seine Nachbarinnen und Nachbarn ihre Runden. Mittlerweile sind sie verschwunden. Von den fünf Höfen im Ort ist nur noch der der Obermayers übrig. Alle anderen Bauern und Bäuerinnen haben längst das Handtuch geworfen.

Auch gute Seiten

Die Obermayrs beklagen sich nicht. Das Leben auf dem Bauernhof habe auch seine guten Seiten. "Zum Beispiel, dass wir uns unsere Zeit frei einteilen können", sagt Martin. Wenn die Kühe versorgt sind, können wir auch mal vormittags zum Einkaufen fahren. Auch dass Bäuerinnen und Bauern nie in den Urlaub fahren, stimme nicht. Dann müsse eben eine Betriebshilfskraft auf dem Hof nach dem Rechten sehen – oder Oma Obermayr.

"So ein Bauernhof ist eine gelebte Großfamilie", sagt Birgit Obermayr und ihr Mann ergänzt: "Wenn man zur Haustür hinausgeht, ist man am Arbeitsplatz und doch daheim. So ist immer jemand für die Kinder da." Die Bäuerin ist sich sicher, dass der Hof ihre Buben geprägt hat. "Sie wissen, wo die Lebensmittel herkommen und wie viel Mühe es macht sie herzustellen", sagt sie. "Brutal naturbezogen", nennt Birgit Obermayr das. Ein Lehrer hat über die beiden gesagt, sie hätten "Wurzeln".

Beruf: Natürlich sind die Kälbchen im Stall niedlich, aber sie sind gleichzeitig das Kapital der Familie
Natürlich sind die Kälbchen im Stall niedlich, aber sie sind gleichzeitig das Kapital der Familie
© Esther Gusewski

Gemeinsames Mittagessen

Wenn die beiden Jungen um halb zwei aus der Schule kommen, wird erst einmal zusammen Mittag gegessen. Das ist Tradition bei den Obermayrs. Und trotz aller Veränderungen wollen sie daran festhalten. Genau wie an der gemeinsamen Ernte - einem der Höhepunkte des Jahres. Dann kommt die ganz Familie zusammen und die Obermayrs müssen aufpassen, dass sie vor lauter quatschen das Arbeiten nicht vergessen.

Irgendwie also doch idyllisch - aber halt ganz anders als im Fernsehen.

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