Vielleicht habt ihr es in der Autorinnenzeile gesehen, liebe Leserinnen und Leser – mein Name ist Bernadette Schmidt. Dass mich jemand so anspricht, wie meine Eltern sich das kurz vor meiner Geburt überlegt haben, kommt allerdings selten vor. In meiner Schulzeit war ich „Berni“. Im Jugendchor „Detter“. Im Studium hörte ich auf „Schmidto“ und in der GEOlino-Redaktion bin ich weithin als „Börni“ bekannt. Nur wenn es seriös wird – dann erklingt er mal in seiner dreisilbig gesprochenen Schönheit: mein Vorname Ber-na-dette.
„Das ist nichts Ungewöhnliches“, sagt Sebastian Kürschner, Sprachwissenschaftler und Spitznamenforscher an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. „Es ist oft so, dass der richtige Vorname als Name für offizielle Zwecke empfunden wird. Sobald eine engere Beziehung zwischen zwei Menschen besteht, kommt dann ein Spitzname zum Einsatz.“ Denn der zeigt: Wir sind uns verbunden. So sehr, dass wir uns trauen, den anderen mit einem besonderen Namen anzusprechen.

Wie ein typisch deutscher Spitzname aussieht
Dessen Rezept klingt hierzulande üblicherweise so: Man nehme den Vor- oder seltener den Nachnamen, kürze ihn auf die erste oder die betonte Silbe herunter und hänge ein i an. Manchmal braucht das als Klebstoff noch einen Konsonanten. Franziska wird zu Franz-i, Simone zu Mon-i, Henrik zu Henn-i und Kim zu Kimm-i. Fertig ist der typisch deutsche Spitzname!
Früher sah das noch anders aus. Eure Uropas Friedhelm und Lorenz wurden nicht zu Friedi und Lori, sondern zu Fritz und Lenz. Kommt euch bekannt vor? „Das sind inzwischen längst etablierte Vornamen, die ihre Spitznamigkeit verloren haben“, sagt Sebastian Kürschner. Damit sie für uns wieder „spitznamig“ klängen, bräuchten sie was? Na klar: ein angehängtes i.

„Das i hat einen freundlichen hellen Klang und eignet sich zudem, weil es problemlos bei Frauen- und Männernamen passt“, erklärt Sebastian Kürschner. Für seine Forschung hat er sich unter anderem 750 Spitznamen deutscher Jugendlicher angeschaut. „Dabei hat sich gezeigt, dass Spitznamen mit einem i in unserer Sprache außerdem ziemlich etabliert sind, wie wir in der Sprachwissenschaft sagen. Benennt man also jemanden auf diese Weise, den man neu kennenlernt, ist das recht harmlos und unverfänglich.“
Weicht ihr dagegen stark ab und nennt eure Freundin Annika ab jetzt Annikaninchen oder sogar Kakki, müsst ihr euch schon gut kennen. Nicht, dass sie sich am Ende noch veralbert fühlt …
Spitznamen waren ursprünglich nichts Nettes
Ursprünglich war ein Spitzname tatsächlich etwas Spitzes – etwas, das piksen, ärgern, wehtun sollte. Noch heute verpassen Gruppen oft Personen, die das Sagen haben, einen „spitzen“ Namen – um sich abzugrenzen. So wird der Bundeskanzler Olaf Scholz zum „Scholzomat“
und seine Vorgängerin Angela Merkel zu „Mutti“. Oder eine ungeliebte Lehrkraft bekommt von ihrer Klasse einen neuen gemeinen Namen – einen, von dem sie oft gar nichts weiß.
Meistens aber ist und bleibt der Spitzname eine nette Bezeichnung, mit der wir zeigen: Dich mag ich. Auch in vielen Vornamen spiegelt sich das inzwischen wieder. Vielleicht heißt ihr selbst Maxi, Leni, Leo oder Lilly?

„Seit der Nachkriegszeit klingen Vornamen immer weicher und sanfter“, sagt Sebastian Kürschner. Denn heute gehen Eltern bei der Geburt
ihres Kindes nicht mehr davon aus, dass ihr Sohn Arnold einmal in den Krieg ziehen und die Tochter Friedhilde den Bauernhof am Laufen halten muss. Solche Vornamen, vor 100 Jahren noch normal, klingen in unseren Ohren ungewöhnlich hart, Arne und Frieda dagegen viel netter. Bleibt abzuwarten, was unsere Urenkel mal so echt spitze finden ...
Dieser Artikel ist erschienen im GEOlino Magazin 04/2025:
