Innere Uhr Ob früher Vogel oder Nachteule: Warum jeder von uns anders tickt

  • von Lucas Wendt
Ein Mann sitzt im Bett und streckt seine Arme – Lerchen und Eulen sind unterschiedlich früh wach bzw. müde
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Ihr werdet schon früh wach oder erst spät müde? Dass es Lerchen und Eulen gibt, liegt an der inneren Uhr. Nicht immer passt ihr Takt zu unserem Alltag.

Wenn Rasmus morgens früh aufstehen muss, kann es manchmal sehr anstrengend werden. "Ich stelle meinen Wecker, aber stehe nicht auf, wenn er klingelt. Irgendwann so um sieben stehe ich dann auf, wenn es denn klappt.“ Und dann wird die Zeit schon knapp. Nicht selten müssen bei dem Siebtklässler deshalb seine Eltern ran: „Meistens ist es so, dass sie probieren mich zu wecken. Sie rufen von unten hoch. Dann stehe ich meistens kurz vor knapp auf.“ Abends hingegen bleibe er bis zehn Uhr auf. Mindestens.

Ähnlich geht es auch Mateo, der sich zu einer ähnlichen Zeit Richtung Bett bewegt. "Vor dem Einschlafen höre ich entweder ein Hörspiel oder schaue Youtube", erzählt der 12-Jährige. Morgens fällt es Mateo schwer, aus dem Bett zu kommen. Da seine Mutter fast immer vor ihm wach sei, werde er von ihr geweckt, erzählt er: "Ich bleibe dann noch ein bisschen im Bett und stehe fünf bis zehn Minuten später auf". Als Mateo vor zwei Wochen mal später als sonst ins Bett ging, wurde es am Montagmorgen brenzlig. "Da bin ich fast zu spät zur Schule gekommen."

Innere Uhr: Ob früher Vogel oder Nachteule: Warum jeder von uns anders tickt
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Es gibt nicht nur Lerchen und Eulen

Aber warum genau „ticken“ Rasmus und Mateo eigentlich so? Wann wir wach werden oder uns müde fühlen, wird durch unsere innere Uhr festgelegt. Jeder Mensch hat eine, allerdings läuft sie von Mensch zu Mensch unterschiedlich. In der Chronobiologie, die die innere Uhr untersucht (von altgriechisch chrónos für "Zeit"), spricht man deshalb auch von „Chronotypen“. Diese sind vor allem genetisch bedingt - wir können uns also nicht einfach so für einen Typ entscheiden. „Langschläfer“ sind also keineswegs Faulenzer.

Auf der einen Seite gibt es die Eulen, die abends später müde werden und morgens eher später aufstehen. Auf der anderen Seite schlafen die Lerchen früher ein und haben keine Probleme, früh schon hellwach zu sein. Es ist aber nicht so, dass man die Menschen einfach in Früh- und Spätaufsteher aufteilen kann, wie der Chronobiologie Dr. Till Roenneberg betont. Eulen und Lerchen sind ihm zufolge eher die Endpunkte einer riesigen Bandbreite. „Weil die Mehrheit dazwischen liegt, habe ich die Tauben erfunden“, so Roenneberg. Das sind also alle, die weder besonders früh noch besonders spät munter werden.

Der Körper passt sich an

Beeinflusst wird die innere Uhr vor allem durch das Sonnenlicht, das von außen den Takt vorgibt. Damit werden wichtige Prozesse in unserem Körper angestoßen, etwa das Ausschütten des Hormons Melatonin, das uns abends bei Dunkelheit müde werden lässt. Jede Zelle verfügt über eine eigene innere Uhr, im Gehirn werden sie zentral gesteuert. Außerdem passt sie sich ständig an die Umwelt an und kann so auch auf einen neuen Hell-Dunkel-Rhythmus eingestellt werden. Das hilft uns beispielsweise beim Reisen in eine andere Zeitzone. Dabei kommt es zu oft zu einem Jetlag, da der Körper für diese Anpassung eine gewisse Zeit braucht. Grundsätzlich gilt: Die innere Uhr passt sich an die neue Zeitzone an - aber auch dort wird eine Eule nicht plötzlich zur Lerche.

Eine Frau sitzt an einem Schreibtisch und hält sich erschöpft die Hände vor die Augen
Ein früher Schul- oder Arbeitsbeginn kann für Eulen ganz schön anstrengend sein. Denn die innere Uhr ist noch auf "Nacht" eingestellt.
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Im Laufe des Lebens verändert sich der Chronotyp, wie Roenneberg erklärt: „Bis zum Ende der Pubertät gibt es das Phänomen, dass man immer später wird.“ Das heißt: Als Teenager ist man eher eine Eule, was vor allem morgens zu Problemen führen kann. Die innere Uhr ist in diesem Fall noch im Schlafmodus, dabei soll man bereits hellwach und konzentriert sein. So wie bei Mateo, der ja morgens am liebsten länger im Bett bleiben würde. Um dagegenzusteuern, versucht er abends, nicht ganz so lange aufzubleiben: "Es hilft, wenn ich abends früher ins Bett gehe und ich weniger zocke. Dann kann ich besser und früher aufstehen."

Für Eulen startet die Schule oft zu früh

Rasmus ist zu Schulbeginn zwar meistens fit. „Ich hatte aber auch schon Tage, an denen ich echt müde war, und ich konnte mich nicht wirklich anstrengen.“ Wenn die innere Uhr von den Uhrzeiten abweicht, die wir in der Schule, in der Uni oder auf der Arbeit befolgen müssen, spricht man auch von „sozialem Jetlag“. Das kann auf Dauer zu schlechteren Leistungen und gesundheitlichen Schäden führen.

Kinder laufen auf ein Schulgebäude zu - für Eulen ist ein früher Schulbeginn oft anstrengend
Wenn die Schule frühmorgens beginnt, sind manche Kinder innerlich noch im Nachtmodus.
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Forschende wie Roenneberg sind deshalb der Meinung, dass es die Eulen im heutigen Schulsystem schwerer haben. Der Chronobiologe wünscht sich einen späteren Schulbeginn für ältere Kinder: „Die Unterstufe kann noch um 8 Uhr da sein. Aber die nächste Stufe müsste dann schon um 9 Uhr und die oberste Stufe um 10 Uhr mit dem Unterricht anfangen.“ Tatsächlich haben zum Beispiel Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in den USA in einer Studie schon nachweisen können, dass sich die Noten verbessern, wenn die Schule später startet. Rasmus fände es jedenfalls cool, erst zur zweiten Stunde kommen zu müssen – dafür würde er auch freiwillig länger in der Schule bleiben.