Das ist die Horrorvorstellung eines jeden Journalisten: dass am Ende weiße Seiten gedruckt werden. Weil einem nichts mehr einfällt oder die Maschine ihren Dienst versagt. Ein Albtraum! An diesem schummrigen Tag Anfang Februar scheint er Wirklichkeit zu werden – glaubt GEOlino-Redakteurin Katharina Beckmann, zumindest für wenige Sekunden. Denn die Presse einer Leipziger Druckerei, die GEOlino-Hefte herstellt, spuckt scheinbar leere Seiten aus.
Gabi Schulze grinst bloß, als sie die Verwunderung bemerkt. "Keine Angst", sagt sie dann, "da steht alles drauf – nur anders." Und dann greift sie nach einem der Bögen, auf dem – von Nahem betrachtet – tatsächlich Hunderte kleiner Pünktchen zu sehen sind.
Sie fährt mit ihrem Zeigefinger darüber. "GEOlino", liest sie, "das Erlebnisheft". Sie tastet auch die Punktfolgen am unteren Rand. "Und hier steht: Leben auf dem Mars." Ganz genau wie auf der Titelseite des Februar-Heftes von GEOlino. Seit diesem Heft erscheint GEOlino nämlich nicht nur in sichtbaren, sondern auch tastbaren Braille-Buchstaben; und zwar in einer Auflage von 200 Exemplaren. Gabi Schulze leitet in der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig (DZB) die Produktion des Braille-Heftes.


Es ist so wie immer, nur ein bisschen anders: Oft macht Katharina Beckmann während ihrer Recherchen diese Erfahrung. Und doch dauert es meistens ein paar Momente, sich daran zu gewöhnen. In diesem Fall zum Beispiel, als der blinde Direktor der DZB, Dr. Thomas Kahlisch, während des Interviews wegschaut – aber umso besser zuhört. Als er sie bittet, ihn auf dem Weg durchs Haus kurz einzuhaken – und währenddessen auf die architektonischen Besonderheiten des Gebäudes hinweist, eine ehemalige jüdische Schule. "Wirklich behindert fühle ich mich eigentlich nur an Tagen wie diesen, wenn der Server ausfällt und ich keine E-Mails schreiben kann", sagt er irgendwann.
In seinem Büro meldet eine Vogeluhr die Zeit. Als gegen drei die Amsel zwitschert, lotst er seine Mitarbeiterin Gabi Schulz und Reporterin Katharina Beckmann ins Untergeschoss, in die Druckerei der DZB. Ein vertrauter Ort mit den schweren Druckerpressen, die schnaufend die Seiten ausspucken. Trotzdem ist irgendwas anders. Ganz anders. Und es sind nicht nur die schneeweißen Seiten. Erst nach Minuten kann Katharina Beckmann benennen, was sie so irritiert: Dieser typisch beißende Geruch von Farbe, der sonst jede Druckerei einhüllt, fehlt. GEOlino wird hier eben ein bisschen anders produziert.
Eine ausführliche Reportage über die Produktion eines GEOlino-Heftes in Braille-Schrift lesen Sie in der April-Ausgabe von GEOlino.
Das Braille-GEOlino gibt es nur als Jahresabonnement (13 Hefte) zum Preis von 30 Euro; es ist zu bestellen unter www.dzblesen.de/abo, wo man auch ein Probeheft ordern kann.
Darin außerdem: Raupen – eine Galerie der schillernden Schönheiten. 3-D-Filme – täuschend echt. Küsschen – Kurioses über Knutscher, Schmatzer, Bussis. Knöpfe – die sorgen für Zusammenhalt. Wasser – alles klar?
