Hanna sitzt traurig und verzweifelt zu Hause. Nach einem Streit mit ihrer besten Freundin hat die am Ende verärgert gesagt, dass sie Hanna nie wiedersehen will. „Ach komm, mein Schatz. Nun leg doch nicht gleich jedes Wort auf die Goldwaage“, tröstet sie ihre Mutter. „Susanne war wütend und aufgebracht. Das hat sie bestimmt nicht so gemeint.“
Worte auf die Goldwaage zu legen, bedeutet im übertragenen Sinn, einer Aussage einen zu hohen Wert beizumessen und auf die genaue Bedeutung der Worte zu achten. Hanna nimmt die verärgerten Worte ihrer Freundin sehr ernst, was vielleicht in der Situation nicht angemessen war.
Goldwaagen gelten als besonders empfindliche Messinstrumente. Da Gold ein sehr wertvolles Edelmetall ist, kosten schon kleine Mengen davon viel Geld. Beim Handeln ist es also wichtig, dass die Waage die exakte Menge misst, damit Verkäufer und Käufer den genauen Preis feststellen können.
Doch man sollte nicht nur Gold sorgfältig wiegen, sondern auch das eigene Wort. Das kann in seiner Auswahl viel wertvoller als das Edelmetall sein. Darauf wies Martin Luther hin, der im 16. Jahrhundert die Bibel und andere geistliche Texte ins Deutsche übersetzte und sie damit für das einfache Volk zugänglich machte. Eine Passage in den Büchern Sirachs übersetzte er mit der Wendung: „Du wägest dein Gold und Silber ein, warum wägest du nicht auch deine Worte auf der Goldwaage?“ Er wies folglich die Menschen darauf hin, verantwortungsvoller mit ihrer Wortwahl umzugehen. Dieser biblische Satz war entscheidend dafür, dass die Redensart der Goldwaage in die Umgangssprache einging.
Heute benutzen wir die Redewendung, wenn wir der Meinung sind, dass jemand die Worte des Gesprächspartners viel zu ernst nimmt. Zum Beispiel, wenn jemand wie Susanne etwas im Streit gesagt, oder bloß einen Witz gemacht hat. Wenn der Angesprochene die Worte sehr genau nimmt, vielleicht sogar beleidigt ist, so wird man ihm im Nachhinein sagen: „Nun leg doch nicht jedes Wort auf die Goldwaage!“