Wie Schildkröten unter Plastikmüll leiden

  • von Catharina Meybohm
Wie Schildkröten unter Plastikmüll leiden
© Adobe Stock
Die Grüne Meeresschildkröte tummelt sich seit mehr als 150 Millionen Jahren in den Weltmeeren – und könnte bald ausgestorben sein. Vor allem eines macht ihr inzwischen zu schaffen: Plastikmüll. Deshalb setzen Tierschützerinnen und Tierschützer alles daran, den Müll in den Ozeanen zu verringern
Die Themenwoche mit dem neuen Lable „Für Mehr Leben“ von RTL und GEOlino lenkt den Fokus auf die Bedeutung eines geschützten Meeres für uns, aber insbesondere auf seine beeindruckende Artenvielfalt und die Faszination sowie Schönheit, die die Unterwasserwelt birgt.

Vom 16. bis 20. September heißt es bei RTL Deutschland crossmedial „Für mehr Leben“. Die Nachhaltigkeitswoche geht in die sechste Runde und im Fokus steht in diesem Jahr der Bereich (Unter-)wasserwelt & Artenvielfalt. Wie steht es um den Lebensraum unserer Meerestiere? Wie schützen wir bspw. Nashörner vor Wilderern? Was bringen Vogelhäuschen im eigenen Garten? Das sind nur einige Fragestellungen, die wir im TV, Online, in den Print-Titeln oder im Radio im Rahmen unserer Nachhaltigkeitswoche besprechen und thematisieren werden.

Weltweites Problem

Tatsächlich aber warten im Meer nur neue Gefahren. Eine davon: Müll, genauer gesagt – Plastikmüll. Nach aktuellen Schätzungen beträgt die Müllmenge in den Ozeanen rund 3,2 Millionen Tonnen, darunter Tüten, Flaschen, Verpackungen und Fischernetze. In früheren Untersuchungen ging man sogar von bis zu 200 Millionen Tonnen Plastikmüll aus. Knapp zwei Drittel davon schwimmt an der Oberfläche, der Rest ist schwerer als Wasser und sinkt deshalb langsam Richtung Meeresboden ab. Zwar wird das Plastik durch Sonnenlicht, Wind und Wellen zu immer kleineren Teilchen zersetzt – doch auch diese gefährden viele Meeresbewohner (lest dazu auch den Kasten auf Seite 27).

Unter Müll begraben

„Wir werden vermutlich die nächsten Jahrzehnte damit beschäftigt sein, das Plastikproblem in unseren Meeren zu lösen“, sagt Stefan Ziegler. Der Biologe arbeitet für die Umweltschutzorganisation WWF, zum Beispiel auf der Insel Phu Quoc in Vietnam. In den 1960er-Jahren kamen dort Jahr für Jahr noch Hunderte Grüne Meeresschildkröten an die Strände, um bei Vollmond Löcher zu buddeln und ihre Eier zu legen. „Inzwischen sind es nur noch etwa 300 im ganzen Land“, sagt Ziegler.

Eine Ursache sind die über fünf Millionen Touristinnen und Touristen, die Phu Quoc jedes Jahr besuchen, um die Tier- und Pflanzenwelt zu bestaunen. In der Vergangenheit wurden für sie immer mehr Hotels hochgezogen, aus Nistplätzen für Schildkröten am Strand wurden Bauplätze. Der Tourismus bringt zwar Geld nach Phu Quoc – aber sorgt auch für Unmengen an Müll. Die Insel droht buchstäblich unter ihren Abfallbergen zu versinken.

Fatale Verwechslung

Gerade junge Meeresschildkröten sind von dem vielen Müll bedroht. Nur höchstens eines von 1000 Tieren erreicht noch das fortpflanzungsfähige Alter von 20 Jahren. 2018 haben australische Forschende 250 tote Meeresschildkröten untersucht. Im Körper jedes zweiten Jungtieres fanden sie Kunststoffteile, bei den ausgewachsenen war es noch jedes sechste. Manche hatten Hunderte Stücke verschluckt.

Warum die Schildkröten gerade bei Plastikmüll zuschnappen, wissen die Forschenden noch nicht. Möglicherweise verwechseln unerfahrene Tiere etwa Tüten mit Quallen, oder sie fühlen sich vom Geruch des sich zersetzenden Plastiks angezogen. Sicher ist jedoch: Mit jedem verschluckten Teil steigt das Sterberisiko, ab 14 Stücken um 50 Prozent. Die oft scharfkantigen Kunststofffitzel können Magen und Darm verletzen. Außerdem nimmt der Körper möglicherweise Stoffe aus dem Plastik auf, die die Tiere krank machen.

Endstation Fischernetz

Ihr Appetit ist es auch, der die Grüne Meeresschildkröte weiterhin nach Phu Quoc treibt. Vor der Insel befinden sich riesige Seegraswiesen. Doch in den Pflanzen bleiben auch Verpackungen, Flaschen und Tüten hängen wie in einem Kamm. Herumtreibende Fischernetze werden für die Schildkröten so leicht zu einer tödlichen Falle. Verheddern sie sich darin, ertrinken sie. Denn die Tiere haben keine Kiemen, sondern Lungen und müssen regelmäßig zum Luft holen an die Meeresoberfläche auftauchen. Immer wieder, erzählt Stefan Ziegler, berichten einheimische Fischer, sie hätten ertrunkene Meeresschildkröten entdeckt.

Retter im Einsatz

Seit 2019 setzt sich der WWF mit einem großen neuen Projekt auf Phu Quoc gegen die Plastikflut ein. Die Umweltschützinnen und Umweltschützer helfen den Gemeinden vor Ort, die Müllabfuhr neu zu organisieren, damit auch in entlegenen Dörfern der Abfall abgeholt wird. Die Behörden verhängen gegen illegale Müllablagerungen Strafen. Außerdem macht der WWF die Bevölkerung auf das Plastikmüll-Problem aufmerksam, hält Vorträge in Schulen oder hilft Hotels dabei, ihren Abfall zu reduzieren.

Weg mit dem Dreck: Die Umweltschutzorganisation WWF veranstaltet auf Phu Quoc regelmäßig Müllsammelaktionen und hilft dabei, die Müllabfuhr weiter auszubauen.
Weg mit dem Dreck: Die Umweltschutzorganisation WWF veranstaltet auf Phu Quoc regelmäßig Müllsammelaktionen und hilft dabei, die Müllabfuhr weiter auszubauen.
© Melanie Goemmel / WWF

Bei Sammelaktionen schließen sich immer mehr Freiwillige an, räumen die Strände auf und fischen Müll aus den Seegraswiesen. „Aber selbst wenn wir an einem Tag fünf bis sechs Tonnen Müll eingesammelt haben, dauert es oft nur wenige Tage, bis neuer angespült ist“, sagt Stefan Ziegler frustriert. Trotzdem betont er, dass jede Hilfe zählt. Gerade Kinder und Jugendliche würden begreifen, dass es so nicht weitergehen kann. Sie wollen kämpfen: für eine saubere Heimat – ihre eigene und die der Grünen Meeresschildkröten.