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Manchmal träumt Shaikat nachts wunderschöne Dinge: "Dann bin ich ein berühmter Fußballstar, wie Ballack oder Ronaldinho! Ich habe ein großes Haus, ein Auto und viel Geld." Doch wenn Shaikat erwacht, zerplatzen die Bilder im Morgenlicht. Dann ist er kein Starkicker mehr, sondern ein Junge, der mit Eltern und drei Schwestern in einem einzigen Bett liegt. Sie haben auch kein Haus, sondern nur ein kleines Zimmer in einem ärmlichen Wohnblock. Und das Geld ist immer knapp. Doch Shaikat hat morgens keine Zeit, seinen Träumen nachzuhängen: Er muss zur Arbeit.

Hitze und Rauch
Shaikats Weg führt durch die schmutzigen Gassen von Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs. Er schlängelt sich an Fahrrad-Taxis und Straßenhändlern vorbei, springt über Abwassergräben, hüpft plötzlich zwischen zwei schiefen Häusern eine noch schiefere Treppe hinauf und verschwindet in einem düsteren Raum. Es stinkt nach verbranntem Plastik. Sein Chef Abdus Satter wartet schon. Auf dem Boden türmen sich bunte Kunststoff-Formen. "Daraus stecke ich Spielzeugautos zusammen", erklärt Shaikat.
Abdus Satter schmilzt derweil altes Plastik in einem Tiegel und quetscht den Brei mit einer Presse zu neuen Autoteilen. Zehn bis zwölf Stunden täglich arbeiten sie hier, in Hitze und giftigem Dampf." Freitags kriege ich 200 Taka Lohn", sagt Shaikat. Von den umgerechnet 2,30 Euro kauft er vor allem Essen für sich und seine Familie.
Lernen ist gut!

Von 15 bis 17.30 Uhr aber hat Shaikat eine andere Aufgabe: "Dann gehe ich zur Schule", sagt er stolz. Sein Chef nickt: "Anfangs fand ich es schlecht, dass er dorthin geht statt zu arbeiten. Jetzt denke ich: Lernen ist gut!"
Die Schule, die mitten in Dhaka liegt, gehört zu einem großen UNICEF-Projekt: In sechs Städten sollen 200000 arbeitende Kinder wie Shaikat die Möglichkeit bekommen, neben ihrem Job kostenlos zu lernen. "Ich mag vor allem Mathematik und Englisch", sagt Shaikat. "Die Lehrer sind nett. Sie schlagen uns nicht!" Trotzdem fehlt Shaikat an manchen Tagen. Er grinst und zuckt
die Schultern. "Na ja, manchmal spiele ich eben doch lieber Fußball. Oder ich gehe in einen Laden mit Videospielen..."
Schule heißt Zukunft
Mohammad Jahangir Alam kennt alle Ausreden der Schulschwänzer. Zum Glück hat er eine Engelsgeduld. Herr Alam ist der "Werber" der UNICEF-Schule. "Ich gehe zu Kindern, Eltern, Politikern und Fabrikbossen, um sie zu überzeugen, dass Schule wichtig ist", sagt er.
Eine schwierige Aufgabe in einem Land, in dem die wenigsten lesen und schreiben können und Kinderarbeit zum Alltag gehört. "Die Fabrikanten fragen mich: Was haben wir davon, dass die Kinder lernen? Ich antworte: Ihr gebt ihnen eine Zukunft! Ein Boss hat mich einmal angeschrien: ‚Dir brech ich die Beine, wenn du hier noch mal auftauchst!' Aber ich bin wieder hin und habe ihm von den Kinderrechten erzählt. Ein paar Wochen später schickte er einen Jungen."

Herr Alam weiß, dass die Kinder in der UNICEF-Schule nicht nur lesen und schreiben lernen. "Viele werden neue Menschen! Am Anfang haben sie kein Benehmen und prügeln sich, aber dann lernen sie, Respekt zu haben. Vor sich und vor anderen!" Shaikat jedenfalls hat in der Schule viele Freunde gefunden. "Nach dem Untericht treffen wir uns oft auf dem Schulhof", erzählt er strahlend. Und was machen sie dann? "Na, Fußball spielen natürlich!"