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Noch heute kennt fast jeder Karl Mays spannende Geschichten aus dem Wilden Westen rund um Winnetou, den Häuptling der Apachen.
Macht einmal die Augen zu und stellt euch einen Indianer vor. Denkt ihr auch an einen Mann mit langen schwarzen Haaren, der an den großen "Manitu" glaubt, "Hugh" sagt oder ein lautes Indianergeschrei ausstößt? Ganz so einfach ist es in Wirklichkeit dann aber doch nicht: Um das 15. Jahrhundert lebten in Nordamerika etwa 400 bis 500 verschiedene Indianerstämme und jeder Stamm hatte seine eigene Sprache, Sitten und Gewohnheiten.
Das Bild der Apachen, das Karl May in seinen Büchern zeichnet, entspricht nicht immer der Wahrheit: Vieles von dem, was May erzählt und auch in den Winnetou-Filmen gezeigt wird, ist schlicht und einfach erfunden. Manche Sitten und Bräuche können auf andere Stämme zurückgeführt werden. Woran das liegt? Ganz einfach: Bevor Karl May seine Romane schrieb, ist er noch nie in Amerika gewesen - er ließ also einfach seiner Fantasie freien Lauf.
Manitu
Karl May erzählt vom großen "Manitu", einem Gott, an den alle nordamerikanischen Indianer glauben. Die Apachen glauben allerdings an keinen Gott, der "Manitu" heißt. Sie glauben zwar daran, dass sie von einem Schöpfer geschaffen wurden. Dieser Schöpfer heißt aber "Bik'egu'in Dán", das bedeutet übersetzt "Der uns Leben schenkt". Den Namen "Manitu" haben die Apachen noch nie gehört!
Die Cree, ein anderes Indianervolk Nordamerikas, glauben tatsächlich an "Manitu". Sie stellen sich darunter allerdings keinen Gott in Gestalt einer Person vor, sondern eine geheimnisvolle Kraft, die in allen Menschen, Tieren und in der Natur enthalten ist. Nach diesem Glauben haben alle Tiere, Pflanzen und Menschen "Manitu" in sich, deshalb haben sie für die Cree auch alle den gleichen Stellenwert.
Marterpfahl
In Karl Mays Geschichten binden die Indianer ihre Feinde an einen Marterpfahl, um sie zu foltern. Allerdings gab es tatsächlich nur bei wenigen Indianerstämmen einen Marterpfahl; zum Beispiel bei den Kiowa oder Irokesen. Die Apachen kannten einen Marterpfahl hingegen nicht!
Blutsbrüderschaft
Old Shatterhand und Winnetou ritzen sich in die Unterarme und schließen Blutsbrüderschaft. Sie vermischen ihr Blut, um eine Verbindung zwischen sich herzustellen, die sonst nur bei echten Brüdern vorhanden ist. Durch das Ritual werden sie zu "Brüdern", obwohl sie nicht verwandt sind. Doch auch diesen Brauch kannten die nordamerikanischen Indianer nicht. Karl May hat sich diese Sitte vermutlich bei den alten Germanen abgeguckt: Vor tausenden von Jahren versprachen sich die Germanen auf diese Weise, für den Fall, dass einer von ihnen stirbt, für die Familie desjenigen zu sorgen.
Hugh
"Hugh" ist ein Ausruf, der so viel bedeutet wie "Ich habe gesprochen". Derjenige, der nach einer Rede "Hugh" sagt, möchte das Gesagte noch einmal bestärken. Die Filmfigur Winnetou benutzt diesen Ausruf häufig. In Wirklichkeit kannten die Apachen diesen Ausdruck allerdings gar nicht.
Bei anderen Stämmen kam er aber tatsächlich vor: "Hugh" ist zum Beispiel eine Grußformel bei den Sioux. Also hatte der Ausdruck bei ihnen eine andere Bedeutung, als in Karl Mays Geschichten.
Insgesamt werden die Indianer von Karl May als Menschen mit einem sehr geringen Wortschatz dargestellt. Das ist aber völliger Unsinn: Tatsächlich sind die Sprachen der verschiedenen Stämme viel genauer und vielfältiger als zum Beispiel die deutsche Sprache.
Indianerehrenwort
Habt ihr auch schon einmal jemandem euer "Indianerehrenwort" gegeben? Und dachtet dabei vielleicht sogar, dass das was mit Indianern zu tun hat? Weit gefehlt, auch dieser Ausdruck entsprang Karl Mays Fantasie. Ein Indianer wüsste wohl gar nicht, was damit gemeint ist.
Kriegsgeheul
In Karl Mays Erzählungen stoßen die Indianer einen Schrei aus und schlagen sich dabei mit der flachen Hand auf ihren Mund: Typisches Indianergeheul, wenn sie in die Schlacht ziehen? Von wegen!
Es gibt zwar tatsächlich einen Laut, der ähnlich klingt und bei den Indianern zu hören ist: Indem ein Ton ausgestoßen und die Zunge im Mund ganz schnell auf und ab bewegt wird, entsteht ein Trällern. Doch Kriegsgeheul ist das nicht - es ist ein Laut, mit dem man jemanden ehrt. Indianer klatschen auf diese Weise also Beifall.
Rothaut
Indianer werden häufig als "Rothäute" bezeichnet. Allerdings haben sie keine rötliche Hautfarbe, sondern einen bräunlichen bis bronzefarbenen Hautton. Der Wahrheit entspricht, dass sich die Apachen für besondere Anlässe rot anmalten, zum Beispiel für religiöse Bräuche oder wenn sie in den Krieg zogen. Für Indianer ist die Bezeichnung "Rothaut" übrigens eine Beleidigung.
Squaw
Karl May nennt die Indianerfrauen "Squaws". Doch bei diesem Wort handelt es sich in Wirklichkeit nicht um die Bezeichnung einer Frau, sondern um ein Schimpfwort! Für Indianer ist das eine Beleidigung - im Sinne von "Hure".
Ein Indianer kennt keinen Schmerz
Diese bekannte Redewendung entspricht natürlich nicht der Wahrheit: Indianer fühlen genauso viel Schmerz wie alle anderen Menschen auch. Der Ausspruch ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Indianer im Krieg sehr viel Mut bewiesen.