Zwischen Papierkram und Operationssaal
Ein Mädchen mit gebrochenem Bein, zwei Brüder mit Bauchschmerzen und ein Baby, das vom Wickeltisch geplumpst ist. Für Katharina Gockel bedeutet das vor allem eines: viel Arbeit! Die 25-Jährige macht ein praktisches Jahr in einem Münchener Krankenhaus. Das ist ein Teil ihres Medizinstudiums. In der Klinik soll sie lernen, was man nicht aus Büchern lernen kann. Unter der Anleitung erfahrener Ärztinnen und Ärzte untersucht sie die Patientinnen und Patienten, nimmt Blut ab, erhebt Befunde und ordnet weitere Untersuchungen an.
Das Wichtigste dabei? "Ausdauer"
Um soweit zu kommen, musste Katharina fünf Jahre Medizinstudium und jede Menge schwierige Prüfungen hinter sich bringen. Das Wichtigste dabei? "Ausdauer", sagt Katharina. Die braucht man schon während der ersten Semester. Gleich nach dem Abitur ist ein Pflegepraktikum im Krankenhaus Pflicht, und wer glaubt, dort als Arzt oder Ärztin auftreten zu können, täuscht sich. Stattdessen wechseln die angehenden Medizinerinnen und Mediziner Nachttöpfe, machen die Betten und waschen die Kranken. Das macht nicht immer Spaß. Katharina hielt die Ohren trotzdem steif. Sie wusste schließlich genau was sie wollte: Medizin studieren! Warum? "Weil ich mich schon immer dafür interessiert habe, wie der Körper funktioniert und warum man manchmal krank ist", sagt sie und fügt hinzu: "Außerdem finde ich es toll, anderen Menschen helfen zu können." Dass man als Arzt oder Ärztin jede Menge Verantwortung trägt, und ein winziger Fehler schlimme Folgen für die Patientinnen und Patienten haben kann, stört sie nicht.
Theorie büffeln
Richtig blöd findet Katharina dagegen, dass die Medizinstudierenden am Anfang ihrer Ausbildung nur sehr wenige Patientinnen und Patienten zu Gesicht bekommen. "Vorklinischer Abschnitt" werden die ersten zwei Jahre des Studiums in der Infobroschüre des Arbeitsamtes genannt. Im Klartext bedeutet das: jede Menge Theorie. Katharina büffelte Physik, Chemie, Biologie und Anatomie. Spaß gemacht hat ihr dabei vor allem der Präparierkurs, bei dem die Studierenden eine Leiche Schicht für Schicht auseinander nahmen. Was für Nicht-Medizinerinnen und -Mediziner ekelig klingt, war für Katharina besonders wichtig, weil sie dabei lernte, wo welches Organ liegt.
Dieses Wissen hilft ihr jetzt, im praktischen Jahr, weiter. Zwar darf Katharina vieles noch nicht alleine machen, weil sie ja ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen hat, aber wenn ihre Chefinnen und Chefs operieren, ist sie dabei und hilft wo sie kann.
So sieht ein Arbeitstag im Krankenhaus aus
Und wenn die 25-Jährige mal nicht im Operationssaal steht? "Dann beginnt mein Arbeitstag meistens damit, Blut abzunehmen", sagt sie. Danach steht die Visite auf dem Programm. Das bedeutet, dass die Ärztinnen und Ärzte von Zimmer zu Zimmer gehen, um nach den Patientinnen und Patienten zu sehen. Am Krankenbett werden die Ergebnisse von Untersuchungen besprochen und überlegt, wie die Behandlung fortgesetzt werden kann. Katharina: "Dabei kann ich als Studentin viel lernen, auch wenn ich meist nur Zuschauerin bin."
Ganz wie im Fernsehen?
Mit den Krankenhausserien im Fernsehen hat Katharinas Alltag in der Klinik rein gar nichts zu tun. Während die TV-Ärztinnen und -Ärzte von einem kniffeligen Fall zum nächsten hetzen, ein Leben nach dem anderen retten und sich zwischendurch auch noch in Vorgesetzte vergucken, passiert im wahren Ärztinnenleben oft ein paar Tage lang nichts Spannendes. Stattdessen müssen Katharina und ihre Kolleginnen und Kollegen einen Haufen Büroarbeit erledigen. Und der Papierkram scheint mit jedem neuen Gesetz, das sich die deutschen Politikerinnen und Politiker einfallen lassen, mehr zu werden.
Lange Arbeitszeiten
Viele Klinikärztinnen und -ärzte sind deshalb frustriert. Kein Wunder, denn die Zeit, die sie im Büro verbringen, fehlt nachher bei den Patientinnen und Patienten. Die Medizinerinnen und Mediziner beklagen sich darum, dass ihre Arbeit im Rahmen eines normalen Arbeitstages nicht zu schaffen ist. Und gerade die jungen Ärztinnen und Ärzte schuften oft viel länger, als es in ihrem Vertrag steht - auch am Wochenende und an Feiertagen. Da kann es schon mal passieren, dass jemand 24 oder sogar 36 Stunden am Stück arbeiten muss. Kein Wunder also, dass sich viele ausgenutzt fühlen und manche ins Ausland gehen, wo die Arbeitsbedingungen angeblich besser sind.
Die eigene Praxis eröffnen
Andere versuchen so schnell wie möglich eine eigene Praxis zu eröffnen. Von heute auf morgen geht das allerdings nicht, denn in Deutschland müssen sie mindestens fünf Jahre in einem Krankenhaus arbeiten, bevor sie sich selbstständig machen können. Solange dauert es nämlich, sich auf ein bestimmtes Gebiet zu spezialisieren. "Seinen Facharzt machen", nennen die Medizinerinnen und Mediziner das. Und an diesem "Facharzt" führt kein Weg vorbei, wenn man eine eigene Praxis haben möchte.
Zeit, sich den Kopf über all die seltsamen Regelungen der Medizinerinnen-Ausbildung zu zerbrechen, hat Katharina momentan nicht. Vor zwei Minuten ist ein Notfall eingeliefert worden, ein kleines Mädchen mit schweren Verbrennungen. Die Medizinstudentin rennt in Richtung Operationssaal, um das zu tun, was sie schon immer tun wollte: anderen Menschen helfen.
Warum nicht jede Ärztin und jeder Arzt auch Doktor ist
Wusstet ihr, dass es nicht genügt all die schweren Prüfungen des Medizinstudiums zu bestehen, um sich Frau oder Herr Doktor nennen zu dürfen? Wer die hinter sich hat ist zwar Arzt oder Ärztin – um einen Doktortitel zu bekommen, muss man als Medizinerin oder Mediziner aber noch eine lange sogenannte Doktorarbeit schreiben. Die meisten Ärztinnen und Ärzte tun das, aber eben nicht alle. Deshalb gibt es auch Ärztinnen und Ärzte, die nicht Doktor sind.