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Beruf Lektor/in

Lesen, lesen und noch mal lesen: So stellt sich jeder den Arbeitsalltag eines Lektors oder einer Lektorin vor. In Wirklichkeit sieht der aber völlig anders aus. Zwischen dem Kontakt zu Autorinnen und Illustratoren muss auch noch die Feinarbeit am Text erledigt werden

Silvia Bartholl sitzt im Zug nach Hause. Hinter ihr liegt ein harter Arbeitstag und vor ihr ein Manuskript, das sie noch durchlesen muss. Sie ist Lektorin beim Verlag Beltz & Gelberg und betreut dort die Taschenbuchreihe. Als Lektorin ist sie die Schnittstelle zwischen Autor und Verlag; sie kennt den Buchmarkt und weiß, was gut ankommt und wie ein Buch aufgebaut sein sollte.

Was ist eine gute Idee?

Jede Lektorin und jeder Lektor hat einen festen Stamm von Autorinnen und Autoren, den er oder sie betreut. Das sind so ungefähr 10 bis 15 – manchmal auch mehr. Die Arbeit von Lektorinnen und Lektoren beginnt schon sehr früh, oft schon mit der Idee einer Autorin. Liegt das Manuskript vor, lesen mehrere Lektorinnen und Lektoren und entscheiden dann, ob das Manuskript veröffentlicht werden soll oder nicht. Aber woher wissen sie, welches Manuskript ein gutes Buch werden kann? "Wir haben keine Liste, die wir abhaken. Wir lassen das Lese-Erlebnis auf uns wirken. Wenn die Geschichte spannend und originell geschrieben ist, dann liest man sie auch selber gerne." Hinzu kommt noch das Sprachvermögen der Autorinnen und Autoren. Denn nicht nur die Geschichte muss gut erzählt sein; auch die Sprache muss stimmen - und besonders bei Kinderbüchern verständlich und gut zu lesen sein.

Ab 10? Ab 12?

Für welche Altersklasse ist das zukünftige Buch geeignet? Woran erkennt sie die Zielgruppe? Silvia Bartholl: "Das ist Erfahrungssache, ein Lektor entwickelt dafür ein Gefühl. Es gibt allerdings eine Regel, die man beachten kann: Die Hauptfigur im Buch sollte nicht jünger sein als der Leser oder die Leserin. Diese Regel lässt sich allerdings auch nicht für alle Bücher anwenden. Bei besonders schwierigen Themen kann das schon mal anders sein."

Ein abgeschlossenes Studium

Wie wird man Lektorin? Silvia Bartholl war früher mal Grundschullehrerin in der Schweiz; hat dann in Frankfurt am Main studiert und ist über Umwege an die Stelle als Lektorin bei Beltz & Gelberg gekommen. "Ich habe mein Leben lang sehr gerne und auch sehr viel gelesen und auch immer viel mit Sprache und Literatur zu tun gehabt. Und auch mit Kindern – deshalb war der Job als Kinderbuchlektorin ideal für mich." Wer Lektorin oder Lektor in einem Verlag wird, hat in der Regel ein abgeschlossenes Studium. Die meisten haben Germanistik und eine weitere Geisteswissenschaft studiert; denn mit Sprache und Literatur müssen sie sich ja auskennen. Während des Studiums sind Praktika an der Tagesordnung – denn eine Ausbildung oder ein gezieltes Studium zum Lektor oder zur Lektorin gibt es nicht. Nur durch ein Praktikum können angehende Lektorinnen und Lektoren praktische Erfahrungen sammeln und für ihren späteren Beruf dazulernen.

Die Arbeit einer Lektorin

Wenn das Manuskript bei der Lektorin auf dem Tisch liegt, spricht sie immer und immer wieder mit dem Autor oder der Autorin und sie überlegen gemeinsam, wie das Manuskript noch besser werden könnte. Stimmt der Anfang? Sind alle Erzählstränge richtig miteinander verknüpft?

Die Arbeit einer Lektorin oder eines Lektors ist immer subjektiv, das heißt, dass jeder seine eigene Meinung hat. Wie in vielen anderen Bereichen gilt hier: Viele Köche verderben den Brei. Kritisieren zu viele Lektorinnen und Lektoren einen Text, hat jeder Verbesserungsvorschläge. Deshalb ist es wichtig, dass nur ein Lektor oder eine Lektorin mit Autorin oder Autor in Kontakt steht, denn nur so kann der Text am Ende auch wirklich gut werden. "Manchmal hat man schon ein Problem oder schlägt sich mit einer Formulierung herum und findet keinen Ausweg. Dann fragt man die Kolleginnen und Kollegen oder lässt den Text gegenlesen. Aber die Feinarbeit ist schon Sache einer einzelnen Lektorin."

Dann muss ein Titel gefunden werden – eine schwierige Sache. Denn um Verwechslungen vorzubeugen, sollte es den Titel nicht schon geben.

Die Bilder für das Kinderbuch

Neben dem Text geht es häufig auch um Bilder. Jeder Illustrator und jede Illustratorin hat einen eigenen Stil; die Lektorin sucht den aus, der am besten zum Buch passt. Dann spricht sie ab, wie viele Bilder in das Buch kommen sollen - und die Illustratorin oder der Illustrator zeichnet, auch das Einbandbild.

Wenn Text und Bilder fertig sind, geht alles an die Herstellungsabteilung. Was dort genau passiert, könnt ihr auch unter "Wie entsteht ein Kinderbuch" nachlesen. Danach wird der Text mehrere Male gelesen - bis das Manuskript endlich gedruckt werden kann. Etwa ein Jahr lang kann es dauern, bis so ein Kinderbuch entstanden ist. Wenn es manchmal schnell gehen muss, dann reichen auch drei Monate aus; in der Regel arbeiten Lektorin und Autor aber schon mindestens ein halbes Jahr zusammen.

Lesen, lesen, lesen

Die Lektorin liest aber nicht nur die Bücher der Autorinnen und Autoren, die sie betreut. Es werden auch Bücher gelesen, die in anderen Ländern erschienen sind. Wenn die dem Lektorat gut gefallen, kauft der Verlag die Rechte von dem ausländischen Verlag. Die Lektorin beauftragt dann eine Übersetzerin oder einen Übersetzer, um den Text ins Deutsche zu überträgen.

Neben all diesen spannenden Arbeiten hat man im Lektorat aber auch viel Routine zu erledigen: Anfragen beantworten, Datenbanken pflegen, Werbetexte schreiben ... Der Beruf ist also sehr vielfältig.

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