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Der Elefant trampelt tonnenschwer und trompetend durch die afrikanische Savanne. Die Seekuh hat statt der Vorderbeine Flossen und schwimmt trotz ihres massigen Körpers elegant durch die Meere.
Der Klippschliefer wird gerade mal vier Kilogramm schwer, lebt in Felsspalten und liebt Sonnenbaden. Drei Tierarten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und trotzdem eng miteinander verwandt. Wie kommen Biologen bloß auf so etwas?
Die DNS verrät Geheimnisse
Tiere, wie wir sie heute kennen, liefen nicht immer so über die Erde. Hunde entwickelten sich aus den Wölfen. Die kuschelige Hauskatze stammt von einer wilden Urform ab. Und auch wir Menschen waren früher einmal ziemlich behaart. Haben wir doch die gleichen Vorfahren wie Schimpanse und Gorilla.
Deshalb interessiert es Biologen brennend, wer im Tierreich mit wem wie verwandt ist. Denn wissen Forscher darüber Bescheid, können sie auch Rückschlüsse auf die Evolution der Tiere schließen. Die Evolution ist die Entwicklung der Tiere und der verschiedenen Tierarten seit der Entstehung des Lebens vor vielen Millionen Jahren.
Detektivarbeit bis in die kleinste Körperzelle
Um besonders vertrackte Familienverhältnisse wie bei Klippschliefer, Elefant und Seekuh zu entschlüsseln, müssen Forscher schon auf modernste Untersuchungsmethoden zurückgreifen.
Auf den ersten Blick sehen die drei Tierarten nicht gerade verwandt aus. Als Forscher sich aber den Knochenbau der Tiere anschauten, entdeckten sie doch erstaunliche Gemeinsamkeiten. Sie beschlossen, etwas genauer hinzuschauen.
Genauer hinschauen bedeutete in diesem Fall, den pelzigen Kerlchen mit modernen DNS-Untersuchungen zu Leibe zu rücken. Denn so wie manche Kinder ihren Eltern so gar nicht ähnlich sehen, können auch Verwandtschaften im Tierreich extrem versteckt liegen. Versteckt in der DNS.
Nur die DNS eines Lebewesens gibt immer Auskunft über seine Abstammung. DNS (englisch: DNA) ist die Abkürzung für Desoxyribonucleinsäure und wird auch als Erbgut bezeichnet, da sie von den Eltern an die Kinder weitervererbt wird.
Bei Menschen, Tieren und auch Pflanzen schwimmen die winzig kleinen Erbgut-Teilchen in allen Körperzellen herum. Und jedes dieser Teilchen enthält eine Menge Kochrezepte. So wie es Rezepte für Spaghetti Bolognese und Käsekuchen gibt, gibt es auch Rezepte für eine große oder kleine Nase, für blaue oder braune Augen und unsere Haarfarbe.
Was ist dein Rezept?
Diese DNS-Kochrezepte benutzen Wissenschaftler um herauszufinden, wie nahe verschiedene Tierarten miteinander verwandt sind. Tierarten, die im Familien-Stammbaum eng beieinander stehen, benutzen nämlich die gleichen Kochrezepte. So wie eure Mutter vielleicht das gleiche Käsekuchenrezept verwendet wie eure Oma. Schließlich sind die beiden ja auch ganz nah verwandt.
Ursprünglich dachten Wissenschaftler, Klippschliefer seien Nagetiere. Sehen sie doch wirklich aus wie zu groß geratene Hasen oder Murmeltiere. Erst als die DNS der kleinen Sonderlinge untersucht wurde, kam man zu der erstaunlichen Erkenntnis: Klippschliefer sind viel eher Huftiere und ganz nah verwandt mit Elefanten und Seekühen. Klippschliefer benutzen also die gleichen DNA-Kochrezepte wie Elefanten und Seekühe.

Familiäre Unterschiedlichkeit
Bleibt nur die Frage, warum Klippschliefer dann so ganz anders aussehen als Elefant und Seekuh. Wenn sie doch die gleichen DNS-Teilchen besitzen. Die gleiche DNS haben die drei Verwandten von einem gemeinsamen Vorfahr geerbt, der vor 80 Millionen Jahren in Afrika lebte.
Schliefer, Rüsseltiere und Seekühe stammen also alle ursprünglich aus Afrika, Biologen nennen sie deshalb auch Afrotheria - Afrikatiere. Vor vielen Millionen Jahren gehörte Afrika noch zu dem Superkontinent Gondwana, der aus Südamerika, Australien, der Antarktis, Indien und eben Afrika bestand. Als dieser Superkontinent in die heutigen Kontinente zerbrach, zerstreute es die Vorfahren der Afrikatiere über die ganze Welt.
Alle müssen sich anpassen
Einige der Afrotheria-Vorfahren blieben in Afrika, einige landeten in Indien, wieder andere in Südamerika. Sie mussten also lernen in völlig verschiedenen Gebieten zu überleben. Und die dafür notwendigen Fähigkeiten entwickeln.
So wie ein Kind, dass am Meer aufwächst schon ganz jung das Schwimmen lernt. Und ein Nomadenkind in der Wüste sicher mit spätestens sechs Jahren ein Kamel reiten kann. Oder ein Kind im kalten Norden Deutschlands die meiste Zeit des Jahres eine blasse Haut hat. Würde es aber im sonnigen Italien leben, wäre es meist braungebrannt.
Tiere und Menschen passen sich immer an ihren Lebensraum an, große Teile ihrer DNS-Kochrezepte verändern sich. Viele neue Rezepte kommen dazu. Klippschliefer leben in Felsenspalten, also dürfen sie nicht so groß wie Elefanten sein. Sie müssen auch auf die steilsten Felsen klettern, dafür haben sie ihre Schweißfüße zum Haften.
Elefanten teilen sich ihren Lebensraum in der afrikanischen Savanne mit gefährlichen Raubtieren wie Löwen und Hyänen. Wären sie so klein wie die Klippschliefer, gäbe es bald keine Elefanten mehr, die Räuber hätten sie längst verspeist. Und Seekühe leben im Meer, also mussten sie ein völlig neues Kochrezept entwickeln: eines für Schwimmflossen.
Einiges hält ewig
Aber egal wie viele Millionen Jahre verwandte Tiere sich getrennt entwickelt haben, ein großer Teil ihrer DNS bleibt gleich. Das DNS-Rezept für den Knochenbau zum Beispiel. Und diese DNS-Teile nutzen Wissenschaftler um versteckte tierische Verwandtschaften aufzuspüren. So können Klippschliefer, Elefanten und Seekühe ganz ähnliche DNS haben, also ganz nah verwandt sein, und trotzdem so völlig unterschiedlich aussehen.