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Der Chor der Wölfe
Da ist es wieder! Dieses klagende Geheul. "Huuuuu-Wuuuuu-Wooouuuu!", schallt es aus dem Wald. Ein bisschen unheimlich klingt das. Aber die Menschen in den Häusern am Waldesrand kann das nicht mehr schocken. Sie wissen nämlich: Das sind die Wölfe von Werner Freund, die mal wieder ihren "Chor" angestimmt haben. Und bestimmt sitzt der bärtige Mann mitten unter ihnen, hat den Kopf in den Nacken gelegt und heult kräftig mit.
Werner Freund: "Ich bin ein Wolf."
Seit 30 Jahren verbringt Werner Freund jede freie Minute mit seinen Tieren. 25 Wölfe leben in seinem Gehege im Wald von Merzig, einer kleinen Stadt im Saarland: europäische und indische Wölfe, Arktis- und Timberwölfe, aufgeteilt in vier Rudel. Und Werner Freund hat sich, wie kaum ein Forscher zuvor, den Tieren so angepasst, dass er von sich selbst sagt: "Ich bin ein Wolf."
Wolfsgesetze dürfen nicht gebrochen werden
Für seine Tiere ist er sogar so eine Art "Oberwolf". Sobald Werner Freund das Gehege betritt, geht sofort ein "Begrüßungs-Sturm" los. Mit Riesensätzen prescht der Rüde Igor heran, schnappt nach Freunds Hand, schnuppert, winselt. Igor ist das so genannte Alpha-Tier des Rudels, also der Anführer - und als solcher hat er als Erster das Recht, Werner Freund zu begrüßen. Ungerührt lässt der Forscher es zu, dass der Wolf ihn ableckt und ihm die schweren Pranken in die Schultern krallt. Werner Freund spricht leise, in einer Art geheimem Singsang. Nach Igor darf Kalinka, die Alpha-Wölfin, ihn willkommen heißen und dann erst, streng nach der Rangordnung, der Rest des Rudels. Als Gregor, ein rangniedriger Rüde, sich vordrängeln will, wird Igor sofort wütend: Mit gefletschten Zähnen weist der Alpha-Wolf den Schwächeren zurecht - und Gregor legt sich unterwürfig auf den Rücken. In so einer Situation würde Werner Freund sich nie einmischen - denn Wolfsgesetze darf er nicht brechen.
Hackfleisch für die Welpen
Der Forscher kennt seine Tiere, seit sie Welpen waren: Gemeinsam mit seiner Frau Erika hat er fast alle aufgezogen, erst mit der Milchflasche, später mit zerkleinertem Hackfleisch, das er den Welpen mit dem Mund gab - genauso wie es Wolfseltern tun. Monatelang hat er nachts mit den Kleinen im Gehege geschlafen.
Werner Freund verhält sich wie ein Wolf
Selbst beim Füttern der erwachsenen Tiere verhält sich Werner Freund wie ein Wolf: Wenn er ein Stück Fleisch anschleppt, gibt er es nicht einfach her. Er zieht und zerrt daran, er knurrt und schlägt. Überließe er dem Rudel das Fleisch, ohne zu kämpfen, würde er seine Stellung riskieren - nur ein schwacher Wolf lässt sich seine Beute abnehmen. Und ein schwacher Wolf wird schnell angegriffen.
Aber Werner Freund hat in all den Jahren auch gelernt, sich in brenzligen Situationen wie ein Wolf zu verteidigen. Als Igor ihm einmal durchs Gesicht schleckte, dann aber plötzlich gefährlich die Zähne an Freunds Hals fletschte, schlug der Mann nach bester Wolfsart zurück: Er biss Igor einfach in die Nase. Und beendet damit den Streit.