Mapeone heißt nicht wirklich Mapeone. Natürlich nicht. Er hat einen ganz normalen Vorund einen ganz normalen Nachnamen. In dieser Geschichte aber will Mapeone - zwölf Jahre alt, blonde Wuschelfrisur - nur Mapeone genannt werden. Schließlich ist das sein Pseudonym, sein Künstlername. Und auf den kommt es in der Graffiti-Szene an: Sprayer (übersetzt: Sprüher) hinterlassen letztlich überall ihre Unterschrift, auf Mauern, Wänden, Brückenpfeilern, „weil es darum geht, seinen Namen zu verbreiten“, sagt Mapeone. Taggen heißt das in der Szene. „Dafür bekommt man Anerkennung“, fügt der Junge noch hinzu, zückt sein Handy und zeigt gleich eine ganze Galerie an pieces, Bildern, die er gesprüht hat. Da sind Mauern in einem Hamburger Park, auf denen sich bunte Lettern kunstvoll ineinanderschieben, als würden sie sich gegenseitig stützen: MAPEONE. Da ist auch eine Mauer an seiner Schule, die nun dicke, grüne Buchstaben ziert: MAPEONE. „Hat mir der Schulleiter erlaubt. Dafür bin ich ihm echt dankbar“, sagt der Junge.
Er war zehn, als er mit Graffiti angefangen hat: „Meine Mutter hatte mir zum Zeugnis ein paar Marker geschenkt. Damit habe ich auf Papier erste Entwürfe gezeichnet.“ Dann kam das Thema im Kunstunterricht auf den Plan. Und Mapeone begeisterte sich immer mehr für Graffiti. Zusammen mit einem Freund – Künstlername: „Pauli“ – übte er das taggen zu Hause im Keller. „Wir haben dabei sogar die Zeit gestoppt“, erzählt Pauli. Nach und nach entwickelten die Jungs einen eigenen style. Bloß: Sprühdosen zu kaufen, das erlaubten die Eltern damals noch nicht. „Das gab Riesenstress“, murmelt Mapeone. Die Jungen mussten sich vorerst mit Lackstiften begnügen.
Beliebt sind in der Szene vor allem Stellen, die von vielen gesehen werden. Also zum Beispiel Plätze, an denen tagtäglich Bahnen und Busse vorbeifahren“, sagt Kriminal- Oberkommissar Kaspereit. Der 32-Jährige arbeitet bei der Polizei in Hamburg, in der „Ermittlungsgruppe zur Bekämpfung der Graffiti-Kriminalität“. Zusammen mit zehn Kollegen fahndet er, welche Sprayer – allein oder in Gruppen – wann, wo, wie oft illegal ihren Namen verewigen. Denn was für den einen Kunst ist, ist für den anderen Schmiererei. Und eine Straftat! Allein in Hamburg zählte die Polizei im vergangenen Jahr 4368 Fälle; aufgeklärt wurde davon nicht mal jeder Vierte! „Wenn wir einen Sprayer erwischen, bekommt der gleich doppelt auf die Finger“, erläutert Kaspereit. „Zum einen sorgt der Staat für die Strafanzeige. Sprayer können vor Gericht angeklagt und etwa zu einer Geldbuße verurteilt werden. Zum anderen kann derjenige, dessen Eigentum beschmiert wurde, die Kosten zur Beseitigung der Schäden verlangen.“ Und das sogar 30 Jahre lang!
Was also macht dann für Sprayer den Reiz an Graffiti aus? „Beim illegalen Sprühen ist der künstlerische Anspruch nicht besonders hoch. Die Bilder sind selten richtig gut, weil sie unter Zeitdruck entstehen. Da geht es einfach um den Kick!“, sagt Kaspereit. Mapeone formuliert es für sich – und das legale Sprühen - etwas poetischer: „Man ist ja nie wirklich zufrieden mit seinem piece, man will immer besser werden und macht weiter. Es ist die Liebe zur Farbe!“