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Beruf Florist/in

Ulrike Stahl hat einen tollen Beruf. Wenn sie arbeitet, darf sie tun, wovon viele andere oft träumen: alles, was sie nicht mehr braucht auf den Fußboden werfen. Ulrike Stahl ist Floristin

Ihr Arbeitstisch muss frei sein, damit sie erkennen kann, welche Blüten besonders gut zusammen passen. Überflüssige Stängel, Dornen und Blätter würden da nur stören und landen deshalb auf dem Steinboden der Gärtnerei.

Nicht mehr als zehn Minuten

Beruf: Wer Floristin werden möchte, sollte kreativ und naturverbunden sein
Wer Floristin werden möchte, sollte kreativ und naturverbunden sein
© Esther Gusewski

Sobald klar ist, was für einen Strauß sich der Kunde wünscht, muss es schnell gehen. Länger als zehn Minuten haben Floristinnen und Floristen selten Zeit, um die Blumen zu binden. Gar nicht so einfach! Die Fachfrau weiß schließlich, dass Blumensträuße oft verraten, wenn die Floristin einen schlechten Tag hat. "Auch in den Prüfungen gibt es für Sträuße oft die schlechtesten Noten", sagt sie.

Wer Floristin werden möchte, sollte kreativ und naturverbunden sein und sich spontan auf neue Kundinnen und Kunden einstellen können. Das Binden der Sträuße ist nämlich nicht das Kniffeligste am Floristenberuf. Bevor die Blumenexpertinnen und -experten loslegen können, müssen sie herausfinden, was die Kundschaft will. Die Situation ist immer wieder anders. Mal kommt einer, der einen Strauß zur Geburt haben möchte. Mal eine, die einen Kranz fürs Grab der Oma braucht.

Erst mal Detektivin spielen

Die meisten können nicht genau erklären, wie ihr Strauß aussehen soll. Deshalb müssen Floristinnen und Floristen erst einmal  herauszufinden, was der Kundschaft vorschwebt. "Dabei darf man nicht zu neugierig sein", sagt Ulrike Stahl. Wer zu hartnäckig nachbohrt, riskiert, dem Kunden oder der Kundin auf die Nerven zu gehen.

Es ist erst ein paar Tage her, dass eine Frau auf der Durchreise in den Laden kam. Sie hatte wenig Zeit und verlangte nach einem Geburtstagsstrauß für einen Herren. Sie nannte den Preis und fügte noch schnell hinzu, dass der Strauß nicht weihnachtlich sein sollte. Das war alles, was Ulrike Stahl von ihrer Auftraggeberin erfuhr. Die Floristin entschied sich für eine ausgefallene Blüte. Weshalb? "Männern kann man oft mit ausgefallenen Blumen eine Freude machen", verrät sie. "Sie mögen es gerne puristisch." Frauen hätten dagegen einen ganz anderen Geschmack. Ihnen könne man meist mit großen Rosensträußen eine Freude machen.

Beruf: Schleifen binden für tolle Weihnachtsgestecke
Schleifen binden für tolle Weihnachtsgestecke
© Esther Gusewski

Bloß nicht ins Büro

Wie lange sie schon Floristin ist? Ulrike Stahl weiß es nicht auswendig. Sie muss nachsehen und blättert deshalb in ihren alten Unterlagen. 15 Jahre sagt sie dann. Eine lange Zeit. Zuvor hat sie eine Lehre zur ländlichen Hauswirtschafterin gemacht, danach eine zur Gärtnerin im Zierpflanzenbau. Jetzt kann sie alle drei Berufe anwenden und ist heilfroh, nicht in irgendeinem Büro gelandet zu sein. Auch Ulrike Stahls Lehrling Nadine Romantschak hat schon eine Ausbildung zur Kinderpflegerin angefangen.

Jetzt steht sie seit ein paar Monaten zusammen mit ihrer Chefin in der Gärtnerei. Dabei trifft stehen es ziemlich genau, denn: Floristinnen und Floristen sitzen selten. Auch wenn keine Kundschaft im Laden ist, gibt es viel zu tun. Als der Gärtnerhof Werner im März eröffnete, war allen klar: "Die Kundinnen und Kunden sollen sich hier wohl fühlen." Deshalb verbringen die beiden Floristinnen viel Zeit damit, ihr Geschäft zu schmücken – gerade jetzt, kurz vor Weihnachten. Zwischen den Blumen sitzen pummelige Engel und grinsende Weihnachtsmänner. Von der Decke baumeln Sternchen und auf dem großen Tisch in der Mitte des Raumes stehen Kerzen in allen Formen und Farben. Gold und Silber sind jetzt gefragt, Tannenzweige Pflicht. "Schnickschnack" nennt Ulrike Stahl diese Dinge liebevoll. Sie weiß: "Früher haben wir vor allem Sträuße gemacht. Mittlerweile sind die Accessoires immer wichtiger geworden."

Beruf: Ulrike Stahl verbringt viel Zeit damit, den Laden schön zu gestalten
Ulrike Stahl verbringt viel Zeit damit, den Laden schön zu gestalten
© Esther Gusewski

Die Schattenseiten des Berufs

Beruf: Ulrike zeigt Lehrling Nadine, wie hübsche Deko gelingt
Ulrike zeigt Lehrling Nadine, wie hübsche Deko gelingt
© Esther Gusewski

Klar, Blumen sind schön und Sträuße toll - trotzdem ist der Beruf der Floristin kein reines Zuckerschlecken. Einer der Haken: Während den Floristinnen und Floristen im Sommer oft die Schweißperlen von der Stirn rinnen, ist es im Winter meist bitterkalt in der Gärtnerei. Und wer zu Allergien neigt, sollte lieber die Finger vom Geschäft mit den Blumen lassen. "Viele Pflanzen lösen Allergien aus oder verstärken sie", sagt Ulrike Stahl. Vor allem Menschen mit Neurodermitis rät sie, sich nach einem anderen Beruf umzusehen.

Lehrling Nadine bringen die vielen Blumen nicht zum Niesen. Obwohl sie ihre Lehre erst vor ein paar Monaten begonnen hat, bindet sie schon ihre ersten Sträuße. Ulrike Stahl ist es wichtig, ihre Auszubildende so gut wie möglich einzubinden. Sie hat aus ihrer eigenen Lehrzeit gelernt. "Ich war die ersten Jahre über nur das Kellerkind" erzählt sie. "Hauptsächlich habe ich Botengänge gemacht und aufgeräumt." Ihren ersten Kranz hat die Floristin deshalb erst bei ihrer Abschlussprüfung gebunden. Ein Schicksal, dass sie ihrem eigenen Lehrling ersparen möchte.

Die Pflanze als Ganzes betrachten

Ulrike Stahl hat die Meisterklasse an der Fachschule für Blumenkunst Weihenstephan besucht. Das bedeutet, dass sie eine andere Einstellung zu ihrem Beruf hat als viele Kollegen. Sie sagt: "Den Weihenstephaner Floristen ist der natürliche Umgang mit den Pflanzen wichtig." Wer dort sein Handwerk gelernt hat achtet nicht nur auf Farbe und Form, sondern versucht die Pflanze als großes Ganzes zu betrachten. Deshalb rückt Expertin Ulrike schon mal die Stiele der Blumen ins Rampenlicht und besonders schöne Äste erhalten oft einen Ehrenplatz. Die Floristin mag Pflanzen mit Charakter. Manch krummer Stil ist ihr lieber als ein kerzengerader. Und ein Stiefmütterchen hat für die Expertin nicht nur eine Blüte, sondern ein Gesicht. Außerdem achtet sie darauf, dass ihre Blumen zur Jahreszeit passen. Tulpen und Sonnenblumen sucht man im Winter vergeblich bei ihr. Stattdessen gibt es Amarilis in allen Farben. "Jede Blume hat ihre Zeit", sagt Ulrike und zupft ein welkes Blatt von einem der Weihnachtssterne die sie eben gegossen hat. "Nur rote Rosen sind ein Dauerbrenner."

Beruf: Früh übt sich: Ab und zu kommt auch Isabella (6) vorbei, um Ulrike und ihrem Lehrling Nadine zu helfen
Früh übt sich: Ab und zu kommt auch Isabella (6) vorbei, um Ulrike und ihrem Lehrling Nadine zu helfen
© Esther Gusewski

Blumen sind Luxus

Beruf: Ein Meer von Blumen im Gärtnerhof Werner
Ein Meer von Blumen im Gärtnerhof Werner
© Esther Gusewski

Wer wenig Geld hat, überlegt sich zweimal, ob er sich einen Blumenstrauß gönnt oder nicht. Die Fachfrau weiß allerdings auch: "Ohne Blumen fehlt etwas. Man kann sie zwar nicht essen - aber irgendwie braucht man sie trotzdem."

In der Berufsschule müssen die Nachwuchsfloristinnen und -floristen nicht nur die botanischen Namen der Blumen und Gräser lernen, sie haben auch Fächer wie Gestaltungslehre, Fachrechnen und vieles mehr. Natürlich gibt es Dinge, die man nicht aus Büchern lernen kann. Wie riecht zum Beispiel ein Alpenveilchen? Ulrike Stahl weiß es ganz genau. Unter tausenden von Gerüchen würde sie diesen einen erkennen. Beschreiben kann sie ihn trotzdem nicht und erklärt deshalb lachend: "Manche Sachen muss man einfach selber gerochen haben." Umso besser, dass sich ein Großteil von Nadines Ausbildung in der Gärtnerei abspielt. Hier hat sie die Gelegenheit ausführlich zu schnuppern und viele Dinge auszuprobieren.

Dabei hat sie eines bereits herausgefunden: Die Sache mit dem Blätterchaos am Boden hat auch einen gewaltigen Haken. Irgendwann muss man den Kram auch wieder aufräumen - auch als Floristin.

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