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Von ferne sieht der Busch auf der griechischen Insel Kreta aus wie ein ganz normales Gewächs. Sanft wiegen sich die Blätter im Wind, das Laub raschelt leise. Doch wenn man sich ihm nähert, erwacht das Gestrüpp plötzlich zum Leben: In Sekundenschnelle öffnet sich eine große grüne Blüte, und dann zischt der Blütenkelch wie eine Schlange! Seit wann machen Blumen denn Geräusche?
Erst wer näher herangeht, entdeckt die Antwort: Diese Blüte ist gar keine Pflanze – sondern ein Tier. Im Busch hockt eine Gottesanbeterin! Drohend spannt sie ihre grünen Flügel auf und täuscht so ihre Feinde: Vögel oder Echsen nehmen vor der zischenden Blüte lieber gleich Reißaus.
Sieht mich jemand?
Gottesanbeterinnen sind, wie alle Fangschrecken, Meister der Tarnung. Perfekt passen sie sich ihrem Lebensraum an. Nur wenige machen dabei aber so viel Wind wie die Blüten- Nachahmerin: Manche der über 2300 Fangschreckenarten sehen eher aus wie welkes Laub, andere tarnen sich als Grashalm oder Rindenstück. Eines aber ist allen Gottesanbeterinnen
gleich: Ihren lustigen Namen verdanken sie ihrem Aussehen.
Geduld zahlt sich aus
Weil sie ihre Fangarme vor der Brust zusammenfalten, scheint es, als würden sie beten. Tun sie aber nicht: In Wirklichkeit lauern die scheinheiligen Insekten auf Beute. Stundenlang kann eine Gottesanbeterin reglos auf einem Ast sitzen. Sobald sich aber ein Käfer oder eine Made nähert, schnellen die Fangarme wie Klappmesser nach vorn! Zack – klemmen sie die Mahlzeit ein.
Das alles geschieht in weniger als einer Zehntelsekunde – für das menschliche Auge kaum zu verfolgen! Manche Fänger sind so schnell, dass sie sogar Fliegen aus der Luft schnappen können.
Komm bloß nicht näher!

Am liebsten aber hängen die Schrecken kopfüber an einem Ast und beobachten mit großen Augen die Umgebung. Ihnen entgeht nichts: Ihr dreieckiger Kopf ist so beweglich, dass sie auch leicht nach hinten gucken können!
Wenn sich Feinde nähern, richten sich die Insekten auf, reißen die Dornen-Ärmchen hoch und stellen drohend ihre Flügel auf. Wenn das nichts nützt, streichen sie mit ihrem Hinterleib über die Flügel – das zischende Geräusch verwirrt sogar größere Feinde wie Vögel oder Echsen.
Gefährliche Liebschaften
Die Tricks wirken: Immerhin gehören die Fangschrecken zu den ältesten Erdenbewohnern. Schon vor 340 Millionen Jahren schwirrten sie durch die Wälder. Eigentlich ein Wunder, dass sie so lange überlebt haben – wenn man bedenkt, dass die Insekten auch untereinander nicht gerade zimperlich sind.
Etwa bei der Paarung: Nähert sich ein Männchen unvorsichtig einem Weibchen, macht es kurz "Schnapp!" – und der Verehrer wird verspeist.
Größere Chancen hat, wer sich dem Weibchen von hinten nähert, mit den Fühlern auf dessen Hinterleib klopft und dann auf seinen Rücken springt. Nach der Paarung heißt es für das Männchen aber: Nix wie weg! Sonst endet es doch noch als Futter.

Gefräßiger Nachwuchs
Ein Weibchen kann Dutzende, manchmal sogar bis zu 400 Eier legen. Nach fünf bis sechs Wochen schlüpfen die Larven, die aussehen wie kleine Würmer. Ein paar Minuten später
platzt die Hülle der Würmchen auf – und hervor kriechen winzige Fangschrecken. Und was tun sie als Erstes? Sie rennen in alle Richtungen auseinander. Man kann schließlich nie sicher sein, ob die Geschwister nicht schon zuschnappen.
Steckbrief: Die Gottesanbeterin
- Allgemeines: Fangschrecken oder Gottesanbeterinnen gehören zu den Insekten, der zahlenmäßig größten Klasse im Tierreich. Sie sind eng mit den Schaben verwandt. Besondere Merkmale sind die zu Fangbeinen umgewandelten Vorderbeine, der frei bewegliche, dreieckige Kopf mit den großen Augen und der lang gestreckte Körper. Weltweit gibt es über 2300 Arten.
- Lebensweise: Gottesanbeterinnen bewohnen Büsche und Sträucher, aber man findet sie auch auf dem Boden. Sie lieben besonders sonnige Hänge und Waldränder. Denn zum Leben brauchen sie viel Wärme. Im Frühjahr legen die Weibchen bis zu 400 Eier in die so genannte Oothek ab, aus der nach fünf bis sechs Wochen die Larven schlüpfen.
- Größe: Die meisten Arten werden fünf bis sieben Zentimeter lang, wenige sogar bis 15 Zentimeter.
- Nahrung: Alle Fangschrecken sind Räuber. Sie fressen Fliegen, Heuschrecken, Wespen, Bienen und andere Insekten. Manchmal fressen sie sogar Artgenossen. Größere Fangschrecken erbeuten mitunter sogar kleine Reptilien, wie etwa Frösche.