Sie sind gut vorbereitet, die Theiß-Fliegen mit dem wissenschaftlichen Namen Palingenia longicauda. Denn sobald ihr Tag gekommen ist, muss alles klappen. Ganze drei Jahre – mehr als 1000 Tage! – harren sie am Grund des Flusses Theiß in Ungarn im Schlamm aus, als Larven. In winzigen Röhren, kaum dicker als Strohhalme und nicht länger als Kugelschreiber, vertilgen sie Pflanzenreste und wachsen heran. Ganz langsam.
Immer wieder müssen sie sich häuten, weil es ihnen in ihrer Hülle zu eng wird, rund 20-mal in den drei Jahren. Bis zu zwölf Zentimeter messen sie an ihrem großen Tag, wenn sie endgültig aus ihrer Haut schlüpfen. Damit sind die Theiß-Fliegen die größten Eintagsfliegen Europas.
Die Verwandlung: Von der Larve zur Eintagsfliege
Im Juni ist es schließlich so weit: Das Erwachsenenleben der Eintagsfliege beginnt – tatsächlich für nur wenige Stunden. Und die sind genau durchgetaktet. Das Startsignal dazu gibt den Tieren ihre innere Uhr: Nahezu zeitgleich schwimmen Tausende Larven vom Grund des Flusses an die Wasseroberfläche. An der Luft platzt ihre Haut auf, zum ersten Mal entfalten die Fliegen ihre vier Flügel – und heben ab.
Zigtausende Fliegen schwirren nun über den Fluss. Die Männchen verlassen das Wasser sofort und lassen sich auf den Blättern eines Baumes oder Strauches nieder, um sich ein letztes Mal zu häuten. Diesen großen Augenblick im Leben aller Insekten nennt man Metamorphose, also Verwandlung. Aus der Larve wird ein Imago, ein ausgewachsenes Insekt.

Eintagsfliegen müssen sich schnell fortpflanzen
Nun sind die Fliegen geschlechtsreif. Wenige Minuten später hängen ihre leeren Hüllen wie kleine, weiße Schleier zwischen den Blättern. Die Tiere selbst sind dann längst verschwunden. Sie haben es eilig, nicht einmal zum Schlafen oder Fressen bleibt ihnen Zeit. Das ginge auch gar nicht mehr: Mit der Verwandlung zur Fliege hat sich der Darm der Tiere so verändert, dass keine Nahrung mehr hindurchpassen würde. An diesem Tag kommt es also nur auf eines an: Die Fliegen müssen sich fortpflanzen!
Deshalb sausen die Männchen zurück zur Wasseroberfläche, wo die ersten Weibchen auftauchen – bereit zur Paarung. Es ist der Höhepunkt des Tages, des ganzen kurzen Daseins. Wie wild fliegen Massen von Männchen auf unzählige Weibchen, die Wasseroberfläche ist bedeckt von tanzenden Insekten. Ein Leben wie im Rausch.
Jähes Ende: Ist die Mission erfüllt, sterben die Insekten
Nach gut einer Stunde ist das Spektakel vorüber. Und mit ihm das kurze Leben der Männchen. Weil ihre zarten Körper danach wie Blütenblätter auf der Wasseroberfläche treiben, heißt dieses Naturereignis „Theiß-Blüte“. Jedes Jahr lockt es zahlreiche Besucher an den Fluss.
Für die Weibchen hingegen ist der Tag noch nicht vorbei. Sie müssen sich um den Nachwuchs kümmern und fliegen dazu in einer großen Wolke flussaufwärts, oft mehrere Kilometer weit. Dabei berühren sie ab und zu das Wasser und legen einige ihrer 9000 winzigen Eier ab. Ist die Mission erfüllt, sterben auch sie.
Die befruchteten Eier sinken derweil hinab ins Flussbett der Theiß. Nach vier bis sechs Wochen schlüpfen kleine Larven, die sich in den Grund eingraben und zu fressen beginnen. Sie bereiten sich vor – auf ihren großen Tag in drei Jahren.