Anzeige
Anzeige

Wenn Tiere ein Zuhause suchen

Zu frech, zu haarig, zu verfressen, zu lästig: Es gibt viele Gründe, warum Menschen ihre Haustiere nicht mehr haben wollen. GEOlino schaute sich in einem Tierheim für euch um

Inhaltsverzeichnis

Hilde versteht die Welt nicht mehr. Die Terrier- Hündin war gerade geboren, da hatten ihre Besitzer nur eines im Sinn: Sie wollten die Kleine so schnell wie möglich loswerden. Mit gerade mal vier Wochen landete Hilde auf der Straße – ausgesetzt! Hilfslos tapste der Winzling umher, bis mitleidige Spaziergänger ihn hierher brachten: ins Heim des Hamburger Tierschutzvereins. Hier wohnt Hilde jetzt im Welpenhaus. Und wartet mit Kulleraugen darauf, dass jemand ihr eine neue Chance gibt.

Rund um die Uhr im Einsatz

Die mehr als 80 Mitarbeiter des Tierheims in der Süderstraße könnten unzählige solcher traurigen Geschichten erzählen. Ihr Heim ist eines der größten Tierschutzzentren Europas: eine 40 000 Quadratmeter große "Rettungsinsel" für all jene Tiere, die niemand mehr will. 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr sorgen die Helfer für ihre verlassenen Schützlinge.

Das Tierheim wirkt fast wie ein kleines Dorf: Es gibt Hunde-, Katzen-, Kleintier- und Reptilienhäuser, Krankenstationen, lange Wege, grüne Beete, einen Teich. Über 10 300 Tiere wurden im Jahr 2005 an der Tierannahme abgegeben – unter ihnen rund 2000 Katzen, 1200 Hunde und 850 Kaninchen.

Zuerst müssen sie zum Arzt. An diesem Morgen schimpft bereits ein junges Mauswiesel auf dem Untersuchungstisch. Tierärztin Urte Hitzer ist heute für die Kontrolle zuständig. Während ein Pfleger den Schreihals festhält, begutachtet die Ärztin dessen Augen und Zähne, tastet ihn nach Verletzungen ab und durchsucht sein Fell nach Flöhen und Läusen. "Er ist kein Baby mehr. Aber drei bis vier Wochen wird er bleiben müssen. Denn ohne Mutter hat das Jungtier kaum eine Überlebenschance", erklärt die Ärztin, bevor das Wiesel in die Kleintierstation überwiesen wird.

Wenn irgendwo in Hamburg Tiere in Not sind, rückt Heiko Nauschütz mit seinem grünen Transporter aus: Diesmal hat er ein Mauswiesel mitgebracht
Wenn irgendwo in Hamburg Tiere in Not sind, rückt Heiko Nauschütz mit seinem grünen Transporter aus: Diesmal hat er ein Mauswiesel mitgebracht
© Eva Häberle

Vielleicht kommt Herrchen doch wieder

Alle Neuankömmlinge müssen die Untersuchung bei Tierärztin Urte Hitzer über sich ergehen lassen
Alle Neuankömmlinge müssen die Untersuchung bei Tierärztin Urte Hitzer über sich ergehen lassen
© Eva Häberle

Der nächste Patient gibt vor Angst keinen Mucks von sich. Mit todtraurigem Blick lässt der Schäferhund-Mischling die Untersuchung über sich ergehen und zuckt auch nicht, als Urte Hitzer ihm eine Spritze mit einer Impfung ins Fell drückt: "Neulinge wie dieser Rüde werden in den ersten sieben Tagen nicht weitervermittelt. Wenn er Glück hat, kommt in dieser Zeit der Besitzer, um ihn abzuholen. Wenn nicht, suchen wir ein neues Herrchen für ihn", sagt die Ärztin und krault den Mischling aufmunternd.

Die Tiere, die Urte Hitzer und ihre Kollegen hier verarzten, kommen aus den unterschiedlichsten Gründen in die Süderstraße.

Viele Gründe für die Abschiebung ins Tierheim

Kaninchen Gerry etwa: Seine Familie zog um – und Tiere waren in der neuen Wohnung nicht erlaubt. Zwergente Schnatterinchen wurde abgegeben, weil der Besitzer sich vor der Vogelgrippe fürchtet. Viele Hunde sind hier, weil die Herrchen mit der Erziehung ihres Vierbeiners überfordert waren. Andere Tiere verloren ihr Zuhause, als ihr Halter starb.

Meist stimmen diese Geschichten. Manchmal aber auch nicht. Manchmal kommen Menschen in die Süderstraße, die behaupten, eine Katzenhaar-Allergie zu haben – in Wirklichkeit ist ihnen ihr Vierbeiner aber einfach lästig geworden. Ganz Dreiste geben einen Hund ab und behaupten, sie hätten ihn irgendwo gefunden. In Wirklichkeit ist es ihr eigener.

Außergewöhnliche Gäste

Eine Tonne Pansen verfressen in jeder Woche die Hunde. Die Kleintiere verputzen derweil 20 Kisten Salat, der ihnen in kleinen Näpfen serviert wird
Eine Tonne Pansen verfressen in jeder Woche die Hunde. Die Kleintiere verputzen derweil 20 Kisten Salat, der ihnen in kleinen Näpfen serviert wird
© Eva Häberle

Auch ungewöhnliche Gäste landen manchmal im Tierheim: der Emu "Ina", vier Vogelspinnen. Oder sieben Rennpferde, deren Besitzer ins Gefängnis musste.

Vor wenigen Tagen gab eine Frau über 80 Hausratten ab. "Und ein paar Weibchen haben uns gleich mit Nachwuchs überrascht!", erzählt die Tierpflegerin Sabine Pfeiffer, während sie in der Küche des Hauses Möhren, Paprika, Fenchel und Salat schnippelt – das Frühstück für die Ratten, Meerschweinchen, Kaninchen und das Chinchilla. Im Kleintierhaus wird es vor allem im Frühjahr eng. " In dieser Zeit sind viele Tiere, die zu Weihnachten verschenkt wurden, plötzlich nicht mehr interessant und werden bei uns abgegeben", sagt Sabine Pfeiffer. Damit es nicht noch mehr unerwünschten Nachwuchs gibt, werden manche Tiere auch kastriert, also unfruchtbar gemacht.

Neues Zuhause

Im Katzenhaus schlendern bereits die ersten Besucher von Käfig zu Käfig: Sie suchen ein Haustier, das zu ihnen passt. Auch das ist eine wichtige Aufgabe des Heimes – die Tiere sollen an neue Besitzer vermittelt werden. Manche der Katzen laufen gleich auf die Besucher zu, also wollten sie sagen: "Nimm mich!" Andere betrachten die Fremden misstrauisch aus den Augenwinkeln. Fast scheint es, als hätten sie die Nase voll von den Menschen. "Pro Woche finden wir für 20 bis 40 Katzen ein neues Zuhause", erzählt die Leiterin des Katzenhauses Hannelore Hischer und steckt dem kranken Kater Puschel liebevoll einen Drops zu. Puschel hat nur noch drei Beine. "Aber ich werde auch für ihn jemanden finden", sagt sie überzeugt.

Katzenkinder wollen vor allem eines – spielen!
Katzenkinder wollen vor allem eines – spielen!
© Eva Häberle

Verantwortungsvolle Bewerber

Manchmal wird es in den Käfigen des Hamburger Tierheims eng. Trotzdem geben die Pfleger die Hunde erst dann her, wenn sie sich überzeugt haben, dass sich die neuen Besitzer gut um die Tiere kümmern
Manchmal wird es in den Käfigen des Hamburger Tierheims eng. Trotzdem geben die Pfleger die Hunde erst dann her, wenn sie sich überzeugt haben, dass sich die neuen Besitzer gut um die Tiere kümmern
© Eva Häberle

Trotz voller Käfige achten die Pfleger genau darauf, wem sie ihre Schützlinge anvertrauen. Jeder Bewerber muss einen Fragebogen ausfüllen und angeben, wie lange er jeden Tag arbeitet. Denn wer nur selten zu Hause ist, sollte sich weder Hund noch Katze, Kaninchen oder Meerschweinchen anschaffen – die brauchen Spielgefährten und Familienanschluss. Gesellige Vögel wie Wellensittiche gibt Sabine Pfeiffer sowieso nur als Pärchen ab. Und wer eine Schlange haben will, muss erst die Tierinspektoren des Heimes zu sich nach Hause lassen und ihnen zeigen, dass sein Terrarium groß genug ist.

Manche Tiere werden das Heim nie mehr verlassen: die 16 Jahre alte Katze Nelly etwa und Manfred, der Dalmatiner mit der schwachen Blase. Sie gehören zur "Rentnertruppe" und werden nicht mehr abgegeben. Die kleine Hilde dagegen hat ihr ganzes Leben noch vor sich. Sehnsüchtig wartet sie auf jemanden, der ihr mit viel Liebe beweist, dass der Mensch auch der beste Freund eines Hundes sein kann.

GEOLINO EXTRA Nr. 8/2006 - Unsere Tiere

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel