Es gibt Tiere, über die werden hartnäckig Märchen erzählt. Über Chamäleons zum Beispiel. Denen wird oft nachgesagt, sie könnten sich jedem x-beliebigen Untergrund anpassen: Setzt sie auf einen Schottenrock, und sie werden grün-rot-kariert. Haltet sie vor eine Blümchentapete, und auf ihrem Körper sprießen Blütenmuster. Ganz so, als wären Chamäleons lebende Farbkopierer. So viel vorweg: Sie sind es nicht. Aber "schillernde Persönlichkeiten" sind sie trotzdem.
Es gibt wohl keine Echse, die abwechslungsreichere Farben trägt als das Chamäleon. Die meiste Zeit dienen die Sprenkel und Streifen zur Tarnung: Mit seinen braunen, grünen, türkisfarbenen und gelben Hautschuppen ist etwa das ostafrikanische Dreihorn-Chamäleon in den Regenwäldern Kenias fast unsichtbar. Das Wüstenchamäleon Chamaeleo namaquensis in der baumarmen Savanne trägt dagegen lieber sandfarbene und hellbraune Töne.
Weitere Fotos
Allerdings reicht oft bereits das Zusammentreffen eines Männchens mit einem Weibchen - und schon explodieren die Farben! Rote, gelbe, grüne Tupfen oder Streifen flammen dann auf der Haut des Männchens und signalisieren: "Ich bin der Größte." Bekommt die Umworbene daraufhin einen roten Kopf, heißt das jedoch: "Kein Interesse!" Auf diese Art "unterhalten" Chamäleons sich regelrecht - nur mit ihren Farben. Denn die Tiere sind fast taub.
Die bunten Echsen können ihr Schuppenkleid aber nicht beliebig an-, aus- oder umschalten:
Die Farbwechsel sind abhängig von äußeren Umständen wie Licht und Wärme oder von Gefühlen wie Wut, Angriffslust, Angst oder Liebeswerbung. Dann nämlich senden die Echsen Nervenimpulse Richtung Haut, zu speziellen Farbzellen. Die enthalten so genannte Pigmente, also winzige Farbkörnchen. Die Pigmente geraten daraufhin in Bewegung und können in höhere Hautschichten aufsteigen oder absinken und bewirken so die Färbung.
Die Familie der "Farbwechsler" ist weit verbreitet. Mindestens 160 Arten leben auf dem afrikanischen Festland, auf Madagaskar, auf der Arabischen Halbinsel, Indien, Sri Lanka, auf den Seychellen und rund ums Mittelmeer. Man trifft sie in der Wüste, in Regenwäldern und in Gebirgszonen.
Den Menschen waren die Echsen mit den Glubschaugen immer ein bisschen unheimlich: In Ostafrika feierten die Einheimischen jeden als tapferen Helden, der sich traute, einem Dreihorn-Chamäleon ein Horn abzuschneiden. Und die alten Griechen hofften auf Regen und Donner, wenn sie ein Chamäleon über Eichenholz schmorten. Sie gaben den Tieren auch ihren Namen: "Chamaileon" heißt übersetzt "Erdlöwe". Wie die Griechen wohl darauf kamen? Dabei haben die kleinen Echsen mit Löwen herzlich wenig gemeinsam.
Weitere Fotos
"Zungenschießer" wäre eigentlich ein treffenderer Name. Denn die Chamäleons beherrschen eine geniale Jagdtechnik: Wollen sie eine Fliege fangen, "schießen" sie einfach ihre überdimensionale Zunge auf die Beute! Rund 65 km/h schnell ist der Muskel, und er ist mitunter so lang wie das gesamte Chamäleon. Die Zungenspitze ist verdickt und stülpt sich wie ein Saugnapf über das Opfer. Und im Bruchteil einer Sekunde zischt sie zurück ins Maul. Die Lasso-Zunge funktioniert allerdings erst bei einer bestimmten Körpertemperatur. Chamäleons sind wechselwarme Tiere: Ihre Körper sind immer so kalt oder warm wie die Luft. Deshalb sind die Tiere nach einer kühlen Nacht total lahm und müssen erst mal Sonne tanken.
Und dabei hilft ihnen wieder - ein Farbtrick: Ihre Schuppen färben sich ganz dunkel. Denn je dunkler die Oberfläche ist, desto besser heizt sie sich auf. Erst wenn die richtige "Betriebstemperatur" erreicht ist, nimmt das Chamäleon wieder seine normale Farbe an. Obwohl: Was heißt bei diesen Tieren schon "normal"?