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Meeresriese in Gefahr
Als Tierschützer den Wal am 14. Januar 2009 vor der Küste des US-Bundesstaates Georgia entdeckten, ist er im wahrsten Wortsinn verschnürt wie ein Postpaket. Fingerdicke Fischerei-Leinen hängen dem 12 Meter langen Bridle rechts und links aus dem Maul. Andere laufen über seinen Kopf, schneiden ihm in die Lippen, wickeln sich um seine linke Brustflosse und verknoten sich zu einem Riesenknäuel, das er wie einen Bremsklotz links neben seinem Kopf herzieht.

Der Wal kann weder fressen, noch beschwerdefrei schwimmen.
Er ist dem Tode geweiht, sein Lebenswille aber ungebrochen – zum Leidwesen der Biologen, Tierärzte und Umweltschützer vom "Netzwerk zur Rettung verhedderter Großwale". Sie fahren gleich mehrere Male auf das Meer hinaus, um Bridle aus seinem Seilkorsett zu befreien.
Doch wann immer sich ihre Schlauchboote dem verletzten Tier nähern, taucht der Wal ab und verschwindet in der Tiefe.
Bridle: Waghalsige Rettung
Wie aber hält man einen frei schwimmenden Wal auf, der so lang ist wie ein Linienbus? Bei manchen Tieren genügt es, große Bojen an den Enden der Seile zu befestigen, in denen sie gefangen sind. Will der Wal dann abtauchen, bremsen ihn die Bojen aus. Er wird müde und lässt die Retter an sich heran. Nicht so Bridle! Der Nordkaper ergreift die Flucht, sobald er die Boote in seiner Nähe spürt. Den Walschützern bleibt nur ein Ausweg: Sie müssen den Wal mit Medikamenten betäuben – oder genauer gesagt, beruhigen. Vollständig einschlafen darf das Tier nicht, sonst liefe es Gefahr zu ertrinken.
Mit einem neu entwickelten Betäubungsgewehr schießen die Wissenschaftler dem Wal eine Riesenspritze in den Rücken. Geht der Plan der Experten Plan auf? Das Risiko ist groß, denn niemand hat das Gewehr zuvor an einem lebenden Wal testen können. Ungewiss ist zudem, wie groß die Medikamentendosis sein muss, um dem Wal seinen Fluchtinstinkt zu nehmen.
Beim ersten Versuch zeigt die Spritze keine Wirkung. Nach dem zweiten aber scheint Bridle wie betrunken. Die Boote stören ihn nicht mehr. Er lässt die Tierschützer so weit an sich heran, dass sie das Seilknäuel an seinem Kopf mit einer Messerlanze zerschneiden können. Die Retter liegen sich vor Freude in den Armen. Die Premiere ist gelungen.

Seilfalle, Steckbrief & Video
Mit dem Betäubungsgewehr haben die Walschützer zum ersten Mal eine Methode gefunden, mit der sie die verhedderten Riesen schnell und relativ schmerzfrei aus dem gefährlichen Seilsalat befreien können. Ein enorm wichtiger Fortschritt.
Die Seilfalle

Denn wie Bridle verfangen sich 72 von 100 Nordkaper wenigstens einmal in ihrem Leben in Fischerei-Leinen. Die vielen vernarbten Schnittwunden an Kopf, Schwanz oder Flossen beweisen es.
Der Grund dafür: Fischer haben an der Ostküste Nordamerikas zahllose Stellnetze und Hummerfallen aufgestellt. Deren Leinen verfangen sich in den Barten der Wale, wickeln sich um ihre Flossen und bringen die Tiere in Lebensgefahr
Steckbrief Nordkaper
Allgemein: Atlantische Nordkaper, wissenschaftlich Eubalaena glacialis, sind die seltensten Großwale der Welt. Es gibt nur weniger als 400 Tiere dieser Art.
Größe und Gewicht: Die Wale werden bis zu 17 Meter
lang und bis zu 95 Tonnen schwer. Sie besitzen keine Rückenflosse.
Nahrung: Die Tiere müssen pro Tag rund 1000 Kilogramm Krebse aus dem Wasser filtern, um zu überleben.
Besonderheit: Bis ins Jahr 1950 wurden die Wale in Bü- chern falsch herum abgebildet. Der Grund: ihre hängenden Mundwinkel. Man wollte, dass die Tiere lächeln.

Seht selbst, wie Bridle betäubt wurde:

Copyright: NOAA Fisheries Service