VG-Wort Pixel

Streitschlichter: Helfen statt wegschauen

An vielen Schulen in Deutschland gibt es sie inzwischen: Streitschlichter. Das sind Schüler, die eingreifen, wenn ihre Mitschüler sich in die Haare kriegen. Und das mit deutlich mehr Erfolg als Lehrer mit Strafarbeiten und Verweisen. Simon und Monika sind zwei der Schüler, die sich an das Abenteuer "Streitschlichtung" gewagt haben

Inhaltsverzeichnis

Streitschlichten muss man lernen

Es ist Montagmorgen, große Pause. Michael trottet schlecht gelaunt über den Pausenhof. Schon wieder eine Fünf in Mathe, das gibt Ärger mit den Eltern. Auf der anderen Seite des Platzes spielt Amad mit seinen Kumpels Fußball. Es geht heiß her, sie achten kaum darauf, was um sie herum geschieht. Es ist keine Absicht, aber schon ist es passiert. Amad ist mit voller Wucht in Michael gerannt. Der Ball ist verloren. Beide sind sauer. Wutentbrannt starren sie sich an. Dass einige der herbeigelaufenen Jungs schreien: "Prügelt euch, prügelt euch", hilft nicht gerade die Situation zu entspannen. Einige Schüler würden gern vermitteln, werden von den anderen aber gleich mit Buuh-Rufen bedacht: "Spielverderber, haut doch ab, wenn ihr feige seid".

Zum Glück gibt es heute Streitschlichter

Damals, vor vier Jahren, wollte Simon helfen, wurde aber noch abgehalten; vom Gruppenzwang und von andern Schülern, die sich eine Prügelei ansehen wollten. Heute ist Simon 15 Jahre alt und geht ihn die 9. Klasse der Gesamtschule Fischbek südlich von Hamburg. Heute kann ihn keiner mehr abhalten zu helfen und Streits zu verhindern. Denn Simon ist Streitschlichter. Genauso wie seine Mitschülerin aus der Parallelklasse, Monika.

Monika und Simon, Streitschlichter aus der 9. Klasse der Gesamtschule Fischbek
Monika und Simon, Streitschlichter aus der 9. Klasse der Gesamtschule Fischbek
© Nadine Eckert

Wie funktioniert eigentlich Streitschlichten?

Als Streitschlichter tragen Monika und Simon viel Verantwortung. Deshalb wurden sie zusammen mit zwölf Mitstreitern richtig für ihren Job als Streitschlichter ausgebildet. Zwei Wochenenden lang gab es viel zu lernen. "Das erste Wochenende war der härteste Teil der Ausbildung, erzählt Simon, da haben wir uns ganz viel unterhalten, über Konflikte und Konfliktlösung". Beim zweiten Treffen mussten dann sogar Konflikte nachgespielt werden. Eine richtige Prüfung im Streitschlichten stand auch noch an. Drei Regeln sind besonders wichtig für Streitschlichter:

  1. Jeder lässt jeden aussprechen, Schimpfwörter sind verboten
  2. Streitschlichter sind immer neutral, sie halten nicht zu einem der Streitenden
  3. Das Gespräch ist vertraulich, die Streitschlichter dürfen niemandem etwas von der Schlichtung erzählen

Vertragliche Vereinbarungen

Wenn Simon und Monika heute in ihren roten Streitschlichter-Pullis über den Pausenhof laufen, müssen sie keiner Prügelei mehr zusehen. Sie wissen genau, wie sie auf die streitenden Mitschüler zugehen müssen. Und haben gelernt, was sie sagen können, damit sich die erhitzten Gemüter wieder abkühlen. Besonders wichtig ist dabei der Vertrag. Ein Vertrag, den die Streitschlichter zusammen mit den Streithähnen ausfüllen. Er beschreibt den Hergang des Streits und auch die Lösung, auf die alle sich geeinigt haben. "Und an diesen offiziellen Vertrag halten sich dann auch alle", meint Simon stolz.

Warum die ganze Mühe?

Eine ganze Menge muss man als Streitschlichter können und auch durchhalten. Denn wenn man einmal dabei ist, kann man nicht einfach wieder aussteigen. Auch nicht, wenn man keine Lust mehr hat. Warum wollten die beiden trotzdem Streitschlichter werden? Die Ausbildung zum Streitschlichter ist an der Gesamtschule Fischbek nur ein Teil eines ganzen Programms. In diesem Programm, das von der 5. bis zur 10. Klasse geht, lernen die Schülerinnen und Schüler viel über das Zusammenleben. Wie sie besser miteinander umgehen können und wie sie Konflikte ohne Gewalt lösen. "Es ist schön den Kleinen zu helfen", meinen Simon und Monika. Und bestimmt fühlen sich alle Schüler an der Schule in Fischbek sicherer und wohler seit die Streitschlichter unterwegs sind. Streitschlichter zu werden ist eine tolle Sache, das ist klar. Schließlich helfen die Jugendlichen Gewalt zu vermeiden und sorgen für ein friedliches Miteinander in der Schule. Und ganz nebenbei bringt so eine Ausbildung zum Streitschlichter auch Vorteile für später. Zum Beispiel, wenn es mal darum geht, sich für einen Ausbildungsplatz zu bewerben.

Hier seht ihr ein Beispiel: So einen Vertrag müssen die Streithähne miteinander abschließen um den Konflikt beizulegen
Hier seht ihr ein Beispiel: So einen Vertrag müssen die Streithähne miteinander abschließen um den Konflikt beizulegen
© Gesamtschule Fischbek

Warum wird eigentlich gestritten?

"Vor allem Kleinigkeiten lösen Streit aus", erzählen Monika und Simon. Besonders die jüngeren Kinder kriegen sich schon mal in die Haare. "Ein Mädchen plaudert aus, dass ihre Freundin in einen Jungen aus der Parallelklasse verknallt ist. Und das hatte ihr die Freundin doch nur unter strengster Geheimhaltung anvertraut". Das gibt Zoff. "Und bei kleinen Kindern wird das schnell zur großen Sache". Wirklich schlimme Vorfälle haben die beiden Streitschlichter aber glücklicherweise noch nicht erlebt.

Probleme beim Streitschlichten

Das die Streitschlichter an Simons und Monikas Schule schon seit Jahren gute Arbeit leisten merkt man. Viele Schüler kommen bei Streitigkeiten ganz von selbst zu den Schlichtern, um sich helfen zu lassen. Das man den Streitschlichtern vertrauen kann ist bekannt. Einige Schüler haben das Konzept allerdings auch falsch verstanden: "Ein Mädchen musste sogar ein Verbot kriegen, erzählt Simon, die ist wirklich wegen jeder Kleinigkeit gekommen". Andere machen sich einen Spaß daraus, Streits vorzutäuschen, um die Streitschlichter zu ärgern. Auch mit solchen Schwierigkeiten muss ein Streitschlichter klarkommen.

Ein Streitschlichter verhindert, dass eine Auseinandersetzung handgreiflich wird
Ein Streitschlichter verhindert, dass eine Auseinandersetzung handgreiflich wird
© Enno Kapitza

Mehr zum Thema