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Alexandra geht in Berlin in die Schule. In ihrer Klasse ist ein Mädchen, das Katja heißt. Katja hat es schwer. Erst kürzlich haben ein paar Jungs ihren Turnbeutel in den Müll geworfen. Das wollte Alexandra nicht mit ansehen. "Ich habe mir noch zwei andere Freundinnen geholt und zu den Jungs gesagt, dass ich das nicht in Ordnung finde", erzählt sie. "Dann haben wir uns bei Katja entschuldigt." Doch damit ist noch lange nicht Schluss. "Cassie, die Anführerin, hat den Jungs Bonbons und Geld gegeben, damit sie Katja fertig machen", sagt Alexandra weiter. Auf dem Heimweg von der Schule sind sie ihr hinterhergelaufen, haben sie getreten und ihr ins Gesicht geschlagen.
Irre cool auf Kosten anderer
Was Katja erlebt, heißt Mobbing. "Mobbing ist, wenn einer irre cool dastehen will und sich mit Unterstützung einer Gruppe einen aussucht, den er fertig macht", sagt Experte Walter Taglieber. Dazu gehört nicht nur rohe Gewalt, wie sie Katja erlebt. Meistens fängt es ganz harmlos mit ein paar Sticheleien an. Ein Mädchen - nennen wir es Marion - wird gehänselt: "Hast du die Bluse aus dem Roten Kreuz Container?" Bald kommt dann der Ausruf: "Du stinkst!" Dann fliegen die ersten Papierkügelchen. Zettel gehen herum, auf denen steht, Marion würde sich nie waschen. Und so geht es immer weiter. Dabei hat Marion ganz normale Kleidung an wie alle anderen, und natürlich wäscht sie sich auch.
Selbsbewusstsein auftanken
Opfer von Mobbing können also gar nichts dafür, dass sie so behandelt werden. "Derjenige, der mobbt, will sein Selbstbewusstsein auftanken, die Langeweile vertreiben und Spaß haben", sagt Experte Taglieber. Der "Mobber" sucht sich immer einen Schwächeren aus, den er ärgern kann: Zum Beispiel jemanden, der neu ist und deshalb noch nicht viele Freunde hat. Damit alles klappt, braucht er aber Unterstützung. Meistens gibt es noch ein paar andere, die mithelfen. Alexandra erzählt, dass es den Jungs an ihrer Schule "total Spaß gemacht" hat, Katjas Turnbeutel in den Müll zu werfen. Dann gibt es aber auch noch Kinder und Jugendliche, die es eigentlich nicht in Ordnung finden, wenn jemand so fertig gemacht wird. Aber sie halten sich raus.
Mobbing geht auch ohne Gewalt
"Genau die machen es möglich, dass es immer weiter geht", sagt Experte Taglieber. Denn statt "Stop!" zu rufen, schauen sie einfach zu. So kann Mobbing über Jahre andauern. Katja wird schon seit der 3. Klasse gehänselt, geärgert, getreten, bedroht; ihre Sachen werden kaputt gemacht und ihr Ruf ist hin. Selbst wenn keine körperliche Gewalt angewendet wird, kann man schon von Mobbing sprechen. Anzeichen sind auch, wenn niemand mit dir spricht und du ausgeschlossen wirst. Irgendwann ist das Selbstbewusstsein im Keller, alle Freunde sind weg. Marion glaubt, dass sie wirklich stinkt. Sie hat Angst davor, in die Schule zu gehen, bekommt Kopf- oder Bauchschmerzen, kann nicht mehr richtig lernen. Heike Schiganow ist Lerntherapeutin in Berlin. Sie kennt Kinder und Jugendliche, die zittern und Schweißausbrüche bekommen, wenn sie in die Schule müssen. Irgendwann geht es gar nicht mehr - und sie schwänzen. Da verpassen sie nicht nur viel Lernstoff; es ist auch illegal, wenn sie die Schule verweigern.
Drei Kinder pro Klasse mobben
Mobbing kratzt also an Gesundheit und Selbstvertrauen. Deshalb kann man, wenn es richtig schlimm wird, auch vor Gericht klagen. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht nämlich als Allererstes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Damit ist unter anderem gemeint, dass niemand respektlos behandelt und erniedrigt werden darf. Trotzdem ist Mobbing an deutschen Schulen ein Problem. Reimer Knaack, Diplom-Psychologe im Schulpsychologischen Dienst Ratzeburg, hat herausgefunden: "Bis zu drei Kinder in einer Klasse geben zu, regelmäßig zu mobben. Genauso viele Kinder werden gemobbt." Bei der kostenlosen "Nummer gegen Kummer" für Kinder und Jugendliche melden sich in Berlin etwa 300-350 Kinder im Jahr, die mit Mobbing zu tun haben. Aber das sind nur die Fälle, die bekannt werden. Die Meisten, weiß Experte Taglieber, schämen sich dafür, dass sie gemobbt werden und wollen nicht darüber reden.
Hilfe holen
Aber damit Mobbing aufhört, muss man sich Hilfe holen: bei Freunden, bei den Eltern, bei den Lehrern, vielleicht sogar bei der Schulleitung. "Da kommt man ganz schwer allein wieder raus", sagt Taglieber. Diejenigen, die nur zuschauen, wie jemand anders gemobbt wird, das aber nicht richtig finden, sollten für den Schwächeren einstehen. Wenn ihr schnell genug helft, können Schülerinnen wie Marion und Katja wieder ohne Angst in die Schule gehen.
Was könnt ihr gegen Mobbing tun?
Wenn du siehst, dass jemand gemobbt wird:
- Es gar nicht erst so weit kommen lassen! Freunde holen, sich in einer Gruppe zusammenschließen, die stärker ist als der Angreifer und sagen: Los, hör auf!
- Erwachsene informieren: Eltern, Lehrer, den Schulleiter. Schildert die Situation und bittet um Hilfe.
Wenn du selbst gemobbt wirst:
- Tagebuch führen: Schreib genau auf, wer was wann wo gemacht hat und wer dabei zugesehen hat. Dann hast du Zeugen und etwas in der Hand, mit dem du nachweisen kannst, was passiert ist.
- Verbündete suchen: Bitte deine Freunde oder Geschwister um Hilfe.
- Erwachsene informieren: Eltern, Lehrer, den Schulleiter. Schildere die Situation und bitte um Hilfe.
- Wenn du beklaut oder erpresst wirst, informiere deine Eltern. Du kannst auch zur Polizei gehen.
- Wenn du nicht mehr weiter weißt, ruf an: Die Nummer gegen Kummer, bundesweit von Montag bis Samstags von 14 bis 20 Uhr: 0800-111 0 333. Außerdem erreichst du die Nummer gegen Kummer auch über Handy und Festnetz unter 116 111. Der Anruf ist kostenlos und bleibt anonym.