Herr Leisen, die Mauern der berühmten Tempelanlage von Angkor Wat sind mit zahlreichen Bildern von Apsara-Tänzerinnen verziert. Wie haben Sie die Sandstein-Reliefs Mitte der 1990er Jahre vorgefunden?
Mehr als 600 der insgesamt 1850 Apsaras waren so stark geschädigt, dass täglich größere Teile verlorengehen konnten und auch gingen. Oder sie waren schon so verwittert, dass sie nur noch in Teilen erhalten waren. Daran ist vor allem die sogenannte Schalenbildung Schuld. Die ist sehr tückisch: Der Steinblock verwittert im Innern, in zwei bis fünf Zentimeter Tiefe. Lange Zeit ist der Schaden nicht sichtbar, und wenn man ihn erkennt, ist es oft schon zu spät. Denn in den Schalen bilden sich Risse, und immer wieder fallen kleinere oder größere Bröckel heraus. Hinzu kommen Fehler, die bei einer früheren Restaurierung gemacht wurden. Man hatte viel Zement eingesetzt und die Reliefs mit einem Kunstharz überzogen. Beides schadet viel mehr, als dass es hilft!

Was können Sie tun, um die Apsaras zu retten?
Zunächst haben wir allen Apsaras Noten gegeben: Eins heißt "sehr gut erhalten", eine Fünf steht für "extrem gefährdet", eine Sechs für "vollkommen verwittert". Dann haben wir eine Karte erstellt, damit die Restauratoren wissen, wo sie mit der Konservierung anfangen müssen. Nach diesem "Gefährdungsplan" haben wir 1997 viele Reliefs erst einmal notgesichert. So haben wir Zeit gewonnen für die Untersuchungen, die notwendig sind, und für die Entwicklung von Materialien, die wir zur Restaurierung brauchen.
Und wie gehen Sie konkret vor?
Die Steine werden untersucht, etwa mit Ultraschall, und ihre Festigkeit gemessen. Dann müssen die Oberflächen von Algen und Moosen, Zement und Kunstharz befreit werden. Die Schalen werden schließlich mit dünnen Glasfaserstiften, die in kleine Löcher eingeklebt werden, vor dem Herabfallen gesichert; die mürben Stellen mit flüssigem Festiger stabilisiert. Dann bekommen die Apsaras Mörtel gespritzt. Das muss mehrmals wiederholt werden. Am Schluss kontrollieren wir unsere Arbeiten.
Wie viele Figuren haben Sie bislang behandelt?
Das kann ich nicht wirklich sagen, sicher aber mehr als 800 Stück. Dazu haben wir an zahlreichen anderen Tempeln, nicht nur bei Angkor Wat, Konservierungen durchgeführt. Insgesamt sind wir fast 30 Leute. Dazu kommen immer wieder Studenten von meiner Hochschule in Köln, aber auch von anderen Hochschulen aus Deutschland oder Europa. Wir sind sozusagen die Konservierungsfeuerwehr von Angkor!