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Zeitumstellung Sommerzeit: Die geklaute Stunde

Am 30. März beginnt die Sommerzeit. Dann wird zwischen zwei und drei Uhr nachts unser Leben um genau eine Stunde vorgestellt. Was macht das mit uns? Wir haben einen Wissenschaftler gefragt

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Die geklaute Stunde

Wenn der Hahn morgens den ganzen Bauernhof zusammenkräht, ist es ihm egal, was die Uhr anzeigt. Für ihn zählt nur der Stand der Sonne; ihre Strahlen sagen ihm, wann er den Schnabel öffnen soll. Wir Menschen leben dagegen nach der Uhr. Ihre Stunden, Minuten, Sekunden bestimmen unseren Alltag. Dabei ist es auch für uns enorm wichtig, wann die Sonne auf- und untergeht: Unser Körper ist genauso darauf eingestellt wie der des Hahnes. "Jeder Mensch hat eine innere Uhr, und die schert sich erst mal gar nicht darum, was auf den echten Uhren steht", sagt Till Roenneberg. Er ist Professor an der Universität in München und forscht darüber, wie viel Schlaf wir brauchen und was die Zeitumstellung mit uns macht. Und um es gleich vorwegzunehmen: Die Sommerzeit mag er nicht besonders.

Zeitumstellung: In der Nacht von Samstag auf Sonntag stellen wir die Zeit um
In der Nacht von Samstag auf Sonntag stellen wir die Zeit um
© Silke Dietze/E+/Getty Images

Die Idee, die Uhren Ende März um eine Stunde vorzustellen, hatte der spätere Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Benjamin Franklin (1706–1790), bereits vor über 200 Jahren. Sein Gedanke: Rückte man die Zeiger um eine Stunde vor, bliebe es abends länger hell. Also würde man auch weniger Kerzen verbrauchen. Dass diese Idee in die Tat umgesetzt wurde, erlebte Franklin allerdings längst nicht mehr. Denn erst ab dem Jahr 1916 gab es in Europa immer mal wieder Sommerzeit-Versuche. Fest eingeführt wurde die Zeitumstellung schließlich 1980. Bleibt die Frage: Wurde seither tatsächlich Energie gespart? Das ist in der Tat ungewiss, weil nicht wirklich messbar. Länger hell aber sind die Tage - und die Menschen genießen herrliche Sommerabende im Freien. Genau das ist aber gefährlich, sagt Till Roenneberg. Die späte Helligkeit gaukle unserem Körper vor, dass es früher am Abend wäre, als es tatsächlich ist. Wir gehen später ins Bett, als gut für uns ist.

Viele fühlen sich deshalb müder als normal. Meist sind es die Menschen, die sowieso zu den "Eulen" gehören. Eulen gehen spät ins Bett und schlafen entsprechend gern länger in den Vormittag hinein. Die "Lerchen" dagegen schütteln ihr Kopfkissen schon auf, bevor der Wecker überhaupt klingelt. Diese Frühaufsteher bekommen selten Probleme mit der Zeitumstellung. Deshalb steht für Till Roenneberg fest: "Die Sommerzeit ist von Leuten erfunden worden, die gern früh aufstehen." Und zu denen er selbst nicht unbedingt gehört. Er würde die Sommerzeit gern abschaffen. Denn er ist sich auch sicher, dass die deutsche Wirtschaft mehr Geld verdienen würde, wenn alle Arbeiter und Angestellten ausgeschlafener wären. So oder so: "Das Morgenlicht im Freien stellt die innere Uhr weiter vor", sagt Till Roenneberg. Das heißt: Gönnt euch zum Tagesbeginn so viele Sonnenstrahlen wie möglich - dann startet ihr gut! Wie der Hahn schließlich auch.

Besonders betroffene Menschen

Sommerzeit: Besonders betroffene Menschen

Manche Menschen betrifft die Sommerzeit besonders. Wir haben einen Bäckermeister, einen Bio-Bauer und einen Fahrdienstleister gefragt, wie sie mit der Zeitumstellung umgehen.

Achim Bossow, Bio-Bauer aus Pegestorf in Niedersachsen

An dem Sonntag, an dem die Zeit vorgestellt wird, fange ich nur eine halbe Stunde früher an. Trotzdem muss ich unsere 15 Kühe einzeln wecken - sie sehen nicht ein, dass sie schon aufstehen und aus dem Stall zum Melken gehen sollen. Abends passt es dann schon wieder. Dann haben sie sich daran gewöhnt.

Zeitumstellung: Die Kühe von Bauer Achim Bossow müssen sich auch an die geänderte Uhrzeit gewöhnen
Die Kühe von Bauer Achim Bossow müssen sich auch an die geänderte Uhrzeit gewöhnen
© Biohof Bossow

Gerhard Frankenstein, Bäckermeister aus Medelon in Nordrhein-Westfalen

Bäcker stehen ja sowieso immer sehr früh und vor allen anderen auf. Die meisten meiner Kollegen schimpfen und ärgern sich über die Zeitumstellung - und gähnen um die Wette. Sobald es hell wird, ist die Müdigkeit weg. Und um zehn Uhr machen alle Feierabend. Ich selbst habe überhaupt keine Probleme mit der Zeitumstellung.

Zeitumstellung: Bäcker arbeiten schon in den frühen Morgenstunden. Das Aufstehen nach dem Vorstellen der Uhr fällt Bäckermeister Gerhard Frankenstein aber nicht schwerer
Bäcker arbeiten schon in den frühen Morgenstunden. Das Aufstehen nach dem Vorstellen der Uhr fällt Bäckermeister Gerhard Frankenstein aber nicht schwerer
© Bäckerie Frankenstein

Michael Besser, Fahrdienstleiter im Frankfurter Hauptbahnhof

Durch die Zeitumstellung sind manche Züge natürlich verspätet. Ihre Höchstgeschwindigkeit ist im Fahrplan vorgegeben, daran können wir also nichts ändern. Durch sogenannte Fahrzeitreserven ist es aber möglich, einige Minuten wieder reinzuholen. Zum Glück sind um zwei Uhr nachts nur sehr wenige Züge betroffen - bei uns im Frankfurter Hauptbahnhof etwa nur vier.

Zeitumstellung: Den Fahrplan der Bahn gerät durch die Zeitumstellung ordentlich durcheinander. Fahrdienstleiter Michael Besser betreibt Schadensbegrenzung
Den Fahrplan der Bahn gerät durch die Zeitumstellung ordentlich durcheinander. Fahrdienstleiter Michael Besser betreibt Schadensbegrenzung
© Deutsche Bahn
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