Der Aborit (Theresa Ehrmaier, 11 Jahre)

Es war letzten Sommer als ich keine Lust mehr hatte die Mathehausi fertig zu machen, da sagte ich zu meiner Mutter: "Ich fahre mal kurz spazieren, um einen freien Kopf zu bekommen und komme bald wieder". Ich fuhr mit meinem Fahrrad in den nahegelegenen Wald und hoffte auf eine Abkühlung, denn es war ein heißer Nachmittag. Ich ging zur Bachquelle in der Mitte des Waldes, die mir mein Vater mal gezeigt hatte, um dort das Plätschern des Wassers anzuhören.

Als ich schon relativ nahe an der Bachquelle war, zuckte ich verschreckt zusammen. Mir war, als hörte ich eine Stimme. War da vielleicht noch jemand außer mir im Wald. Ich ging in die Hocke und blickte mich um. Es war nichts und niemand zu sehen. "Hilf mir, hilf mir" hörte ich. "Ist da jemand, komm raus und zeige dich!", rief ich ganz verstört. "Ich bin hier und stehe direkt vor dir". Ich drehte mich rundherum, sah aber nur lauter Bäume. Ich rief noch einmal: "Komm heraus und zeige dich!" "Aber ich bin doch direkt vor dir", hörte ich klar und deutlich aus der Richtung eines alten grauen Baumes. 'So jetzt habe ich dich, dachte ich bei mir und lief schnell um den Baum herum. Aber hinter dem Baum war niemand zu sehen. "Hallo" hörte ich klar und deutlich und glaubte zu sehen, dass sich die Astscheibe bewegt hatte. "Bäume können doch nicht reden", dachte ich laut. "Bäume nicht – aber ich schon – ich bin nämlich ein Arborit und ich habe ein Problem und du kannst mir dabei helfen", hörte ich aus der Astscheibe reden, die sich dabei auch noch bewegte. Mein Herz flatterte und rutschte mir fast in die Hose. Ein sprechender Baum, nein so was kann es nicht geben. 1000 Gedanken sausten plötzlich in meinem Kopf herum. Auch an dem Wort Arbor kamen meine Gedanken vorbei. Arbor, hieß auf Lateinisch doch Baum oder so. "Ich weiß, du hast Angst und du glaubst mir nicht. Aber Du brauchst keine Angst zu haben, ich tue dir nichts Böses. Ich bin ein Arborit und sehe aus wie ein Baum, aber ich bin keiner. Ich bin sowas wie ein Wanderer zwischen den Bäumen. Ja und ich kann auch mit Menschen sprechen, zumindest wenn ich will. Mit Bäumen spreche ich allerdings lieber", hörte ich den Baum reden. "Ich kann es immer noch nicht fassen", sagte ich zu dem Baum und war irgendwie innerlich schon etwas ruhiger, "Ein Baum, der sprechen kann – das glaube ich einfach nicht." "Ich bin kein Baum, sondern ein Arborit, ich kann sprechen und auch gehen, allerdings nur nachts, wenn mich keiner sieht. Aber das ist genau mein Problem und du kannst mir dabei helfen, sonst bin ich verloren."

Der Baum, also der Arborit, begann zu erzählen. Ich setzte mich auf einen Baumstumpf und hörte zu. "Ich hatte gestern eine Auseinandersetzung mit einem Holzfäller, der wollte mich umsägen und als er die Motorsäge bei mir ansetzte, hatte ich solche Angst, dass ich anfing zu schreien. Er war ebenso verblüfft wie du und ich versprach ihm eine Goldmünze wenn er mich nicht zersägte. Er band mich mit Ketten fest, damit ich nicht weglaufen konnte." Tatsächlich sah ich nun, wie um den Baum mehrere schwere Eisenketten gebunden und an anderen Bäumen festgemacht waren. "Er will morgen wieder kommen und das Gold holen, aber ich bin mir sicher, dass er mich trotzdem umsägen wird. Hilf mir! Binde mich los, damit ich weiterziehen kann", sagte der Arborit. Ich sagte laut zu mir, "Wenn das alles ist, das ist kein Problem". Ich nahm die Ketten vom Baum und der Arborit bedankte sich und sagte, dass er die Goldmünzen unter dem grauen Stein in der Quelle hinterlegen werde. Ich verließ dann zügig diesen Ort.

Am nächsten Nachmittag ging ich nochmal an diese Stelle, aber der große graue Baum war nicht mehr da. Die Erde war nur mit Laub bedeckt, es war auch kein Stumpf zusehen. Ich war verblüfft. Der Arborit hatte es durch meine Hilfe geschafft weiterzuziehen. Ich ging noch zur Quelle, sah einen grauen Stein, hob ihn auf und fand drei römische Goldmünzen darunter und dachte mir, in was für einer magischen Welt wir doch leben.

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