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Autos auf der Wasserstrasse

Das Autoterminal in Bremerhaven gleicht einem gigantischen Parkplatz mit mehr als 100.000 Neuwagen. Die meisten warten darauf, auf riesige Schiffen verfrachtet zu werden. Damit jedes Auto heil an sein Ziel gelangt, arbeiten Fahrer rund um die Uhr. Hier zeigen wir euch, wie!
Den Autoterminal in Bremerhaven passieren jährlich mehr als zwei Millionen Autos
Den Autoterminal in Bremerhaven passieren jährlich mehr als zwei Millionen Autos
© Christoph Engel und Knut Gielen

Stoßstange an Stoßstange, Außenspiegel an Außenspiegel

In schier endlosen Reihen parken die Autos am Hafenbecken. Aus der Ferne betrachtet, sieht das aus, als hätte ein Riese einen Noppenteppich ausgerollt. Die meisten Wagen sind nagelneu, der Parkplatz ist nur eine Station auf dem Weg zu den Käufern in der ganzen Welt. Einige warten auf ihre Seereise nach Asien und Amerika, andere – ausländische Modelle – fahren derweil vom Schiff, um vom Autoterminal in Bremerhaven an ihr Ziel in Europa zu gelangen.

Autos, die in Deutschland gebaut wurden, treffen auf Zügen in Bremerhaven ein
Autos, die in Deutschland gebaut wurden, treffen auf Zügen in Bremerhaven ein
© Christoph Engel und Knut Gielen

Mehr als zwei Millionen Autos passieren diesen Ort jedes Jahr. Das sind so viele Wagen, wie in Hamburg, Bremen und Berlin zusammen zugelassen sind.

Egal wann, ob um zwölf Uhr mittags oder um drei Uhr nachts, immer legen Schiffe am Verladeterminal an oder ab, lenken Fahrer Autos Schiffsrampen hinauf und hinunter, erleuchtet Flutlicht jeden Winkel, servieren Köche Currywurst in der Kantine. Denn jede Stunde, die ein Schiff im Hafen liegt, kostet Geld.

Die Liegegebühr beträgt bis zu 25 000 Euro pro Tag. Nicht gerade ein Schnäppchen. Darum ist hier immer Betrieb. Die Menschen arbeiten in drei Schichten: Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht. Natürlich werden in großen Häfen wie in Bremerhaven längst nicht nur Autos verladen.

Auch Jeans, Bananen und Kakao reisen über die Meere, eben 95 Prozent aller Güter, die weltweit ge- oder verkauft werden. Der Hauptgrund: Kein Zug, kein Flugzeug, kein Lastwagen bietet nur annähernd so viel Platz wie die bis zu 400 Meter langen Containerfrachter.

Die größeren Autoschiffe fassen 6000 Pkw

Handlichere Güter, die in Container passen, sind dagegen viel einfacher zu verfrachten. Schließlich ist eine solche Metallbox geräumig wie ein Zimmer, und auf die größten Containerschiffe der Welt, wie etwa die „Marie Mærsk“, passen mehr als 18 000 Stück davon!

Kein Wunder also, dass rund 100 000 Frachtschiffe auf den Wasserstraßen der Weltmeere unterwegs sind (siehe Karte rechts). Sie pendeln etwa zwischen Shanghai in China und Rotterdam in den Niederlanden oder zwischen Busan in Südkorea und eben Bremerhaven in Norddeutschland.

Sobald hier ein Autofrachter eintrifft, wird es hektisch. Denn dann müssen meist Tausende Autos von Bord gefahren werden. Ein Fahrer schafft bis zu 50 Fahrzeuge pro Schicht. Damit er nirgends anstößt, lotsen Einweiser ihn aus den engen Parklücken an Deck. Von dort geht es die Rampe hinab zum Scanner-Häuschen.

In die Parkhäuser, die sogenannten Regale, passen rund 7.000 Autos
In die Parkhäuser, die sogenannten Regale, passen rund 7.000 Autos
© Christoph Engel und Knut Gielen

Jeder Wagen trägt dafür einen Strichcode, der ihn unverwechselbar macht. Sobald das rote Licht des Scanners den Code erfasst, ist die Ankunft im Computer gespeichert; außerdem Informationen zum Automodell, der Farbe, der Herkunft und dem Zielort.

Auch wo das Auto später parkt, also unter freiem Himmel oder in einem der sechs Etagen hohen Parkhäuser, „Regale“ genannt, ist hier vermerkt. Stellt ein Fahrer sein Gefährt aus Versehen einmal an einem falschen Platz ab, beginnt eine komplizierte Suche. Die Lagerfläche ist nämlich groß wie 336 Fußballfelder.

Mitarbeiter erzählen sich Geschichten von jahrelang verschollenen Fahrzeugen. Für die Fahrer am Terminal gibt es übrigens strenge Regeln: Sie tragen weder Schmuck noch Jacken oder Pullis mit Reißverschlüssen, eben nichts, was die Polster zerreißen oder beschmutzen könnte. Selbst ihre Uhren decken sie mit einem Schutzarmband ab.

Rund zwei Tage liegen solche Autotransporter zum Be- und Entladen im Hafen
Rund zwei Tage liegen solche Autotransporter zum Be- und Entladen im Hafen
© Christoph Engel und Knut Gielen

Und sitzen sie dann im Auto, sind Radio und Klimaanlage tabu. Neuwagen müssen neu bleiben. Nicht zuletzt sind die Motoren vieler Fahrzeuge gedrosselt, damit sich auch übermütige Fahrer an das Tempo- 30-Limit der Hafenanlage halten. Selbst ein Porsche rollt da kaum schneller als ein Mofa.

Manche Hersteller verpacken ihre Autos sogar in Folie, um den Lack zu schützen. Zum Öffnen der Tür müssen die Fahrer dann einen Reißverschluss aufzippen. Immerhin, aufschließen müssen sie dann nicht: Alle Autos sind offen.

Diebe und solche, die es werden wollen, kommen trotzdem nicht weit: Erstens ist das Terminal eingezäunt und bestens bewacht, und zweitens reicht das Benzin im Tank nur für Kurzstrecken. Denn der Kraftstoff ist teuer, und vollgetankt würden die Autos viel zu viel wiegen und das Schiff somit unnötig beschweren.

Zum Terminal gehört auch diese Werkstatt. Dort bekommen einige Autos neue Reifen, Sitze oder Schiebedächer verpasst
Zum Terminal gehört auch diese Werkstatt. Dort bekommen einige Autos neue Reifen, Sitze oder Schiebedächer verpasst
© Christoph Engel und Knut Gielen

Manchmal ecken jedoch selbst die vorsichtigsten Fahrer an Deck oder auf dem Stellplatz an. Bei dicken Beulen reist das Auto dann meist zurück in die Fabrik, und die Versicherung zahlt den Schaden. Kleinere Dellen reparieren Mechaniker an Ort und Stelle in der Werkstatt. Dort werden normalerweise Sonderausstattungen eingebaut wie Schiebedächer, Ledersitze, Winterreifen, Anhängerkupplung.

Zu guter Letzt rollen die eingetroffenen Wagen durch die Waschstraße. Glänzen dann Scheiben und Lack, liegen die Bedienungsanleitungen im Handschuhfach, sind die Fahrzeuge entlassen. Und werden wenig später per Bahn oder Lkw in Autohäuser gefahren, überall in Europa.

GEOLINO Nr. 04/14 - Tukane: Die Risenschnäbel aus dem Regenwald

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