GEOlino: Hallo!
Capybara: Aaaaaachtuung! Rette sich, wer kaaaaaann! Schneeeell ins Waaaasser!
Moment, schreien Sie meinetwegen so rum?
Na klar! Ich kenne Sie nicht. Sie sind größer als wir, und wer weiß, was Sie wollen. Da warne ich meine Herde lieber lauthals. Und ich selbst tauche auch besser mal ab …
Halt! Nein, ich will Ihnen nichts tun. So scheu hätte ich Sie gar nicht eingeschätzt. Sie müssten den Presserummel doch gewohnt sein als tierische Stars.
Stars? Wir?
Ja! Das Internet ist voll mit Bildern und Videos von Ihnen und Ihren Artgenossen. Es gibt T-Shirts, Kuscheltiere, sogar ein Lied über Sie.
Wirklich?! Sie wollen mich doch auf den Arm nehmen.
Millionen Menschen auf der ganzen Welt würden Sie gern mal auf den Arm nehmen, so putzig finden sie Sie!
Bleiben Sie mir bloß vom Leib, oder ich schreie wieder. Ich bin doch kein Schmusetier!
Schon gut, schon gut, Herr Capybara. Oder ist Ihnen der Name „Wasserschwein“ lieber?
Ist mir ehrlich gesagt völlig egal. Wasserschwein passt natürlich ganz gut, weil wir die meiste Zeit des Tages im Wasser abhängen und uns darin abkühlen. Andererseits ist das Wort Schwein ein bisschen irreführend. Mit echten Schweinen haben wir nämlich rein gar nichts zu tun. Wir sind schließlich Nager.
Der große Durchbruch ist Ihnen allen ohnehin unter dem Namen Capybara gelungen.
Davon kriegen wir hier in den Sumpfgebieten, an den Seen und Flüssen Südamerikas nicht viel mit. Ich kann nur sagen: Capybara leitet sich vom Wort „ka‘apiûara“ ab. Das bedeutet in der Sprache der Tupi-Guarani, der Menschen, die schon immer hier leben, so viel wie „Herr der Gräser“. Die fressen wir halt gern. Aber warum verehren Sie uns denn im Rest der Welt auf einmal so?
Die Menschen finden vor allem Ihren etwas mürrischen, gleichgültigen Gesichtsausdruck lustig. Sie sehen immer irgendwie entspannt aus.
Das ist doch nicht Ihr Ernst! Wir sind mit bis zu 70 Kilogramm die größten Nagetiere der Welt, können dank unserer Schwimmhäute zwischen den Zehen hervorragend schwimmen. Wir können grunzen, pfeifen, bellen, quieken und schnurren. Wir haben ein ausgeklügeltes Warnsystem und sind sehr soziale Tiere, die in meist großen Herden leben. Und Sie bewundern uns wegen unseres Gesichtsausdrucks?
Na ja, und weil Sie scheinbar mit allen anderen Tierarten so gut auskommen. Es gibt zum Beispiel Bilder, auf denen Sie mit Krokodilen oder Vögeln zu sehen sind.
Ist doch logisch. Die hängen hier halt auch im oder am Wasser ab. Lässt sich nicht vermeiden, dass wir aufeinandertreffen. Aber eigentlich sind wir einander mehr oder weniger egal. Wir Capybaras sind am liebsten mit unserer eigenen Art zusammen.
Aber ich habe auf dem Handy ein Video von einem Capybara, das mit einer Katze schmust.
Mit einer Katze? Also wenn ich Katzen sehe, warne ich schrill meine Artgenossen und tauche so schnell wie möglich ab. Immerhin haben Jaguare, Pumas und Ozelots uns vor allem zum Fressen gern.
Nein, das ist eine niedliche kleine Hauskatze. Schauen Sie doch selbst mal … hier!
Eine was? So was habe ich noch nie gesehen. Kann mir kaum vorstellen, dass so ein flauschiger Fellball hier in der Gegend überlebt.
Die meisten Capybara-Videos auf Youtube oder Tiktok sind nicht in freier Wildbahn aufgenommen, sondern in Zoos oder wie dieses bei einem Menschen zu Hause.
Der Katzenschmuser lebt bei Menschen zu Hause? Weiß der nicht, wie gefährlich das ist? Etliche meiner Artgenossen wurden von Menschen gejagt, getötet und gegessen. Von unseren kleinwüchsigen Verwandten, den Meerschweinchen, habe ich schon gehört, dass sie in Deutschland in Käfigen wohnen und sich von Menschen streicheln lassen. Aber wir?
Na ja, so verbreitet wie Meerschweinchen ist Ihre Art als Haustier nicht. In Deutschland ist es zum Beispiel verboten, ein Capybara zu Hause zu halten – ohne eine ausdrückliche Genehmigung.
Vom Chef Ihrer Herde?
Nicht ganz. Von einer Behörde.
Ah, mit so was kenne ich mich nicht aus. Das läuft bei uns Capybaras etwas anders.
Wie denn?
Es gibt einen Chef. Der kriegt die besten Weideplätze, die größten Suhlsümpfe und beeindruckt die schönsten Wasserschweinfrauen. Und wehe, wenn jemand versucht, ihm den Rang streitig zu machen oder ihm zu widersprechen! Dann kann es richtig laut werden …
Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Ihre Stimmkraft ist beeindruckend! Schon mal über einen Plattenvertrag nachgedacht?
Hören Sie, mir und meinen Artgenossen hier in Südamerika ist dieser ganze Wirbel völlig egal. Wir haben weder Youtube noch Tiktok. Wir wollen vor allem eines: unsere Ruhe.
Okay, verstanden. Ich mache mich ja schon aus dem Staub. Danke fürs Gespräch!