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Papageitaucher: Große Klappe - kurze Flügel

Papageitaucher sind fürs Leben in rauer Natur gemacht: Die Vögel vertragen Kälte, lieben steile Felsen und rohen Fisch. Wenn nur das Fliegen nicht so schwierig wäre ...

Knifflig! Der Felsvorsprung, auf dem der Papageitaucher landen will, ist klein wie ein Handtuch. Also vorsichtig Tempo drosseln, Flügel ausbreiten wie einen Fallschirm uuund – autsch! Das war zu viel Schwung. Hals über Kopf purzelt der Bruchpilot übers Gelände. Bis der Zusammenprall mit einem Artgenossen ihn stoppt.

Solch vermurkste Manöver passieren Papageitauchern ständig, sie sind nämlich keine guten Flieger. Zwar legen sie jedes Jahr Tausende von Kilometern zurück, um im Herbst von ihren Brutplätzen an den Küsten des Nordatlantiks in wärmere Gegenden zu gelangen. Doch schon das Abheben am Anfang der Reise ist harte Arbeit.

Dieser Vogel hat beim Tauchgang einen Schnabel voll Sandaale erbeutet
Dieser Vogel hat beim Tauchgang einen Schnabel voll Sandaale erbeutet
© picture-alliance / OKAPIA KG

Papageitaucher sind für ihre Größe recht schwer – nicht nur wegen des bunten Riesenschnabels: Im Gegensatz zu den meisten anderen Vögeln sind die Knochen der Papageitaucher nicht hohl, sondern fast massiv. Immerhin knapp 500 Gramm bringen die Flattermänner daher auf die Waage. Zu viel, um aus dem Stand starten zu können. Darum müssen die Tiere jedes Mal Anlauf nehmen, wenn sie ihre pummeligen Leiber in die Lüfte hieven wollen. Anstrengend! Zum Glück gibt es einen einfachen Trick, um sich vor diesem Kraftakt zu drücken: Die Vögel springen von einer Klippe in die Tiefe und beginnen ihren Flug im freien Fall. Haben sie es endlich geschafft, den festen Boden zu verlassen, geht der Stress allerdings gleich weiter. Weil ihre Flügel ziemlich kurz sind, müssen die Vögel sechs bis sieben Mal pro Sekunde mit ihnen schlagen, um nicht abzustürzen.

Riesengeschrei: Wo Papageitaucher nisten, kann es ganz schön eng werden. Die größte Kolonie besteht aus rund zwei Millionen Vögeln!
Riesengeschrei: Wo Papageitaucher nisten, kann es ganz schön eng werden. Die größte Kolonie besteht aus rund zwei Millionen Vögeln!
© picture-alliance / dpa

Klingt nicht gerade nach einem Erfolgsmodell der Natur – und doch ist es eines: Was den Papageitauchern in der Luft ab geht, machen sie auf See wieder wett. Zur Fortbewegung unter Wasser sind kurze Flügel zum Beispiel genau das Richtige. Kaum taucht der Vogel in die Wellen ab, hört sein hektisches Geflatter auf. Das schwarz-weiß gefiederte Kerlchen bewegt seine Schwingen langsamer und sieht dabei sogar sehr elegant aus! Gesteuert wird mit den Füßen, während der Schnabel in bis zu 60 Meter Tiefe nach kleinen Heringen, Sprotten oder Sandaalen schnappt.

Meist verschlingen Papageitaucher ihre Beute sofort. Es sei denn, sie sammeln Nahrung für ihr Junges. Dann raffen sie während eines einzigen, kurzen Tauchgangs ein ganzes Dutzend Fische zusammen und stopfen sie quer in den Schnabel. Mit ihrer rauen Zunge klemmen sie die Beute an den mit Widerhaken besetzten Oberschnabel fest. So rutscht nichts heraus, wenn die Vögel die Klappe für den nächsten Happen aufreißen. Den Fang schleppen die Eltern dann zu ihrem Küken. Das wächst in einer unterirdischen Höhle heran, die die Vögel hoch über dem Meer ganz oben auf den Klippen in die Erde gegraben haben. Dort ist der junge Piepmatz sicher vor Fressfeinden wie Mantelmöwen – und Menschen: In Island oder auf den dänischen Färöer-Inseln gelten Papageitaucher als Delikatesse.

Zwischen sechs und sieben Wochen lang wird der Nachwuchs auf diese Weise versorgt, dann ist der Jungvogel alt genug: Er stürzt sich selbst zum ersten Mal vom Felsen – und fliegt! Wie alle Papageitaucher zieht er jetzt zum Überwintern aufs offene Meer. Die Jungvögel sind dort völlig auf sich selbst gestellt. Sie müssen Nahrung finden, eisige Kälte aushalten und Stürme durchstehen. Zum Glück sind sie dafür gerüstet. Ihr Federkleid hält eine warme Luftschicht ganz nah am Körper. Die schützt den Vogel nicht nur vorm Auskühlen, sie funktioniert auch wie eine Rettungsweste und sorgt dafür, dass er nicht untergeht, wenn er sich auf dem Wasser ausruht.

Nicht nur den Winter verbringen die Jungtiere auf hoher See: Erst wenn sie zwei oder drei Jahre alt sind, kehren sie wieder an Land zurück, an den Ort ihrer Geburt. Etwa auf die Westmänner-Inseln im Süden Islands, der größten Papageitaucherkolonie der Welt, wo rund eine Million Paare brüten. Seit drei Jahren aber schlüpft immer weniger Nachwuchs, möglicherweise weil die Eltern nicht mehr die richtige Nahrung finden.

Für die Bewohner von Heimaey, der größten der Westmänner-Inseln, ist das ein harter Schlag, vor allem für die Kinder. Denn sie lieben eine alte Tradition: Im August suchen sie abends auf den Straßen nach verirrten Papageitauchern, die bei ihrem ersten Flugversuch das offene Meer verfehlt haben. Diese Jungvögel retten sie vor Katzen, Autos und anderen Gefahren. Darum hoffen die Kinder, dass Wissenschaftler schnell herausfinden, was das Problem ist und wie man es beheben kann – damit wieder mehr Vögel auf der Insel zur Welt kommen. Und dann per Sturzflug ins Abenteuer Leben starten.

Steckbrief: Papageitaucher

Allgemein: Die zwischen 25 und 30 Zentimeter großen Papageitaucher sind bis zu 500 Gramm schwer. Sie kommen nur zum Brüten an Land. Die Brutkolonien liegen an den Küsten des Nordatlantiks, etwa in Grönland, Island, Schottland, Norwegen und Kanada. Ende des Sommers fliegen die Vögel südwärts bis zu den Kanarischen Inseln und ans Mittelmeer.

Familienleben: Ab einem Alter von zwei bis drei Jahren kehren die Tiere jedes Frühjahr an ihren Geburtsort zurück. Dort finden sie einen Partner, dem sie meist ihr Leben lang treu bleiben. Das Weibchen legt jährlich nur ein Ei, aus dem nach etwa sechs Wochen das Küken schlüpft.

Alter: In Ausnahmefällen mehr als 20 Jahre.

Futter: Kleine Fische, seltener auch Krebse und Tintenfische.

Feinde: Raubvögel wie die Mantelmöwe – und der Mensch: In manchen Gegenden gelten Papageitaucher als Leckerbissen.

GEOLINO Nr. 3/08 - Im Bauch der Erde

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