Jenny stand da, als hätte sie jemand für ihn abgestellt. "Eine gute Fee vielleicht", sagt Marc- Kevin und formt die Lippen zu einem verlegenen Lächeln. Er hatte dieses Mädchen aus der Parallelklasse schon ein paar Mal gesehen, in der Pause und auf dem Weg in die Turnhalle.
Aber erst auf dem Schulfest hat er Jenny so richtig wahrgenommen. Sie stand an der Wurfbude. Die zehn Blechbüchsen ballerte sie auf einmal weg. Jenny, heiter und hübsch dazu, ging ihm nicht mehr aus dem Sinn. Abends und morgens nicht, wenn er sie in der Schule sah. "Ich hatte immer Schmetterlinge im Bauch und wusste nicht, was mit mir los war", erinnert sich der 13-Jährige aus der Nähe von Hamburg.

Woher sollte er es auch wissen? Die Liebe ist eine geheimnisvolle Angelegenheit. Kein Forscher der Welt kann letztlich erklären, was passiert, wenn es passiert. Und warum man sich dann gerade in die eine verknallt und in die Nächste nicht oder in den einen und in den Nächsten nicht.
Marc-Kevin bemerkte an Jenny zunächst ihr Wurftalent und dann - ihre Augen: braun und strahlend! Tatsächlich spielt das Aussehen beim Verlieben eine wichtige Rolle. Was unfair ist, aber wahr: "Schöne" Menschen mit wohl geformten Augen und Mündern halten die meisten zunächst für netter und liebenswürdiger. Aber das Äußere kann es allein nicht sein.
Zwei, drei Tage nach dem Schulfest fragte Marc-Kevin Jenny, ob sie nicht einmal mit ihm in die "Oase" gehen wolle, den Jugendtreff am Gymnasium. Jenny kicherte nicht, sondern sagte einfach Ja. "Da habe ich gedacht, dass sie bestimmt einen guten Charakter hat", sagt der Junge. Er mochte auch, dass sie - wie er - gern Tischkicker spielte und Tiere liebte.
Aber was sie von ihm hielt? Er hatte keine Ahnung. Bis zu jenem Tag, als Marc-Kevin sie in der Pause abpasste. "Ich konnte gar nicht gerade stehen, so weiche Knie hatte ich", erinnert sich Marc-Kevin. "Aber zum Glück habe ich noch fünf Wörter rausgebracht: ,Willst du mit mir gehen?‘ Als sie nickte, pochte mein Herz bis zum Hals."
Doch sosehr es auch pocht und bebt: Von Herzen kommt die Liebe trotzdem nicht. Die großen Gefühle sind eine Angelegenheit des Hirns. Denn sobald wir uns in jemanden verguckt haben, schüttet das Denkorgan dem Botenstoff Dopamin aus: ein natürliches Aufputschmittel, das un seren Herzschlag beschleunigt und manchmal auch die Muskeln unse rer Magenwand so sehr durch schüttelt, dass es sich anfühlt, als flögen tatsächlich Schmetterlinge darin. Und: Dopamin lässt Verliebte nimmermüde und mutig sein.
Zwei Wochen nach der entscheidenden Frage griff Marc-Kevin einfach nach Jennys Hand. Noch im Jahr zuvor wäre er danach sogleich zum nächsten wasserhahn gerannt, "Mädchenpest abwaschen." Aber jetzt? Wollte er gar nicht mehr loslassen. Bald darauf saßen sie wieder in der "Oase", es war Donnerstag.
Marc-Kevin wollte Jenny einen Bussi auf die linke Backe geben, Jenny ihn auf die rechte Backe knutschen. Sie trafen sich versehntlich in der Mitte. "Fühlt sich gut an", sagt Marc-Kevin nur. Ohnehin trafen sie sich dauern: vor, während, nach der Schule, kuschelten, machten Quatsch. Und wenn sie sich nicht sahen, dann dachte er an sie und sie an ihn und wenig anderes. Muttertag? Verflixt, vergessen. Die Mathearbeit? Leider auch!
Marc-Kevins Schulnoten wurden schlechter. Die Freunde beschwerten sich, er habe keine Zeit mehr für sie. Aber Jenny "klammert total." Nach einem knappen Jahr Zusammensein wusste sich Marc-Kevin nicht anders zu helfen, als mit Jenny Schluss zu machen. Er sagte es ihr in der "Oase" und ging mit feuchten Augen. Obwohl er doch die Trennung wollte, quälte ihn der Liebeskummer. Er hatte Jenny "verloren", mit der er so vieles zum ersten Mal erlebt hatte: Händchen halten, Umarmen, Bussi, Kuss. Aber genau darum, weil sie unvergleichlich ist, schreibt sich die erste Liebe wie mit löschfester Tinte ins Gedächtnis. Ein Leben lang.
Zu Jenny zurückzukehren? Nein, das kann er sich nicht vorstellen. Marc-Kevin möchte irgendwann ein anderes Mädchen kennenlernen, mindestens so nett - wie Jenny.