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Interview: Alexander Gerst Auf Station: Leben und Arbeiten auf der ISS

Alexander Gerst in der Cupola
Lieblingsplatz: Von der Cupola aus betrachtet Alexander Gerst die Erde, wann immer er Zeit dafür hat – und knipst ein- drucksvolle Fotos, etwa von Wäldern, Wüsten und Küsten
© ESA/NASA
Am 6. Juni 2018 soll der Astronaut Alexander Gerst zur Raumstation ISS fliegen - zum zweiten Mal. Und diesmal bekommt er dort einen neuen Posten: Kommandant, also Chef der Raumstation. Wie dann ein Tag 100 Kilometer über der Erde abläuft, erzählt uns der 41-Jährige im Interview

Mit 28.000 Kilometer pro Stunde um die Erde flitzen – für Alexander Gerst und die anderen Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS ist das völlig normal. Tag für Tag erlebt er 16 Sonnenaufgänge, alle paar Minuten erblickt er unter sich einen anderen Kontinent.

Trotz dieses Schnelldurchlaufs von Tag und Nacht klingelt der Wecker oben im All täglich um dieselbe Zeit: um sechs Uhr koordinierte Weltzeit, das ist zwei Stunden früher als unsere Sommerzeit. Kurz darauf schwebt Alexander Gerst aus seiner Schlafkabine.

GEOlino extra: Kannst du in der Schwerelosigkeit gut schlafen?

Alexander Gerst: Schon, allerdings fällt es mir schwerer einzuschlafen als zu Hause. Auf der ISS nimmt man ja automatisch diese Schwerelosigkeitsstellung ein, bei der die Arme vor einem schweben. Das ist ungewohnt.

Bereitest du dich jetzt beim zweiten Flug speziell darauf vor?

Alexander Gerst: Ja! Diesmal packe ich mir extra Gummibänder und Karabinerhaken ein, mit denen ich meinen Schlafsack fester an die Wand binden kann. Dann fühlt sich die Position vielleicht mehr nach liegen an.

Was ist das Schwierigste bei der Körperpflege?

Alexander Gerst: Zehennägel schneiden. Auf der Erde hilft einem die Schwerkraft beim Vornüberbeugen. Oben müssen das die Bauchmuskeln leisten. Das ist echt anstrengend! Ein Gefühl dafür bekommt man, wenn man versucht, sich die Zehennägel zu schneiden, während man auf dem Rücken liegt.

Aber andere Sachen machen dafür mehr Spaß. Zum Beispiel beim Zähneputzen Saltos zu schlagen. Nach einiger Zeit habe ich drei am Stück geschafft ohne anzuecken!

Alexander Gerst, Serena Aunón, Sergei Prokopjew
Die US-Amerikanerin Serena Aunón, der Russe Sergei Prokopjew und Alexander Gerst starten im Juni gemeinsam in einer "Sojus"- Kapsel zur ISS. Der Name ihrer Mission: "Horizons" (übersetzt: "Horizonte")
© ESA/NASA

Wann hast du erfahren, dass du in der zweiten Hälfte deiner Mission Kommandant sein wirst?

Alexander Gerst: Im Urlaub in Neuseeland im Jahr 2016. Mein Chef hat angerufen und mir gesagt, dass ich wieder zur ISS fliegen darf – und zwar als Kommandant. Das ist eine große Ehre!

Wer eignet sich als Kommandant?

Alexander Gerst: Es muss jemand sein, der schon mindestens einmal auf der ISS war, also dort alles kennt, der zur Bodenkontrolle und der Crew ein gutes Verhältnis hat. Er muss im Notfall die Übersicht behalten können und dann richtige Entscheidungen treffen, etwa wenn ein Feuer ausbricht.

Du bist dann für alle Crewmitglieder verantwortlich?

Alexander Gerst: Genau. Auch dafür, dass es ihnen gut geht. Bei meiner ersten Mission hat es sich bewährt, schwierige Situationen mit Humor zu lösen. Ein paar Tage vor einem geplanten Weltraumausstieg wurde die Aktion abgesagt. Mit den Batterien in den Anzügen gab es ein Problem.

Mein Kollege Reid Wiseman und ich waren natürlich total enttäuscht. Aber dann haben wir den Frust einfach weggelacht und eine verrückte Liste aufgestellt, warum es sowieso besser ist, dass der Ausstieg ausfällt.

Was stand denn auf der Liste?

Alexander Gerst: Zum Beispiel "Alex braucht sich keine Sorgen zu machen, dass er eine Helmfrisur bekommt" oder "Wir dürfen wieder Deo benutzen". Das darf man nämlich nicht, bevor man in den Anzug schlüpft. Und "Wir müssen keine Windeln tragen" haben wir auch notiert.

Die Liste haben wir dann an die Bodenkontrolle geschickt – und hörten kurze Zeit später über Funk ein schallendes Gelächter. Später konnten wir den Weltraumausstieg im Übrigen nachholen.

Alexander Gerst auf der ISS
Tüte öffnen, Wasser dazu und warten: So werden auf der ISS viele Mahlzeiten zubereitet. Alexander Gersts Lieblingsessen auf seiner ersten Mission war der russische Nachtisch Tvorag, eine Quarkspeise
© ESA/NASA

Auf welche Experimente freust du dich am meisten?

Alexander Gerst: Am meisten freue ich mich auf Experimente, mit denen wir helfen, Krankheiten auf der Erde zu heilen. Aber ich freue mich auch auf die Experimente, die Schüler sich für unsere Mission ausgedacht haben.

Die sind aber noch geheim. Erst auf der ISS verrate ich, was ich zusammenbasteln muss und wie das Experiment abläuft. Das freut mein Bastlerherz! Beim ersten Mal musste ich untersuchen, wie sich Seifenblasen in der Schwerelosigkeit verhalten. Das war so ein Erfolg, dass daran jetzt weiter geforscht wird.

Als Kind hast du davon geträumt, einmal zum Mond zu fliegen. Glaubst du, der Traum könnte noch wahr werden?

Alexander Gerst: Eine Chance gibt es tatsächlich: NASA und ESA bauen gerade ein Raumschiff dafür, die "Orion". Außerdem wollen mehrere Länder gemeinsam eine Station entwickeln, die um den Mond kreist: das "Deep Space Gateway" (DSG).

Von da aus soll man auch zum Mond runterfliegen können. Wenn ich großes Glück habe, werde ich dabei sein. Und später vielleicht ja auch einige der Mädchen und Jungen, die heute das GEOlino extra lesen.

GEOlino Extra Nr. 69 - Raumfahrt

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