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Wiedergeburt eines Wikingerschiffs

Seile aus Pferdeschwänzen, Schmiere aus Ochsenfett und bestes Kiefernholz für tiefschwarzes Teer: Für den originalgetreuen Nachbau eines fast 1000 Jahre alten Kriegsschiffes machte das Team des Wikingerschiffsmuseums im dänischen Roskilde eine Reise in die Vergangenheit

Inhaltsverzeichnis

Vorbild schlummerte in den Fluten

Motorsägen und Schraubendreher waren in den vier Jahren, die das Projekt dauerte, genau so tabu wie Nägel und Holz aus dem Baumarkt. "Wir wollten verstehen, wie die Wikinger damals ein Schiff gebaut haben", erzählt Martin Brandt Djupdraet vom Wikingerschiffsmuseum. Deshalb entstand der Nachbau des mittelalterlichen Meeresflitzers in Handarbeit. Genau wie früher eben.

Versenkte Pracht

Auch als "Boot-Skelett" ist das Wikingerschiff schon beeindruckend.
Auch als "Boot-Skelett" ist das Wikingerschiff schon beeindruckend.
© Wikingerschiffsmuseum Roskilde

Das Vorbild von Skudelev 2 - so heißt das Schiff - lag Jahrhunderte lang im Fjord von Roskilde. Die Wikinger selbst hatten ihr prächtiges Kriegsschiff dort versenkt, damit feindliche Boote bei der Einfahrt in den Fjord im seichten Wasser daran hängen blieben. Im Jahre 1962 machten sich Archäologen daran, es wieder auszugraben - etwa 900 Jahre, nachdem das stolze Schiff von den Fluten verschlungen worden war.

Mittelalterliches Schnellboot

Was sie fanden, war eine Meisterleistung der Bootsbaukunst. 30 Meter lang und 3,80 Meter breit bot es Platz für 70 Krieger und konnte bei starkem Wind und geblähtem Segel bis zu 20 Knoten schnell werden. Zum Vergleich: Der supermoderne Ozeanriese "Queen Mary 2", das schnellste Passagierschiff der Welt, kommt trotz riesiger Motoren auch "nur" auf 30 Knoten.

Die Suche nach den passenden Baumstämmen dauerte am längsten.
Die Suche nach den passenden Baumstämmen dauerte am längsten.
© Wikingerschiffsmuseum Roskilde

Horden mit Kennerblick

Jeder Stamm musste haargenau passen: Echte Feinarbeit.
Jeder Stamm musste haargenau passen: Echte Feinarbeit.
© Wikingerschiffsmuseum Roskilde

Bevor das Museumsteam in Roskilde den ersten Nagel einschlagen konnte, ging es erstmal in den Wald: 334 Eichenbäume - und zwar in Form und Qualität genau für ihre spätere Lage im Schiff passend - mussten aufgespürt und gefällt werden. "Das war unser größtes Problem", erinnert sich Martin Brandt Djupdraet. "Wir haben ganz Dänemark abgesucht. Und bei einigen Bäumen stellte sich heraus, dass sie später gar nicht richtig passten." Die Wikinger, oft verschrien als unzivilisierte, plündernde Barbaren, müssen also einen Kennerblick für Bäume gehabt haben. Gut organisiert waren sie ebenfalls, haben Djupdraet und sein Team herausgefunden: "Alle wussten beim Schiffsbau genau, was sie tun mussten. Sonst wäre ein solch kompliziertes Projekt nie gelungen."

Biegsames Holz

Aus den frisch geschlagenen Bäumen wurden zuerst die Planken geschnitten, die Seitenwände des Bootes, die leicht und biegsam sein müssen. Gehämmert und gehackt wurde mit Werkzeugen, die ausgegrabenen Wikingerwerkzeugen nachgebildet wurden. Auch die Nägel, die die Planken zusammenhalten, entstanden in Handarbeit: Ein Schmied schwitzte allein 1000 Stunden über seinem Amboss, um alle 7000 Nägel in Form zu bringen.

Planke für Planke

Gearbeitet wurde nur mit Werkzeugen, die auch die Wikinger nutzen konnten.
Gearbeitet wurde nur mit Werkzeugen, die auch die Wikinger nutzen konnten.
© Wikingerschiffsmuseum Roskilde

Aus dem "Plankengerippe" wuchs im Laufe der Zeit ein prächtiges Wikingerschiff. Und die Museumsbesucher waren live dabei. Die Werft des Museums liegt direkt beim Institut und das Hämmern und Werkeln hat viele Schaulustige angelockt, die sich einmal mit in die Vergangenheit nehmen lassen wollten.

Teer aus Kieferbäumen

Damit Wasser und Meersalz dem Holz keinen Schaden zufügen, strichen die "modernen Wikinger" ihr Boot mit 600 Litern Teer, der aus harzhaltigen Kiefernbäumen gewonnen wurde. Vier Tage lang brannte das Holz in einem Meiler, der ein wenig aussah wie ein Pilzhaus der Schlümpfe.

Schafswolle und Schweifhaare

Skudelev 2 ist bereits das fünfte Wikingerschiff, das im Museum nachgebaut wurde. Die acht Bootsbauer waren bei diesem Schiff also schon echte Profis. Trotzdem war Skudelev 2 eine Herausforderung: Es ist immerhin das größte Wikingerschiff, das je nachgebaut wurde. Allein das Segel ist 120 Quadratmeter groß - darauf hat eine großzügige Vierzimmerwohnung Platz. Für die Seile und Taue mussten 600 Pferde und 110 Schafe Schweifhaare und Wolle lassen.

Planke für Planke wuchs das prachtvolle Wikingerschiff.
Planke für Planke wuchs das prachtvolle Wikingerschiff.
© Wikingerschiffsmuseum Roskilde

Wikingerboote zum Mitfahren

Als das Wikingerschiff vor kurzem zum erstem Mal majestätisch ins Wasser glitt, war das ein ganz besonderer Moment für Martin Brandt Djupdraet und sein Bootsbauer-Team: "Es war einfach fantastisch. Wenn man so ein Schiff in voller Fahrt erlebt, sieht man, was für gute und elegante Schiffe die Wikinger bauen konnten." Wer dieses Gefühl auch einmal erleben möchte, kann nach Roskilde fahren und einsteigen: Alle nachgebauten Boote sind zum Mitfahren gedacht.

Die mächtigen Nordmänner

Die Museumsbesucher konnten immer live dabei sein.
Die Museumsbesucher konnten immer live dabei sein.
© Wikingerschiffsmuseum Roskilde

Ohne ihre Schiffe, die wegen ihrer schnittigen Bauweise nicht nur schnell waren, sondern auch ganz flach im Wasser lagen, wären die Wikinger vermutlich nie zu ihrem Ruf gekommen, der noch heute nachhallt. Sie waren ausgezeichnete Seeleute, die 500 Jahre vor Christoph Kolumbus Amerika entdeckten, einen regen Handel mit der halben Welt pflegten - und plündernd durch ganz Europa zogen. Klammheimlich legten sie vor Städten und Klöstern an, raubten alles Wertvolle und verschwanden mit ihren Meeresflitzern so schnell wie sie gekommen waren. Kein Land und keine Stadt war im Mittelalter vor den Wikingern sicher. Sogar das mächtige Paris war den Nordmännern, wie die Wikinger auch genannt wurden, nicht gewachsen.

Mehr als eine wilde Horde

"Die Wikinger waren aber auch ein sehr kultiviertes Volk", sagt Martin Brandt Djupdraet. Die Kunst des Bootsbaus reichten sie von Generation zu Generation weiter. Auch bei Holzschnitzereien waren sie wahre Meister, wie man heute weiß. Martin Brandt Djupdraet hat großen Respekt vor dem Volk, das vor vielen Jahrhunderten Angst und Schrecken verbreitete. Dass das aber nicht alles ist, was man über die Wikinger wissen sollte, haben sein Team und er beim Bau des Schiffes gelernt.

70 Krieger hatten in dem 30 Meter langen Prachtschiff Platz.
70 Krieger hatten in dem 30 Meter langen Prachtschiff Platz.
© Wikingerschiffsmuseum Roskilde

Hier könnt ihr mehr über die Wikinger erfahren:

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