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"Grüne" Energie
Mit einer riesigen Schaufel verlädt ein Traktor Unmengen an Getreide. Wozu? Nicht zum Brotbacken, nicht zum Füttern der Tiere - sondern zur Energie- und Wärmeproduktion. Damit macht sich die 1000-Seelen-Gemeinde Jühnde, gelegen im südlichsten Zipfel Niedersachsens, unabhängig: von teurem Heizöl und von den großen Stromversorgern.
Ob es um die warme Dusche, die eisgekühlte Limonade oder die abendliche Fernsehserie geht: Im Alltag benötigen wir Energie in Form von Strom und Wärme. Jühndes Dorfbewohner haben ihre Energieversorgung selbst in die Hand genommen. Das heißt: Sie bauten ihre überkommenen Ölheizungen aus und decken ihren kompletten Strombedarf und rund drei Viertel ihres Wärmebedarfs seit 2005 durch regenerative Energien. Genauer gesagt: durch die Vergärung von Getreide – ein nachwachsender Rohstoff - und Gülle, den Hinterlassenschaften des lieben Viehs. In besonders kalten Wintern wird zusätzlich ein Holzheizkraftwerk betrieben.

"Grüne" Energie
Energie aus Mist und Grünzeug - wie funktioniert das? "Das klappt mithilfe unserer großen Biogasanlage", erklärt Eckhard Fangmeier, Diplom-Physiker und Vorstand der eingetragenen Genossenschaft Bioenergiedorf Jühnde. "Da kommen Gülle und nachwachsende Rohstoffe rein und werden auf circa 40 Grad Celsius erwärmt. Dann setzt der Gärungsprozess ein."
Dabei wandeln Bakterien die Masse in Biogas um. Das besteht zur Hälfte aus Methan, dem eigentlichen Energieträger. Der wird anschließend in einem Blockheizkraftwerk zu Strom und Wärmeenergie umgesetzt: Ein Gasmotor verbrennt das Biogas und erzeugt dabei – Wärme. Gleichzeitig treibt der Motor einen Generator an, der Strom produziert.

"Dieses Prinzip nennt man Kraft-Wärme-Kopplung", fasst Eckhard Fangmeier die Wirkungsweise zusammen. "Das Ganze hat im Vergleich zu Kohlekraftwerken einen sehr hohen Wirkungsgrad. Das bedeutet, unsere Art, Strom und Wärme zu erzeugen, ist sehr effizient." Logisch – die beim Verbrennen entstehende Abwärme wird ja auch genutzt und versorgt die Haushalte der Gemeinde mit – klar, Wärme.
Und woher nehmen die Jühnder die Ausgangsmasse? Schließlich verwandelt die dorfeigene Biogasanlage Jahr für Jahr 12.000 Tonnen Getreide – hautsächlich Mais, Gerste und Weizen – und 7.000 Tonnen Gülle in Energie. Das Getreide wird auf einem Fünftel der Felder – ehemalige Brach-, also ungenutzte Flächen – rund um die Gemeinde herum angebaut, die Gülle stammt aus den nahegelegenen landwirtschaftlichen Betrieben. Eckhard Fangmeier ist überzeugt: "Dadurch ist ein regionaler Kreislauf entstanden: Die Felder werden wieder genutzt, Energie wird günstig bereitgestellt und Arbeitsplätze entstehen."
Es funktioniert
Entstanden ist die Idee des "Bioenergiedorfs" aus einem Projekt der Universität Göttingen. Die Wissenschaftler wollten beispielhaft zeigen, dass es möglich ist, ein Dorf vollständig mithilfe erneuerbarer Energien zu versorgen und damit einen Beitrag für Umwelt und Klimaschutz zu leisten. Tatsächlich: Die Biogasanlage in Jühnde erzeugt jährlich ungefähr fünf Millionen Kilowatt - doppelt so viel Strom, wie die Gemeinde verbraucht. Der Rest wird in das Stromnetz eingespeist und anderen Menschen zur Verfügung gestellt. Kostengünstig ist die Idee auch: Durch ihre unabhängige Energieversorgung sparen die Jühnder Haushalte pro Jahr rund 750 Euro.
Hört sich gut an – doch ist das Konzept auf andere Orte überhaupt übertragbar? "Im Prinzip schon", meint Eckhard Fangmeier. Die technischen Anlagen könnten genauso an anderen Orten aufgebaut werden. Man benötigt allerdings auch die nötigen Flächen für den Biomasseanbau und vor allem eines: überzeugte und aktive Einwohner!