Magischer Kosmos
Tove Jansson verwandelte die realen Schauplätze ihrer Kindheit zu einem Kosmos skurriler Figuren: Im Jahr 1914 in Helsinki geboren, hat die Tochter einer schwedischen Graphikerin und eines finnischen Bildhauers viele Sommer an den skandinavischen Küsten verbracht. Das einsame und ländliche Leben dort wurde zu einem der stärksten Motive ihrer Mumin-Geschichten. Mumins, das sind trollartige Fantasiewesen, der Aktivitäten größtenteils durch das Meer bestimmt werden: zum Beispiel wenn Mumin eine Flaschenpost aus den Wellen fischt, Mumin-Mama ihre Blumenbeete mit Muscheln verziert, Mumin-Papa in einer Felsenhöhle das Schmugglerleben erprobt oder alle zusammen zu einer großen Bootsreise aufbrechen.
Reale Schrecken
Doch auch Gefahren schwappen häufig aus dem Meer über die Mumins herein. So zum Beispiel in der Geschichte "Mumin und die Räuber" aus dem ersten Comic-Sammelband: Der kleine Mumin wird gleich von Hundertschaften ungebetener Unterwasser-Gäste heimgesucht. Nach Belieben kommandieren sie ihn in seinem eigenen Haus herum. Als sich der zögerliche Gastgeber endlich zu einem klaren "Nein" durchringen kann, stößt er auf taube Ohren. In ironischer Umkehr der Situation lässt Tove Jansson am Ende den struwelligen Allesfresser "Stinky" auftreten: Der "stänkert" zwar die Eindringlinge aus der Bude, trägt aber dennoch kaum zu Mumins Zufriedenheit bei.
Nichts für Kinder?
Die Probleme der kleinen Trolle sind nur all zu menschlich. Genau aus diesem Grund trafen Tove Janssons Mumins-Erzählungen bei ihrem Erscheinen im Jahr 1945 nicht den Geschmack der deutschen Verleger. Damals wurde die heile Welt der Kinderbücher noch sorgfältig gegen jeden "realen Schrecken" abgeschirmt. Erst seit den 90er Jahren bevölkern immer mehr Figuren nach dem Vorbild der Mumins die Buchseiten: Es handeln Helden mit "ganz normalen" Vorzügen und Schwächen, die aber wenn es darauf ankommt in der Lage sind über sich selbst hinauszuwachsen. Bis heute ermutigen die Mumins ihre Leser gegen jeden noch so merkwürdigen Gesellen - und sei es auch ein Stinki, Schnupfer oder Snorkfräulein - Toleranz zu üben. Oder in Tove Janssons eigenen Worten: "Die Mumins (...) gewähren sich gegenseitig volle Freiheit: Freiheit allein zu sein, auf eigene Art zu denken und zu fühlen und eigene Geheimnisse zu haben (...). Keiner verursacht je einem anderen ein schlechtes Gewissen."
Fazit

Der Erfolg der Mumin-Romane in Finnland und England führte im Jahr 1954 zu einer Comic-Reihe in der Londoner Zeitung "The Evening News". Waren die Illustrationen der Romane noch mit Aquarellfarben flächig gestaltet, so zeichnen sich die Comicstrips durch geschlossene Linien und eine sehr ausgefeilte Schraffurtechnik aus. Die Reihe wurde später weltweit in 40 Zeitungen veröffentlicht. Im Jahr 2008 widmete der Reprodukt-Verlag diesen Strips einen vollständigen Sammelband. Daraus ist im Oktober dieses Jahres bereits der vierte Teil erschienen. Eine wunderschöne Aufmachung, die den Liebreiz von Tove Janssons kurzbeinigen Dickerchen sehr gelungen zur Geltung bringt.
Tove Jannson: "Mumins. Die gesammelten Comic-Strips von Tove Jansson", ab 10 Jahren, Reprodukt, 24 Euro