Etwa 100 nichtmenschliche Patienten wie Giraffen, Dachse oder Erdmännchen landen jährlich unter dem Bohrer von Doktor Kertesz; viele leiden unter ihren Gebiss-Ruinen schon seit Jahren. Da ist Harley, der kleine Seelöwe aus dem Tierpark, der sich alle Zähne bis auf den Kiefer abgekaut hat, weil er offenbar gern auf Steinen herumbeißt.
Schimpanse, Tanzbär und Lamas
Oder Busta, der Schimpanse, dem der Doktor in einer Sechs-Stunden-Sitzung fünf Zähne reparieren musste. Oder der Tanzbär Little George: Rücksichtslose Menschen hatten ihm die Zähne eingeschlagen, damit er nicht beißen konnte. "Jeder Fall ist anders", sagt der Doktor. Lamas etwa machen das Maul nicht auf - da hilft oft nur ein Schnitt durch die Wange, um an deren Gebiss heranzukommen.
Betäubung muss sein
Löwen dagegen haben zwar einen Riesenrachen, aber ihre Zähne sitzen mit den dicken Wurzeln betonfest im Kiefer. Nur eines ist immer gleich: Die Tiere verpennen den Besuch des Doktors - sie werden vor der Behandlung betäubt. Was gar nicht so leicht ist: Einerseits dürfen sie nicht zu lange schlafen - sonst könnte die Narkose ungesund für sie sein.
"Mehr Narkosegas!"
Andererseits dürfen die wilden Patienten auch nicht zu früh aufwachen - denn das wiederum könnte ziemlich ungesund werden für Doktor Kertesz! Es ist tatsächlich schon vorgekommen, dass ein Tiger während der Behandlung wach geworden ist und dem Doktor dösig die Hand geleckt hat. Der konnte seinem Assistenten gerade noch durch Augenzwinkern signalisieren: "Mehr Narkosegas!"
Zickige Elefantenkuh
Die größten Sorgenkinder des Zahnarztes sind aber die Elefanten - zum Beispiel Adega, die in einem Tierpark im englischen Liverpool lebt. Die heute 28jährige Elefantenkuh galt seit langem als zickig, und als "Heulsuse" - bis jemand auf die Idee kam, dass ihr angeknackster Stoßzahn Schuld an ihrer schlechten Laune sein könnte.
Massen an Spezialwerkzeug
Für den Hausbesuch bei Adega bringt Doktor Kertesz sein Spezialwerkzeug mit. Und das sieht aus, als ob der Doktor in Wirklichkeit am Bau arbeite: furchterregende Fräsen, Mega-Meißel, Zangen, Haken, Kettensägen und Pressluftbohrer... Etwa 1000 Instrumente, die zusammen rund 500 Kilo wiegen!
Jetzt also Adega: Zuerst wird der 3500 Kilogramm schwere Elefant mit einem Betäubungspfeil in den Schlaf geschossen.
Entzündeter Stoßzahn
Doktor Kertesz erkennt schnell, dass die "Heulsuse" aus gutem Grund miesepetrig gewesen ist: Ihr linker Stoßzahn ist nicht nur angebrochen, sondern auch übel entzündet. "Der muss raus!" sagt der Arzt. Nur: Einen Stoßzahn kann man nicht so einfach ziehen - das würde den Oberkiefer sprengen!
Absägen, aushöhlen, zerteilen
Deshalb muss der Doktor in mehreren Schritten vorgehen: Erst einmal sägt er den oberarmdicken Zahn direkt am Maul ab, bis auf einen Stummel. Den höhlt der Doktor nun so weit aus, dass nur noch eine dünne Elfenbeinhülle übrigbleibt - eine Hülle, die fast einen halben Meter tief in den Schädel hineinragt; Doktor Kertesz schneidet sie mit seiner Kettensäge in vier Teile und meißelt sie dann sorgsam heraus.
Schmerzfreies Leben
Eine blutige Angelegenheit! Nach anderthalb Stunden ist es geschafft: Adega ist ihren Stoßzahn samt den Schmerzen los. Und Doktor Kertesz packt sein Werkzeug für den nächsten Fall ein. Viele Tiere benehmen sich nach der Behandlung übrigens wie ausgewechselt. Sie fressen wieder, spielen und interessieren sich für ihre Artgenossen.
Ungehöriger Patient
Nur ein einziges Mal hat sich bisher ein Patient danebenbenommen. Im Zoo von London erwachte ein Elefant nach der Operation ein wenig zu früh. Mit einem lässigen Tritt kickte er Doktor Kertesz durch die Luft und bepinkelte ihn dann von oben bis unten. Seit damals trägt der Doktor an seinen tierischen Freitagen statt seines weißen Ärztekittels lieber einen grünen Overall.