Wie Tierschützer bedrohte Vögel aufpäppeln
Kia liebt Sardinen. Und Sardellen - lecker! Bloß: Nicht nur das Brillenpinguin- Weibchen isst gern diese Fische. Menschen überall auf der Welt mögen sie auch. Um deren Appetit zu stillen, ziehen die Fischer vor Südafrikas Küsten tonnenweise Sardinen und Sardellen aus dem Meer. So viele, dass die Vögel dort immer öfter leer ausgehen. Brillenpinguin Kia wäre darum als Baby um ein Haar verhungert, ihre Eltern fanden einfach keine Nahrung mehr. Doch das Küken hatte Glück: Mitarbeiter der Tierschutzorganisation "Sanccob" entdeckten Kia und päppeln sie seither in einer Auffangstation in Kapstadt auf.
Achtung, wild!
"Vorsicht, die beißen!" Tierärztin Nola Parsons weiß, wovon sie spricht. Wohl jeder bei Sanccob ist schon mal von einem Pinguin gezwickt worden. Pinguine sind eben wilde Tiere. Mindestens 17 verschiedene Pinguinarten leben in den Meeren der Südhalbkugel. Die meisten von ihnen findet man dort, wo es kalt ist - vor allem in der und um die Antarktis. Brillenpinguine dagegen sind vor den Küsten Südafrikas und Namibias zu Hause: Sie mögen es wärmer.
In der Sanccob-Station behandeln Tierärzte, -pfleger und viele freiwillige Helfer jedes Jahr etwa 2500 Pinguine und andere Seevögel, darunter 800 bis 900 Küken. Viele der Pinguine sind unterernährt, andere krank oder verletzt. Rund um die Uhr brauchen die Patienten Futter, Wasser, Medikamente. Und jemanden, der ihren Dreck wegputzt. "Das ist kein Kuscheljob, sondern harte Arbeit", sagt Nola Parsons.
Eierdiebe und Überfischung
Sie und ihr Team haben viel zu tun. Denn dem Brillenpinguin geht es nicht gut. Um das Jahr 1910 lebten noch schätzungsweise 1,5 Millionen der Vögel an den Küsten des südlichen Afrikas. Heute sind es vermutlich nur noch rund 50 000. Es gibt viele Gründe für das Verschwinden der Vögel - die meisten von ihnen sind menschengemacht. Vor 100 Jahren nahm die Zahl der Brillenpinguine stark ab, weil Eierdiebe und Guanoräuber ihre Kolonien heimsuchten. Pinguin-Eier galten damals als Delikatesse, und Guano, der Kot der Tiere, ist ein hervorragender Pflanzendünger.
Da die Vögel ihre Nisthöhlen in den Guano graben, mangelte es ihnen irgendwann an Brutplätzen. Heute macht den Brillenpinguinen die Überfischung und die Verschmutzung der Meere schwer zu schaffen. Zudem ändern sich die Meeresströmungen und damit die Wege der Fischschwärme. Dadurch müssen die Vögel immer weiter aufs Meer hinausschwimmen, um noch genügend Futter zu finden. Nicht zuletzt gibt es vor Südafrikas Küste immer wieder Tankerunfälle, bei denen Öl ins Meer läuft und das Gefieder der Seevögel verklebt. Regelmäßig landen ölverschmierte Pinguine in der Sanccob-Station. Das lebensrettende Schaumbad, in das Nola Parsons und ihre Helfer sie dann stecken, ist für die Vögel die reinste Qual: Erst nach vielen Waschgängen sind die Federn und feinen Daunen, die das Tier wie ein Anorak wärmen, wieder sauber.
Jeder Pinguin zählt
So stark ist der Bestand gesunken, dass heute niemand mehr sagen mag, ob es Brillenpinguine in 50 Jahren noch gibt. Die Sanccob- Mitarbeiter kämpfen um das Überleben der Art. Darum "adoptieren" die Tierschützer nicht nur geschwächte Küken. Sie sammeln in den Pinguin-Kolonien auch verlassene Eier ein und legen sie in die Brutkästen der Station. Die geschlüpften Winzlinge bekommen ihren Fischbrei dann per Schlauch in die aufgesperrten Schnäbel gedrückt. Sicher, von Mutter und Vater gefüttert zu werden wäre schöner. Aber den Küken macht das wenig aus: Die von Hand aufgezogenen Pinguinbabys sind später sogar besonders rund und gesund - und haben deshalb in Freiheit bessere Überlebenschancen als ihre wild aufwachsenden Artgenossen.
Irgendwann geht es für alle Sanccob- Patienten zurück in die Freiheit. Na ja, für fast alle: Kia lebt nun schon seit zwei Jahren in der Station und wird bleiben. Für das raue Leben im Meer ist sie trotz aller Pflege nicht kräftig genug. Doch auch Kia leistet einen wichtigen Beitrag für das Überleben ihrer Art: Als "Pinguin-Botschafterin" besucht sie zusammen mit Sanccob-Mitarbeitern Schulen und begleitet Besuchergruppen durch die Auffangstation. Zur Arbeit der Tierschützer gehört schließlich auch, möglichst viele Menschen auf die Not der Seevögel aufmerksam machen - damit in Südafrika auch in Zukunft noch Pinguine über den Strand watscheln.
Warum haben Pinguine keine Angst vor Menschen?
Dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Zum einen sind Pinguine schrecklich neugierig. Und jene, die in der unbesiedelten Antarktis leben, haben auch noch keine schlechten Erfahrungen mit Menschen gemacht. Viele Antarktis-Reisende erzählen außerdem, die leicht kurzsichtigen Vögel hätten die Menschen schlicht für andere - etwas seltsame Pinguine - gehalten.